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Das Begleitfahrzeug für Bereitschafts-Ärzte wurde ersatzlos gestrichen - Foto: Malteser

FULDA Eine lohnende Anschaffung wird abgeschafft

Begleitfahrzeug für Bereitschafts-Ärzte ersatzlos gestrichen: "Sind total traurig"

27.05.23 - "Es wird immer schwieriger, den Ärztlichen Bereitschaftsdienst in Fulda zu besetzen", bemängelt Dr. Jörg Simon, Internist und Aufsichtsratschef des Gesundheitsnetzes Osthessen (GNO). "Gerade bei Hausbesuchen ist der Fahrdienst eine große Hilfe. Dass die Zentrale des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes werktags seit kurzem um Mitternacht schließt anstatt erst um 7 Uhr des Folgetages, war die erste Einsparungsmaßnahme der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Jetzt kommt mit dem Wegfall des Fahrdienstes der zweite große Einschnitt."

Der Ärztliche Bereitschaftsdienst in Fulda Archivfoto: O|N

Der Ärztliche Bereitschaftsdienst (Rufnummer 116117, nicht zu verwechseln mit der 112, die ist den wirklich schweren Fällen vorbehalten) wird von der KV organisiert und soll die Patientenversorgung außerhalb der regulären Sprechzeiten in den Praxen sicherstellen. Im Landkreis Fulda sind alle etwa 280 niedergelassenen Ärzte dazu gewissermaßen dienstverpflichtet.

Für Hausbesuche im Fuldaer Landkreis und überhaupt in ganz Hessen wurde vor einigen Jahren von der KV ein besonderer Fahrdienst eingerichtet: Jedem diensthabenden Arzt wird ein Wagen samt Fahrer zur Seite gestellt; in Fulda zum Beispiel von den Maltesern. Doch diese für Ärzte wie Patienten lohnende Anschaffung soll ab dem 1. Juli wieder abgeschafft werden.

Obmann Dr. Wegelin über die vier Vorzüge von Begleitfahrten

Obmann Dr. Frank Wegelin Foto: Privat

Obmann des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes, der seine Räumlichkeiten im Klinikum Fulda hat, ist Dr. Frank Wegelin. Er kümmert sich unter anderem um die Dienstpläne und bedauert diesen Schritt sehr. "Die Fahrten mit den Maltesern haben mehrere Vorteile", erklärt er gegenüber O|N. "Erstens ist es besser, wenn man nachts um 4 Uhr zu einem Hausbesuch gerufen wird und schon mehrere Stunden Dienst hinter sich hat, sich dann aber nicht auf die Fahrt konzentrieren zu müssen, sondern ausgeruht zum Patienten zu kommen."

Überdies kämen die Fahrzeuge der Malteser mühelos auch im dicksten Winter durch die Rhön, gerade Ärztinnen fühlten sich durch die männliche Begleitung sicherer, und jemanden zur Seite zu haben, der im Zweifel eine kompetente Zweitmeinung hat, sei immer eine gute Sache.

KV: "Ein Service, der kaum genutzt wird und nur Kosten verursacht"

Die KV mit Sitz in Frankfurt begründet ihre Entscheidung, den Fahrdienst auflösen zu wollen, auf O|N-Nachfrage mit fehlender Wirtschaftlichkeit: "Abgesehen von den beiden Bereichen Darmstadt und Wiesbaden werden die Fahrdienste für Hausbesuche kaum bis gar nicht genutzt", so KV-Pressesprecher Karl Roth. "Es handelt sich also um einen Service, der nicht nur kaum genutzt wird, sondern hohe Vorhaltekosten produziert. Das ist weder im Sinne der KV noch der Patientenversorgung. Deshalb ist es an dieser Stelle nur folgerichtig, Hausbesuche und Wegepauschalen besser zu vergüten und damit dieses auch aus Sicht der KV wichtige Versorgungselement zu stärken." Es sei geplant, den Fahrdienst überall in Hessen einzustellen, bis auf Wiesbaden und Darmstadt, wo er sich rechne. – So viel zum Thema Medizinische Versorgung in ländlichen Gegenden.

Nun wäre es interessant zu erfahren, wie unwirtschaftlich der Fahrdienst im Landkreis Fulda tatsächlich ist. Doch über konkrete Zahlen, zum Beispiel, wie viele Hausbesuche des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes es im Monat gibt oder wieviel der Fahrdienst kostet, schweigt man in Frankfurt und "bittet um Verständnis".

