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Maurice Steger und die Blockflöte – Virtuosität an der Grenze zur Artistik
17.07.23 - Angesichts der durchaus vollmundigen Konzertankündigungen hatten die Besucher des zweiten Nieder Mooser Sommerkonzerts sicher die Erwartungslatte bereits recht hoch gelegt. Aber was der Blockflöten-Weltstar Maurice Steger am Sonntag ablieferte und wie er es sowohl mit dem eher als bieder geltenden Instrument als auch Dirigent der "Darmstädter Barocksolisten" ablieferte, das war schlicht absolute Spitzenklasse.
Emotionalität, Tempo und Tempowechsel, Leichtigkeit und leise Töne, aber auch Explosivität und kraftvolles musikalisches Vollgas, Lust und Leidenschaft am Instrument und am Spiel, mit der Flöte wie mit den Kammermusikern – Steger zeichnete sich durch eine beeindruckende Hingabe aus und machte das Konzert zu einem besonderen Erlebnis.
Hexenmeister oder auch "Paganini mit der Blockflöte"
Mit Konzertankündigungen ist es ja manchmal so eine Sache: Mancher Veranstalter transformiert im Vorfeld gute Künstler zur Weltklasse. Hexenmeister oder auch "Paganini mit der Blockflöte" wurde Maurice Steger da genannt. Na ja denkt man da vielleicht. Ausgerechnet mit der Blockflöte, die Igor Stravinsky anfangs des 20. Jahrhunderts angeblich für eine Art Klarinette hielt, als er zum ersten Mal eine sah. Wer am Sonntag Gast des Konzertes war, wird an Konzertankündigungen von Alexander Eifler, dem musikalischen Leiter des Nieder Mooser Konzertsommers, nicht mehr zweifeln. Und die "biedere" Blockflöte wird als rehabilitiert gelten, selbst bei denjenigen Zeitgenossen, die in ihrer Kindheit unfreiwillige Bekanntschaft damit machten. Der 52-jährige Schweizer Steger versprühte seine Energie und Leidenschaft in das Mundstück seiner Flöten (er hatte etliche verschiedene im Einsatz), aber auch aus jeder Pore seiner Haut, wenn er als Dirigent die Darmstädter Barocksolisten magisch leitete, manchmal in beiden Rollen fließend in einem Werk, so wie eingangs bei Händel und Purcell. Die Musiker nahmen seine Funkenflüge dankend an – schließlich handelt es sich um Profimusiker, die 2016 den Darmstädter Musikpreis für die Pflege der Barockmusik in Darmstadt einheimsten.
"Wie ein Irrwisch…" war voller Hochachtung aus mehreren Mündern von Konzertbesuchern zu hören, die sich an Stegers Auftrittsfeuerwerk erfreut hatten. Jürgen Luckgei ist mit Ehefrau Silvia begeistert: "Man denkt, es sei ein Schauspieler oder ein Tänzer, nach dem die Musik spielt. Wir haben ihn schon in Frankfurt gehört und finden ihn einfach grandios. Wir stammen aus Herbstein. Als wir hörten, dass er hier auftritt, mussten wir natürlich herkommen!"
Kirche und Musik harmonieren
Annelie Riedel ist mit ihrem Mann aus Bad Homburg angereist. Sie ist eine Kollegin von Alexander Eifler, Lehrer a.D., gewesen, sagt sie zu OSTHESSEN|NEWS: "Alexander hat schon immer von der Konzertreihe geschwärmt, jetzt sind wir endlich mal hergekommen!" Sie werden es nicht bereut haben! Schon am Freitag öffnet die Nieder Mooser Kirche zum nächsten Highlight ihre Pforten: im dritten Saisonkonzert werden The Canadian Brass nicht zum ersten Mal in der tollen Vogelsberger Kirche zeigen, was mit Blasinstrumenten möglich ist. Das Team um Alexander Eifler, darunter auch der 14-jährige Marlon Fehl, freut sich bereits. Marlon ist bereits in der fünften Spielzeit als Ehrenamtler dabei und hilft diesmal seiner Mutter bei der Einlasskontrolle. "Ich bin gerne in unserer Kirche und mag die Musik auch sehr", sagt er.
Karten werden am Freitag auch noch an der Abendkasse erhältlich sein. (goa) +++