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Dr. Franz-Peter Pfingsten, der momentan um seine Ermächtigung für sonographische Untersuchungen in seiner Bad Hersfelder Praxis kämpft. - Fotos: Christopher Göbel / Maria Franco / Pixabay

BAD HERSFELD Keine Ultraschall-Untersuchungen mehr

Dr. Pfingsten verliert Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung

06.05.23 - Ein Phlebologe beschäftigt sich mit Erkrankungen der Gefäße wie Venen, Arterien und Lymphgefäßen. Zur Diagnostik ist in vielen Fällen eine Ultraschall-Untersuchung notwendig. Bisher konnte der Gefäßchirurg Dr. Franz-Peter Pfingsten diese Untersuchungen in seiner Praxis in Bad Hersfeld anbieten. Doch das ist seit dem 31. März nicht mehr der Fall. Der Grund: Der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung hat ihm die Ermächtigung für Ultraschall-Untersuchungen, die der Mediziner seit 2012 hat, nicht verlängert. Bei seinen Patienten herrscht große Verunsicherung.

Im Jahr 2012, als Dr. Pfingsten sich entschloss, eine Praxis in Bad Hersfeld zu eröffnen, gab es keinen weiteren Chirurgischen Sitz. Er erhielt damals die Ermächtigung, Ultraschall-Diagnostik durchführen - und damit auch abrechnen zu können. "So eine Ermächtigung gilt für zwei Jahre und wurde bisher jedes Mal verlängert", so Pfingsten im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Seine bis zum 31. März geltende Ermächtigung erlaubte ihm, sonographische Leistungen zur Untersuchung von Arterien, Venen und Lymphgefäßen durchzuführen. "Das ist bei rund einem Viertel meiner Patienten mit bestimmten Indikationen nötig", so Pfingsten.

Die Unterschriftenliste in der Praxis von Dr. Pfingsten.

Nun ist es aber so, dass sich ein weiterer Gefäßchirurg im Dezember des vergangenen Jahres in Rotenburg an der Fulda niedergelassen hat. "Der Kollege, mit dem ich auch bereits in Kontakt war, hat als Gefäßchirurg Vorrang", so Pfingsten. Dennoch sei es für seine Patienten, die sich zu einem großen Teil bereits in höherem Alter befinden, nicht unproblematisch, statt des Weges nach Bad Hersfeld bis nach Rotenburg kommen zu müssen. "Ich wäre dankbar, wenn wir beide die Ermächtigung hätten. Die Zahl der Patienten wächst kontinuierlich und die Versorgung dieser Untersuchungen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg wäre gesichert", so der Mediziner. "Jetzt aber führt das zu einer deutlichen Minderung der Versorgung dieser Patienten. Stellen Sie sich mal einen 83-jährigen Patienten aus Breitenbach am Herzberg vor, der im Rollstuhl sitzt. Für den ist es schon schwierig, nach Bad Hersfeld zu kommen. Aber nach Rotenburg...", so Pfingsten.

Laut Pfingsten schaut die Kassenärztliche Vereinigung bei ihrer Entscheidungsfindung zunächst, wie viele Chirurgen in einem bestimmten Bereich - hier dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg - niedergelassen sind. Aber: In diesen "Topf" kommen sämtliche Chirurgen - unabhängig von ihrer medizinischen Spezialisierung. "Zwischen Rotenburg und Kassel nach Norden und Bad Hersfeld und Fulda nach Süden gibt es keine weiteren niedergelassenen Gefäßchirurgen mehr", sagt Dr. Pfingsten. Die Wege für die Patienten seien bereits jetzt weit. Die Kassenärztliche Vereinigung hingegen ist zu dem Schluss gekommen, dass der Landkreis Hersfeld-Rotenburg chirurgisch "überversorgt" sei.

700 bis 800 Patienten pro Quartal

Pro Quartal führte Pfingsten bisher zwischen 700 und 800 Untersuchungen durch, auf ein Jahr gerechnet also das Vierfache. Seine Patienten kommen nicht nur aus dem Landkreis, sondern teilweise auch von weit her: "Göttingen, Bad Kissingen oder Marburg", nennt Pfingsten nur einige Beispiele. Zumeist werden seine Patienten von den Hausärzten an ihn verwiesen. Lip- und Lymphödeme, Krampfadern oder andere Krankheiten, die von einem Phlebologen diagnostiziert und behandelt werden können, gehören zu seinem Arbeitsfeld. "Und das fällt jetzt weg", so der Arzt. Auch nach der Therapie müsse man mittels Sonographie schauen, wie sich eine Erkrankung weiterentwickelt. Menschen mit Diabetes gehören ebenfalls zu seinem Patienten.

