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Keine Geschenke zum Muttertag: "Mutter-Vater-Kind sind nicht mehr die Norm" - Fotos: Pixabay / Privat

AMÖNEBURG Elternbrief sorgt für Irritationen

Keine Geschenke zum Muttertag: "Mutter-Vater-Kind sind nicht mehr die Norm"

09.05.23 - Die Kindertagesstätte St. Hubertus in Amöneburg-Mardorf im Landkreis Marburg-Biedenkopf hat einen Elternbrief verschickt. Darin steht: "Entgegen den letzten Jahre haben wir in unserer gemeinsamen Teamsitzung beschlossen, ab diesem Jahr keine Geschenke mehr mit Ihren Kindern zu gestalten". Dabei geht es um den am Sonntag anstehenden Muttertag und den Vatertag am 18. Mai (Christi Himmelfahrt). OSTHESSEN|NEWS hat beim Bistum Fulda nachgefragt, zu dem die besagte Kita gehört.

Die Kita möchte laut ihrem Schreiben Diversität vorleben. "Oft werden am Muttertag und Vatertag stereotypische Geschenke angefertigt, wie z. B. Blumen für die Mutter und Werkzeug für den Vater. Die ist vielleicht für viele Mütter und Väter eine tolle Geste, schließt aber einen Teil der Gesellschaft aus und ist nicht individuell für alle Menschen", schreibt die Kita. Nachdem ein Foto des Elternbriefes in den sozialen Medien geteilt wurde, erhob sich eine Welle der Entrüstung. Auch überregionale Medien berichteten darüber. 

Bistum Fulda: "Unglücklich und damit falsch formuliert"

"In einer Kindertagesstätte in Amöneburg-Mardorf hatte ein Schreiben an die Elternschaft in den vergangenen Tagen zu Irritationen geführt. Daraufhin hat das Kita-Team bereits mit einem zweiten Schreiben reagiert und um Entschuldigung gebeten. Kita-Team und Elternbeirat sind nun im direkten Dialog: Man ist sich einig, dass das ursprüngliche Schreiben unglücklich und damit falsch formuliert war. In weiteren Gesprächen mit der Elternschaft sollen die Irritationen und Missverständnisse nun ausgeräumt werden", so das Bistum Fulda auf Anfrage von OSTHESSEN|NEWS.
 
Im Kern sei es laut Bistums-Pressestelle darum gegangen, dass in einer Teamsitzung beschlossen wurde, in diesem Jahr keine Geschenke mehr zum Muttertag und Vatertag zu basteln. Eine missverständlich und damit falsch formulierte Begründung ließ bei einigen Adressaten offenbar Zweifel am Familienbild der Kita aufkommen. "Die Kindertagesstätte und das Bistum Fulda bedauern die Irritationen und Missverständnisse, die durch das Schreiben entstanden sind. Gemeinsam stellen sie klar, dass die Kita auch weiterhin ein katholisches Profil hat und sich für das christliche Familienbild einsetzen wird, das die Rolle von Vater und Mutter mit einbezieht. Gleichzeitig werden andere Lebensmodelle und Realitäten nicht ausgeschlossen", so das Bistum gegenüber O|N.

ZWISCHENRUF von Christopher Göbel

Ich will niemandem unterstellen, absichtlich etwas Negatives in die Wege geleitet zu haben. Auch dem Team der Mardorfer Kita nicht. Die Pläne und das Vorgehen des Teams waren aber vielleicht etwas unglücklich, wenn nicht gar tölpelhaft. Wir leben in einer Zeit, in der Diversität und die Anerkennung sämtlicher Familiengefüge sehr wichtig sind. Da hat das Team sicherlich recht. Aber deshalb den Kindern, die noch formbar sind, etwas abzuschlagen, was seit Jahrzehnten in den Kitas Deutschlands und der Welt übliche Praxis ist, muss verwundern.

