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Wenige Tage vor der Eröffnung muss das Sprungbrett noch montiert werden - Fotos: goa

ALSFELD Alles in Eigenregie organisiert

Heute Freibad-Eröffnung: Das macht den Lingelbachern so schnell keiner nach

04.06.23 - Sommerliche Temperaturen, die Freibäder öffnen – das ist sehr erfreulich, aber eigentlich keine große Sache. Wenn ein schmuckes Dorfbad mit allem Drum und Dran aber nicht von einer Kommune, sondern restlos komplett von einem Verein getragen, organisiert, finanziert, technisch erhalten und funktional optimiert wird, und das auch noch bei vollständiger Personalaufstellung von der Badeaufsicht bis zum Grillpersonal, dann ist das heutzutage eine schon fast unglaubliche Geschichte. Im Alsfelder Ortsteil Lingelbach ist dies im 16. Jahr Realität. OSTHESSEN|NEWS hat sich kurz vor der Saisoneröffnung am 4. Juni vor Ort umgesehen.

Von links: Sabine und Uwe Schneider sowie Jürgen Bätz

Uwe Schneider und Jürgen Bätz, 1. und 2. Vorsitzender der Vereinsgemeinschaft Lingelbach e.V., haben mit ihrem Team arbeitsreiche Wochen hinter sich. Aus dem Feuerlöschbecken wurde wie seit 2008 in jedem Jahr von etlichen fleißigen Helfern des Trägervereins an zwei Tagen Ende Mai ein strahlendes, gemütliches und einladendes Freibad mit Terrasse, Sonnenschirmen, Markisen, Kiosk, Küche, Sanitärbereich und Liegewiese gemacht, das man in jedes Tourismusprospekt aufnehmen könnte. Die grüne Winter-Brühe wurde abgelassen, die Frostschutz-Kissen entfernt und das Becken gründlich gereinigt, die Außenanlage auf Vordermann gebracht – der Dornröschenschlaf ist damit beendet: das 25 mal 12,5 Meter große Becken mit 750.000 Litern sauberem, gechlortem und (Achtung:) beheiztem Wasser ist bereit, die Pooltime-Saison kann kommen.

Der Verein trägt aus eigenen Mitteln den gesamten Betrieb inklusive sämtlicher Kosten und muss die Personalgestellung stemmen – ehrenamtlich, versteht sich. Der Clou: das Becken wird seit 2013 von der Abwärme der Bürger-Energiegenossenschaft Lingelbach beheizt. Eine Win-Win-Situation: Diese anfallende Energie kann im Sommer dort nicht verwertet werden, müsste aber im Bad kostspielig eingekauft werden. Jürgen Bätz: "Wir würden hierfür 9.000 Liter Heizöl kaufen müssen – das wäre wirtschaftlich unmöglich." Uwe Schneider freut sich: "Seit das Becken durch diesen Glücksfall beheizt wird, ist der Zuspruch aus den benachbarten Orten spürbar angewachsen. Die Wassertemperatur liegt bei angenehmen 25 bis 26 Grad."

Interessierter Staatsminister und ein dritter Platz beim Demografiepreis

Im vergangenen Jahr stattete der hessische Staatsminister Axel Wintermeyer, Chef der Staatskanzlei, dem Bad einen Besuch ab, weil man mit dem Projekt für den hessischen Demografiepreis nominiert war. "Der Minister war gut informiert und hat sich das auch sehr aufmerksam angehört, wie wir diese jährliche Herausforderung stemmen und dabei auch von der Energiegenossenschaft profitieren." Das großartige und beispielgebende Engagement der Lingelbächer wurde schließlich auch belohnt: Platz 3 bedeutete eine Dotierung von 2.000 Euro, die direkt der Vereinskasse zugute kamen.

Das Wecken des "Dinos"

Den spannendsten Moment haben die Verantwortlichen wie in jedem Jahr bereits deutlich vor der Saisoneröffnung hinter sich: "Wird der ‚Dinosaurier‘ auch in diesem Jahr wieder auf Knopfdruck wach?" Will heißen: nimmt die aus den frühen 70er Jahren stammende Chlorgasanlage, Filter und Umwälzanlage wieder wie gewünscht ihren Betrieb auf und hält der strengen Abnahme durch TÜV und RP Gießen stand? "Sie tat es wieder und wird es hoffentlich noch recht lange weiter tun!", frohlocken Schneider und Bätz. Ein Versagen des Dinos wäre extrem kostspielig und könnte eine existenzielle Gefahr bedeuten. Den störungsfreien Betrieb der Chlorgasanlage überwacht seit 2016 eine Warnanlage. Stichwort Kosten: Während des Rundgangs dreht der Beckenbodenstaubsauger gemächlich seine Runden am Grund des Bassins. Was so unscheinbar daherkommt, führte kürzlich auch zu Kopfschmerzen bei Schneider und Bätz: "Der Kamerad kostete in der Anschaffung 4.000 Euro. Gerade mussten wir ihn reparieren lassen – für 1.500 Euro."