"Die Fuldaer Ärzte sind total unglücklich", sagt Obmann Dr. Wegelin. "Nachts alleine mit dem Privatwagen raus zu müssen macht den Bereitschaftsdienst nicht gerade attraktiver. Da werden es sich die Kollegen zweimal überlegen, inwieweit sie sich das antun wollen." Auf der letzten Bereitschaftsdienst-Sitzung, an der auch der KV-Vorstand teilnahm, habe man energisch protestiert. "Aber mehr Beeinflussungsmöglichkeiten haben wir auch nicht."

GNO-Aufsichtsratschef Dr. Simon fordert weiterhin Begleitfahrten für Ärztinnen

Der Fahrdienst wurde seinerzeit auch deswegen eingeführt, um besonders Ärztinnen nachts mehr Sicherheit zu geben, etwa in sozialen Brennpunkten oder Einsiedlerhöfen. "Natürlich ist mögliche Angst von Ärztinnen ein Argument, das wir ernst nehmen", so die KV. "Aber wenn er doch kaum genutzt wird, läuft sich das Argument tot."

GNO-Aufsichtsratschef Dr. Jörg Simon Archivfoto: O|N

"Für einzelne Kollegen sollte der Fahrdienst weiterhin bestehen", fordert dennoch GNO-Aufsichtsratschef Dr. Simon. "Gerade für weibliche Kolleginnen, die Dienst tun, habe ich großen Respekt, wenn sie nachts alleine mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs sind. Für sie wäre es außerordentlich wünschenswert, wenn der Fahrdienst auch in Zukunft zur Verfügung gestellt werden könnte. Der Landkreis Fulda ist durchaus in der Verantwortung, sich in dieser Sache zu engagieren."

Vize-Landrat Frederik Schmitt: "Ich sehe die Entwicklung mit Sorge"

Auf O|N-Anfrage zeigt sich Vize-Landrat und Gesundheitsdezernent Frederik Schmitt skeptisch über die Entwicklung: "Die scheibchenweise Reduzierung der Leistungen im Rahmen der Versorgung zu sprechstundenfreien Zeiten der KV sehe ich mit Sorge", so der Erste Kreisbeigeordnete.

"Die KV ist im Rahmen des Sicherstellungsauftrags gemäß §75 SGB V für die Leistung der ambulanten ärztlichen Versorgung verantwortlich. Hierzu gehören auch die Notdienste, die in den Räumen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in der Zentrale am Klinikum Fulda sowie durch Fahrdienste der diensthabenden niedergelassenen Ärzte abgebildet werden.

Neben der Reduzierung der Öffnungszeiten der Zentrale in zwei Schritten (2021 Schließung nachts von Montag bis Donnerstag und am Sonntag, zum 1.4.2023 Schließung nachts auch am Freitag, Samstag und an Feiertagen) soll auch der Fahrservice für die diensthabenden Ärzte zu Nachtzeiten eingeschränkt werden.

Vize-Landrat Frederik Schmitt Archivfoto: O|N

Diese Reduzierung der Leistungen wurde – ebenso wie die Erreichbarkeit der von der KV betriebenen Patientenservicenummer 116117 – im Kreistag thematisiert und der Kreisausschuss damit beauftragt, mit der KV sowie deren Rechtsaufsicht, dem HMSI, das Gespräch zu suchen. Wir wissen bislang noch nicht, mit welchen Zahlen und Daten die KV ihre aktuelle Leistungsreduzierung begründet. Hier Licht ins Dunkel zu bringen ist ein wichtiger Schritt, um sich qualifiziert mit der Thematik auseinandersetzen zu können", so Schmitt.

Und weiter: "Für die ambulante Versorgung und die hierzugehörenden ärztlichen Bereitschaftsdienste ist die KV verantwortlich. Sie muss hierfür gegenüber den Krankenkassen gemäß §75 SGB V die Gewähr übernehmen. Im Gegensatz dazu liegt die grundsätzliche Gewährsträgerschaft für die klinische Versorgung bei den Landkreisen, kreisfreien Städten und Sonderstatusstädten, und für den Rettungsdienst sowie die Leitstelle (112) ist der Landkreis Aufgabenträger." (Matthias Witzel) +++



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