Ultraschall-Diagnostik ist in der Phlebologie ein wichtiges Instrument. ...

"Ich halte die Entscheidung des Zulassungsausschusses für vollkommen unverständlich", sagt Pfingsten. Sie trage dazu bei, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum weiter zu verschlechtern. Als "Kollateralschaden" bezeichnet Pfingsten, dass auch dem Chefarzt der Phlebologie am Klinikum Bad Hersfeld, Dr. Amer Jomha, die Ermächtigung für Ultraschall-Untersuchungen zeitgleich entzogen wurde. Auf Nachfrage von OSTHESSEN|NEWS bezüglich gefäßchirurgischer Behandlungen teilt das Klinikum Bad Hersfeld mit: "Es wird weiterhin ein ambulantes gefäßchirurgisches Angebot im Unternehmen geben. Das hat somit keine Auswirkungen auf unsere Klinik für Gefäßchirurgie und Phlebologie".

1.500 Unterstützer bei Patienten, 100 bei Hausärzten

Dr. Pfingsten hat beim Berufungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Einspruch eingelegt. Zur Unterstützung seines Anliegens hat er in seiner Praxis inzwischen rund 1.500 Unterschriften für den Erhalt der Ermächtigung gesammelt. Auch rund 100 Arzt-Kollegen haben ein Schreiben an den Berufungsausschuss verfasst, in dem sie eine Verlängerung bzw. Erneuerung der Ermächtigung Pfingstens dringend empfehlen.

Infoabend einer Selbsthilfegruppe

Auch eine Selbsthilfegruppe (SHG) aus Nordhessen, "Lily-Belles" mit Gruppenleiterin Dagmar Scholling, wurde aktiv. Sie hat mit Stefanie Kramer aus Bad Hersfeld eine Info-Veranstaltung für Betroffene organisiert, die am 11. Mai im Gemeinschaftsraum in Sorga stattfinden wird. "Ich selbst werde nicht teilnehmen", sagt Pfingsten. "Ich möchte nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen." Was Pfingsten aber vorhat: Er will die politischen Gremien in Bad Hersfeld in Kenntnis setzen und hat auch Kontakt mit dem heimischen Bundestagsabgeordneten aufgenommen.

Sonographische Untersuchungen gibt es nicht nur für Schwangere.

"An diesem Abend möchten wir die Besucher aufklären, weil unter den Patienten eine sehr große Unsicherheit herrscht", sagt Scholling im Gespräch mit O|N. "Der Bedarf ist da und die Versorgung schon jetzt problematisch", so die Selbsthilfegruppen-Leiterin. Als sie in Kassel von den Vorgängen um Dr. Pfingsten erfuhr, wurde sie auf der "Facebook"-Seite der SHG aktiv. "Das Thema hat mich nicht mehr losgelassen". Sie möchte die Reichweite ihrer Gruppe und die Vernetzung mit anderen Gruppen und Ärzten weit über die Region hinaus nutzen, um den Bad Hersfelder Phlebologen zu unterstützen. "Ich war ziemlich überrascht, freue mich aber sehr über jegliche Unterstützung", so Pfingsten dankbar.

Entscheidung steht noch aus

Wann der Berufungsausschuss eine Entscheidung treffen wird, kann Franz-Peter Pfingsten nicht sagen. "Wir müssen einfach abwarten." Sollte es bei dem Entzug der Ermächtigung bleiben, gibt es laut Pfingsten keine weiteren Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Wenn er die Ermächtigung nicht erneut bekommt, müsse er aber seine persönlichen Konsequenzen ziehen - und das würde im schlimmsten Fall bedeuten, "dass ich früher in Pension gehe.  Aber als gebürtiger Rheinländer denke ich erstmal positiv", sagt er mit einem hoffnungsvollen Lächeln. (Christopher Göbel) +++


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