Redakteur Christopher Göbel

Noch besteht ein großer Teil von "Familien" aus Vater-Mutter-Kind oder zumindest Mutter-Kind oder Vater-Kind. Oder auch Stiefmutter und Stiefvater plus Kind. Oder festem Lebenspartner bzw. -partnerin und Kind. Wenn es Kinder gibt, die mit zwei Müttern oder zwei Vätern aufwachsen, dann wissen auch Kindergartenkinder ziemlich genau, was ihre Familie ist. Die Kita behauptet, dass "die Konstellation Mutter, Vater, Kind/-er nicht mehr die Norm in heutigen Familien" sei. Ich denke, da liegt das Kita-Team falsch.

Reformprozess anstoßen?

Was mich sehr verwundert: Die Kita ist eine katholische Einrichtung. Und die katholische Kirche ist nicht unbedingt bekannt dafür, Diversität in jeglicher Form zu unterstützen oder zu propagieren. Es zählt eher das klassische Familienbild. Man könnte der Kita zugute halten, dass sie vielleicht einen Reformprozess anstoßen wollte. Das Bistum und die Kita räumen inzwischen ein, dass sie "Irritationen und Missverständnisse bedauern". Nun ja - trotz des Entschuldigungsbriefes ist das Kind ja sprichwörtlich schon in den Brunnen gefallen. Ich finde an dem ersten Elternbrief übrigens nichts missverständlich.

Wenn ich mich an meine eigene Kindergartenzeit erinnere, die ehrlicherweise schon geraume Zeit zurückliegt, war es vollkommen normal, zum Muttertag etwas Schönes für meine Mutter zu basteln. An Vatertagsgeschenke kann ich mich tatsächlich eher weniger erinnern. Und auch meine eigene Tochter bastelte zum Mutter- und Vatertag im Kindergarten kleine Aufmerksamkeiten.

Ist Faulheit die Ursache?

"Um allen Menschen gerecht zu werden, müssten wir mit jedem einzelnen Kind ein individuelles Geschenk anfertigen", schreibt die KiTa. Und wo ist das Problem? Ich weiß ja nicht, wie viele Kinder in der Mardorfer Kita betreut werden mögen. Aber es sollte bei einer "normalen" Kita-Größe durchaus möglich sein, mit den Kindern "individuelle" Geschenke zu basteln. Dieser Satz klingt für mich eher ein nach Faulheit als nach "Diversität".

Eltern freuen sich über das, was ihre Kinder fabrizieren. Die Geste zählt, man ist stolz auf das, was das eigene Kind geschaffen hat. Warum wollte die Mardorfer Kita den Kindern und Eltern das nehmen? Man sollte davon ausgehen, dass die Kita-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter die Lebens- und Familienverhältnisse ihrer Kinder kennen. Sollte kein Vater oder keine Mutter da sein, gibt es andere Möglichkeiten, das mit den Kindern zu kommunizieren, als pauschal gar nichts mehr zu den Elterntagen zu basteln.

Individuelle Aktionen mit den Kindern wären da sicherlich hilfreicher gewesen. Welche Erzieherin oder Erzieher würde mit einem Kind ein Geschenk basteln, wenn bekannt ist, dass der Vater (oder die Mutter) nicht mehr zum Familiengefüge gehört? Vater und Mutter bleiben sie dennoch - und die meisten Kinder haben heute zum Glück Kontakt zu beiden Elternteilen. Sollten Vater oder Mutter verstorben sein, braucht ein Kind besonders zu diesen beiden Tagen ganz besondere Aufmerksamkeit. 

Ich bin der Meinung, dass es trotz aller Bemühungen um Diversität und den Begriff "Familie" in allen Formen wichtig ist, dass Mutter- und Vatertag trotzdem ihren Sinn behalten. Und das sollte auch in den Kitas weiterhin gute Tradition bleiben. (Christopher Göbel) +++


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