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ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann über die aktuelle Situation in Israel
24.05.23 - Fast hätte es mit dem Besuch von Sophie von der Tann in Fulda nicht geklappt. Vor wenigen Tagen saß die ARD-Fernsehkorrespondentin mit ihrem Kollegen noch im Gaza-Streifen fest, und die angespannte und gefährliche Sicherheitslage mit wiederholten Raketenangriffen und Luftschlägen machte eine Evaluierung zunächst nicht möglich. Erst nach gut einer Woche gelang dann die Ausreise. Zum Glück für die junge Journalistin und ebenso für das Fuldaer Publikum, die so ihren eindrucksvollen Berichten aus Israel folgen konnte.
Im Gespräch mit Werner Schlierike von HR-Info berichtete Sophie von der Tann, die am Fuldaer Domgymnasium Abitur machte, von der aktuellen politischen Situation in Israel, 75 Jahre nach der Unabhängigkeit und Staatsgründung, von ihrer Arbeit im ARD-Studio Tel Aviv, aber auch vom ganz alltäglichen Leben in Israel, das von einer großen Vielfältigkeit, Offenheit und Modernität, aber auch Gegensätzlichem und ungelösten Konflikten geprägt ist. Zudem beantwortete sie viele Fragen der sehr interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer in der vollbesetzten Aula der Alten Universität - thematisch gespannt von der engen historischen Verbindung von Deutschland und Israel, dem Holocaust, dem Zusammenleben von Juden, Moslems und Christen im Heiligen Land, vom komplizierten Leben in Jerusalem und den Verflechtungen und Einflussnahmen der widerstreitenden Staaten im Nahen Osten.
Der Abend mit Sophie von der Tann fand im Rahmen der Gesprächsreihe zum Jüdischen Fulda statt, die gemeinsam von Ingeborg Kropp-Arend, dem Magistrat und dem Fuldaer Geschichtsverein ins Leben gerufen wurde. Oberbürgermeister a.D. und Vorsitzender des Fuldaer Geschichtsvereins, Gerhard Möller, der Fuldaer Kulturamtsleiter Dr. Thomas Heiler für die Stadt und Ingeborg Kropp-Arend begrüßten und führten wie auch in den vergangenen Jahren durch den Abend.
Mit großer Sorge verfolgt Sophie von der Tann natürlich die geplanten Justizreformen, die der Netanjahu-Regierung fast uneingeschränkte Macht geben würden. Von daher sei es mehr als verständlich, dass viele auf die Straße gehen und ihre Demokratie verteidigen. Die Regierung lenkte ein. Doch die Pläne seien noch nicht vom Tisch, sondern lediglich für ein paar Wochen ausgesetzt, um die Gemüter zu beruhigen. Vor allem im pulsierenden Tel Aviv sei der Widerstand auch über die Generationengrenzen hinweg groß.
Gibt es eine Chance für Frieden im Nahen Osten? Natürlich wurde auch diese Frage Sophie von der Tann gestellt. Ist die bei uns und im Westen vielzitierte Zwei-Staaten-Lösung ein möglicher Weg? Sophie von der Tann glaubt nicht daran, allein schon aufgrund von vielen hunderttausend jüdischen Siedlern im Westjordanland, die gerade jetzt in der auch mit politisch extremen Kräften besetzten Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu große Unterstützung fänden: "Die Konflikte in Israel werden nicht gelöst, sondern gemanagt", schloss Sophie von der Tann. Das Publikum dankte ihr mit langanhaltendem Applaus. (pm) +++