Der reparierte Beckenbodenstaubsauger

Warmduschen gibt es mit eingetauschten D-Mark-Münzen

Jährliche Mammutaufgabe

Die gleiche Freude wie vom "Dinosaurier" geht von der Teamleistung des Vereins aus. Uwe Schneider: "Wir sind sehr stolz und glücklich, dass uns die Mammutaufgabe der Personaleinteilung wieder gelingt. Dreißig Aktive stellen ehrenamtlich die zertifizierte Badaufsicht und das Kassenpersonal, es wird zum After-Work-Schwimmen bei verlängerten Öffnungszeiten gegrillt, sonntags gibt es Mittagessen, Kaffee und Kuchen. Unsere Leute machen nicht nur die Dienste, sondern stellen auch noch Salate und die selbstgebackenen Kuchen als Spende zur Verfügung! Unser Bad ist viel mehr als eine Sportstätte, hier trifft man sich, trinkt ein Kaltgetränk, isst etwas und tauscht sich aus. Und wer nicht baden, sondern nur verzehren möchte, der muss auch keinen Eintritt bezahlen! Aber es ist einfach klasse, dass wir uns zu 100 % auf das Team verlassen können, sonst ginge es nicht!"

Warmduschen mittels D-Mark

Wer warm duschen möchte, zahlt 1,50 Euro und erhält dafür eine DM-Münze für den Münzautomaten, der natürlich noch aus den D-Mark-Zeiten stammt. Uwe Schneider: "Regen Gebrauch davon machen während des Herzberg-Festivals immer wieder zahlreiche Musikfans, die sich tagsüber in unserem Bad erholen, ein paar Bahnen schwimmen und sich über die warme Dusche freuen. Das sind sehr angenehme Besucher, sehr entspannt und freundlich. Sie kommen gerne die wenigen Kilometer zu uns herüber und sind hier immer willkommen!"

Sabine Schneider, ebenfalls im Vorstand, zeigt im Vorbeigehen auf den öffentlichen Bücherschrank – dort können kostenlos Bücher geliehen und getauscht werden. Nicht nur für die Lektüre beim Besuch des Bades. Sie verweist außerdem auf die erfolgreiche Müllreduzierung, die inzwischen vom Dorf-Bad praktiziert wird: "Seit wir komplett auf Porzellangeschirr und richtige Bestecke statt Plastik umgestiegen sind, hat sich die Müllmenge drastisch reduziert. Dafür haben wir neben dem Geschirr zwei Spülmaschinen angeschafft." Es ist alles da: Kühl- und Gefrierschränke, eine Fritteuse und natürlich leistungsfähige Grills. Beim jährlichen Schwimmbadfest Mitte Juli brutzeln dort 28 kg Spießbraten. Uwe Schneider: "Auf das Dorf ist Verlass – da bleibt nichts übrig!" Im Gegensatz zum ‚Dino‘ haben die Grills ihr 2023er Startsignal noch vor sich – bei der heutigen Saisoneröffnung dürfte sich das ändern …

Hintergrund:

Die Stadt Alsfeld hatte den eigenen Betrieb des 1976 eröffneten Bades in 2007 aus Kostengründen aufgegeben. Die Lingelbacher organisierten ein Jahr später den eigenverantwortlichen Weiterbetrieb, ab 2009 dann als eingetragener Verein; mit der Stadt besteht ein unbefristeter Pachtvertrag. Der Verein hat um die 100 Mitglieder. Kassendienst und Badeaufsicht werden im Zwei-Schichtbetrieb bewältigt. Alle in der Badeaufsicht tätigen Personen müssen ihre Rettungsschwimmer-Befähigung alle zwei Jahre wiederholt nachweisen; Schüler, Auszubildende und Studenten erhalten für die Badeaufsicht eine Aufwandsvergütung. (goa) +++


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