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"Schlechte Bezahlung schreckt ab": Hebammen werben für Traditionsberuf
06.05.23 - Wer Hebamme werden will, muss seit Januar studieren. Ob die Akademisierung des Traditionsberufs für mehr Anerkennung, bessere Bezahlung und damit Linderung des Fachkräftemangels sorgt, ist unklar. Am Internationalen Hebammentag wird geworben für Vielfalt und Zukunftsfähigkeit des Berufsbildes - der Umstieg aus anderen Berufen ist nicht selten.
Amalie-Henriette Bartels studiert an der Hochschule Fulda im achten Semester Hebammenkunde. Die 23-Jährige ist mit Berufskolleginnen am Fuldaer Universitätsplatz mit einem Stand vertreten, um die Werbetrommel zu rühren. Bartels ist von Berlin nach Fulda gezogen - das Studium an der hiesigen Hochschule hat einen guten Ruf, Hessen war bei der Umsetzung der Akademisierung des Traditionsberufs Vorreiter: Seit 2012 wird der duale Studiengang angeboten. In sieben Semestern Regelstudienzeit wird neben jeder Menge Theorie auch die Praxis gelernt - im Klinikum Fulda, am Herz-Jesu-Krankenhaus, in der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld, aber auch bei freiberuflichen Hebammen.
Eine davon ist Monika Schmitt aus Künzell. Die Kreissprecherin der freiberuflichen Hebammen hat 20 Jahre Berufserfahrung und sieht die Akademisierung kritisch: "Ich habe genug Kolleginnen mit Hauptschulabschluss - es ist vor allem ein Handwerksberuf, in dem die Erfahrung zählt. Geburtshilfe lernt man nur in der Praxis. Aber mit einem Studienabschluss kommt vielleicht mehr Sozialprestige und Anerkennung in der Gesellschaft: Man kommuniziert mit Ärzten auf Augenhöhe und kann Standards mit definieren."
Schlechte Bezahlung schreckt ab
Das findet auch Bartels: "Leitlinien, gerade die für die vaginale physiologische Geburt, werden häufig von Gynäkologen geschrieben. Die Akademisierung und eigene Forschungstätigkeit, etwa durch die Bachelorarbeit, bringt eine größere Involvierung der Hebammen." Ob Dachdeckerin, Jurastudentin oder Zahnarzthelferin - viele der momentan rund 200 Studierenden an der Hochschule Fulda seien Umsteigerinnen, so Bartels: "Es ist ein Beruf, den man leben muss - Frauen und deren Familien in der Umbruchszeit schlechthin begleiten, das erfordert sehr viel Kompetenz und Einfühlungsvermögen."
Rund 95 Prozent aller gebärenden Frauen entscheiden sich für die Betreuung im Krankenhaus - dem Trend zur Hausgeburt stehe vor allem die geringe Anzahl der freiberuflichen Hebammen im Landkreis Fulda entgegen: "Im Berufsverband sind 130 Hebammen gemeldet - davon sind vielleicht 75 aktiv. Für einen Hausbesuch bekommen wir nur einen Pauschalbetrag von 30 Euro, unabhängig von der Dauer. Das schreckt natürlich gerade junge Frauen ab", so Schmitt.
Frauen sollten Geburtsort und Art der Geburt selbst wählen können, wünscht sich Bartels - momentan müsste teils mehr als eine Stunde Anfahrt zur Geburtsklinik in Kauf genommen werden. Unterstützung aus der Politik sei deshalb dringend nötig, der Unterschied durch professionelle fachliche Betreuung enorm: "Hebammen begleiten durch die gesamte Schwangerschaft: von der Vorsorge wie Blutentnahme und Abstrichen über die Geburt selbst bis zum Wochenbett. Inzwischen ist man zu einer aufrechteren Gebärposition übergegangen, außerdem zur bewegten Geburt: während der Wehen laufen, das kann zu regelmäßigeren Kontraktionen führen", so Schmitt. (mau) +++