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Während der Dreharbeiten zu "Der Schatz im Silbersee" (1962): Irms Pauli und Pierre Brice - Fotos: Karl-May-Archiv Göttingen (2), O|N-Archiv

KINO, KINO In Erinnerung an Irms Pauli (1926-1988)

Vor 35 Jahren verunglückte Winnetous Kostümschneiderin in Fulda tödlich

16.06.23 - Ein immer wieder sehenswertes Beispiel "kultureller Aneignung" sind die Winnetou-Filme der 60er Jahre, die allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor im Fernsehen gezeigt werden und deren bestes Beispiel "Der Schatz im Silbersee" von 1962 ist.

In der traumhaften kroatischen Landschaft und untermalt von der schwelgerischen Musik von Martin Böttcher gelang Regisseur Harald Reinl damals ein märchenhaftes und actionreiches Abenteuer, wie es Karl May nicht besser hätte schreiben können. Und mit Pierre Brice als Winnetou und Lex Barker als Old Shatterhand hatte man die perfekte Doppelbesetzung gefunden. "Just in dem Moment, als ich dieses Kostüm anzog, wurde ich zum Idol einer ganzen Generation", hat Pierre Brice einmal gesagt.

Anders kann Winnetou gar nicht aussehen!

Das Winnetou-Kostüm ist eines der ikonischsten der deutschen Filmgeschichte. Wer heute an den Häuptling der Apachen denkt, der sieht nicht den Roman-Helden vor sich, wie ihn Karl May beschrieben hat, sondern Pierre Brice – oder doch zumindest seinen hellen, mit Fransen und bunten Perlenstickereien verzierten ledernen Jagdrock.

Irms Pauli im Set von Butlers Farm

Entworfen und geschneidert wurde das Kostüm von Irms Pauli, die am 2. Oktober 1926 in Wernigerode in Sachsen-Anhalt geboren wurde und über Jahrzehnte zu den gefragtesten Kostümbildnerinnen des deutschen Films und Fernsehens gehörte. Neben den Winnetou-Filmen stattete sie zig Produktionen aus, etwa die Edgar-Wallace-Reihe oder später "Timm Thaler" oder "Mit Leib und Seele". Irms Pauli arbeitete bis zu ihrem Tod am 16. Juni 1988, als sie als Beifahrerin bei einem Verkehrsunfall in Fulda tödlich verunglückte.

Da fragt sich der Karl-May-Fan und O|N-Redakteur: Was ist denn damals – also heute vor 35 Jahren – hier in Fulda bei diesem Unfall passiert? Denn mehr an Informationen über das Ableben von Irms Pauli geben weder Dr. Google noch die einschlägige Literatur her.

Machen wir uns also in guter, alter Indianer-Art auf Spurensuche!

Dr. Thomas Heiler

Dr. Patrick Liesching

Julissa Sauermann

Erste Anlaufstelle bei solchen Recherchen ist das Stadtarchiv. Dort muss Dr. Thomas Heiler nicht lange suchen und zieht aus dem Sterbebuch des Standesamtes Fulda unter dem entsprechenden Datum tatsächlich den Eintrag zu "Irmgard Pauli, evangelisch, wohnhaft in Hamburg, Abteistr. 10" heraus. Dem Dokument ist eine handschriftlich ausgefüllte Sterbefallanzeige vom Klinikum Fulda angehängt. Dort ist festgehalten, dass Irms Pauli am 16. Juni 1988 um 16 Uhr 30 für tot erklärt wurde.

In der Sterbefallanzeige ist auch ein Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft genannt. "Tatsächlich wurde damals ein Verfahren unter dem Az. 104 Js 5638/88 geführt", bestätigt uns der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Patrick Liesching. "Allerdings ist die Verfahrensakte bereits ausgesondert, d. h. vernichtet worden, so dass es keine auswertbaren Unterlagen mehr gibt." Nur ganz ausnahmsweise würden Akten – etwa wegen ihrer historischen Bedeutsamkeit – als archivwürdig eingestuft und länger als 30 Jahre aufbewahrt.

Auch Julissa Sauermann von der Presseabteilung des Polizeipräsidiums Osthessen haben wir auf das Thema angesetzt. "Aufgrund von Verjährungsfristen sind diese Akten aber auch nicht mehr vorhanden", teilt sie mit und fügt hinzu: "Leider konnte ich auch keinen Kollegen in Erfahrung bringen, der damals bei dem Unfall dabei gewesen war und noch aus eigener Erfahrung berichten könnte."

Hilft vielleicht ein Blick in die alten Bände der Fuldaer Zeitung, die ebenfalls im Stadtarchiv einzusehen sind. Aber ausgerechnet am 17. Juni, also am Tag nach dem tödlichen Unfall, war "Tag der deutschen Einheit", also ein gesetzlicher Feiertag, an dem keine FZ erschien. Zwar sind an den Folgetagen einige tödliche Unfälle gemeldet, keiner aber, bei dem eine 61-Jährige ums Leben kam. Offenbar ging das Unglück durch den Feiertag in der Berichterstattung schlicht und ergreifend verschütt. Beim Durchblättern findet sich übrigens auch keinerlei Hinweis darauf, was Irms Pauli hier in Fulda gemacht haben könnte – kein Kino- oder Karl-May-Event oder etwas ähnliches.

"Bescheiden, hilfsbereit, kollegial, sehr kompetent und überall geschätzt"

Das Standardwerk zum Thema

Fragen wir zum Schluss noch Michael Petzel. Der Geschäftsführer des Karl-May-Archivs in Göttingen ist der maßgebliche Experte in Sachen Karl-May-Filme; an seinen Publikationen kommt keiner vorbei, der sich für das Thema interessiert. Wenn also einer noch etwas über den Unfalltod wissen könnte, dann er. "Irms Pauli war eine für den deutschen Film sehr verdienstvolle Frau – bescheiden, hilfsbereit, kollegial, sehr kompetent und überall geschätzt", sagt er. "Nach dem, was ich weiß, war der Fahrer des Pkw ihr Lebensgefährte, der offensichtlich auch schuld am Unfall war. Tragisch!"

Und traurig, wenn man bedenkt, dass offensichtlich niemand in Fulda wusste, wer da am 16. Juni 1988 um 16 Uhr 30 im Klinikum Fulda für tot erklärt wurde. Denn in der oben erwähnten Sterbefallanzeige kritzelte der Unterzeichner als Beruf lapidar "Hausfrau" auf den Bogen. (Matthias Witzel) +++


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