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Was haben eine Studienfahrt zur Gedenkstätte Buchenwald mit einer Vortragsveranstaltung über Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert zu tun? Eine ganze Menge, wenn man den beeindruckenden Ausführungen des Jugendoffiziers Alexander Schäbler folgt. - Fotos: Konrad-Zuse-Schule Hünfeld

HÜNFELD Jugendoffizier der Bundeswehr referierte

Nie wieder Krieg? Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert

24.07.23 - Hauptmann Alexander Schäbler zu Gast an der Konrad-Zuse-Schule Hünfeld, 19.07.2023. Was haben eine Studienfahrt zur Gedenkstätte Buchenwald mit einer Vortragsveranstaltung über Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert zu tun? Eine ganze Menge, wenn man den beeindruckenden Ausführungen des Jugendoffiziers Alexander Schäbler folgt. Auf Einladung der Konrad-Zuse-Schule war dieser von seinem Standort in Wetzlar angereist und begleitete tags zuvor die Klassen bereits nach Weimar.

Abteilungsleiterin Petra Stephanblome eröffnete im Namen der Schulleitung die Veranstaltung und begrüßte den Jugendoffizier des Landeskommandos Hessen der Bundeswehr aus Wetzlar, Herrn Hauptmann Alexander Schäbler sehr herzlich. Sie zeigte sich erleichtert, dass nun nach den Einschränkungen der Pandemie-Jahre die Studienfahrt zur Gedenkstätte Buchenwald möglich war, die von Herrn Schäbler begleitet wurde und dankte ihm mit einem Tablet-Etui aus Filz mit dem Logo der Konrad-Zuse-Schule. Es sei ein starker Kontrast zwischen der Kulturstadt Weimar und der Unkultur auf dem Ettersberg in Buchenwald gewesen.

Sprung in die Gegenwart konnte gut erfahrbar gemacht werden

Mit Blick auf den anstehenden Gedenktag anlässlich des 20.07.1944 sei der Besuch der Hünfelder Schülerinnen und Schüler auch von aktueller Relevanz, zumal dadurch politische Bildung gefördert und mit der Erfahrung historischen Lernens an einem authentischen Ort verknüpft werden könne. So könne der Sprung in die Gegenwart gut erfahrbar gemacht werden, dass die Geschichte des eigenen Landes auch immer etwas mit dem "Hier und Jetzt" zu tun habe.

Abteilungsleiterin Petra Stephanblome eröffnete im Namen der Schulleitung die ...

Organisiert wurde die Veranstaltung von den Geschichte-Lehrerinnen Janina Hohmann und Sabine Zimmermann, die insgesamt vier Klassen der E- und der Q-Phase des Beruflichen Gymnasiums auf der Fahrt begleitete und das Thema bereits im Unterricht erarbeitete. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", zitierte der Jugendoffizier Artikel 1 aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948. Dieser Leitsatz sei aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und des Zivilisationsverbrechens des Holocaust hervorgegangen.

Warum sollte 1955 wieder eine Armee nach den Erfahrungen der Geschichte aufgebaut werden?

Auf diesem Fundament sei gerade auch der Wiederaufbau der Bundeswehr gegründet. Deutschland lag in Schutt und Asche, warum sollte 1955 also wieder eine bewaffnete Armee auf deutschem Boden nach den Erfahrungen der deutschen Geschichte aufgebaut werden? Das Befehlsrecht hatte sich damals grundlegend auf das Konzept der "Inneren Führung" und des "Staatsbürgers in Uniform" geändert, nachdem Soldaten das Recht und sogar die Pflicht haben, Befehle ihrer militärischen Vorgesetzten zu verweigern, wenn dieser gegen ihr Gewissen stehe. Hierdurch sollte verhindert werden, dass erneut Militär und Bürokratie die alleinige Entscheidungsgewalt in sich vereinen.

Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich sehr beeindruckt von den Ausführungen des Jugendoffiziers und machten deutlich, dass sich so etwas durchaus wiederholen könne. So nannten sie das Beispiel des Films "Die Welle" als Sozialexperiment oder aktuelle Beispiele aus China, wo die Minderheit der Uiguren in Konzentrationslagern festgehalten würden. Auch dass Rechtsextreme in ganz Europa wieder Zulauf hätten, sei ein beängstigendes Signal. Der Jugendoffizier führte aus, dass es keineswegs sicher sei, dass es nicht wieder so komme. In Anlehnung an einen Politikwissenschaftler seien jedoch "zivilisatorische Schutzbalken" in die Gesellschaft eingezogen, die das Risiko in einen Rückfall totalitärer Strukturen weniger möglich machten.

1999: Die Bundeswehr war zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg in einen Krieg involviert

Hauptmann Schäbler schilderte die Ereignisse im Jahr 1999, als die Bundeswehr zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg in einen Krieg involviert war und es galt, eine Minderheit im Kosovo vor der Vernichtung durch Serbien zu schützen. Das sei nur möglich gewesen, wenn der Westen (die NATO) Serbien bombardiere – dazu gab es allerdings kein Mandat, das vom internationalen Völkerrecht der Vereinten Nationen gedeckt gewesen sei. Dieses Dilemma hat seinerzeit die Partei von Bündnis 90/Die Grünen fast zerrissen, der damalige grüne Außenminister Joschka Fischer argumentierte, dass er gelernt habe: "Nie wieder Krieg!" – er habe aber auch gelernt: "Nie wieder Auschwitz!".

Mit Bezug zum Besuch im Lager Buchenwald gab es Berichte über SS-Ärzte, auch sie waren eigentlich Mediziner mit hippokratischem Eid, waren aber zugleich streng in die militärische Befehlskette eingebunden. So gerieten sie in fatale Konfliktsituationen und allzu oft laste die Entscheidung über Krieg und Frieden auf dem Einzelnen, so Hauptmann Schäbler. Auch heute laufe man immer wieder Gefahr, in solche Situationen zu geraten, in Konflikte und Dilemmata, in ethisch-moralische und rechtliche Konflikte. Grundsätzlich ändere sich Krieg in der gesellschaftlichen Wahrnehmung: Zu Anfang des Krieges wurden Panzerlieferungen vehement abgelehnt – mittlerweile sind längst Kampfpanzer an die Ukraine geliefert worden.

Viele der angesprochenen "Schutzbalken" haben nicht funktioniert

Welche Rolle soll Deutschland also in diesem Konflikt einnehmen? Deutschland habe eine Art Mittelweg eingeschlagen, die Ukraine sei militärisch unterstützt worden, aber nicht im Rahmen der NATO, denn die Ukraine soll nach wie vor nicht in diese aufgenommen werden, was auf dem NATO-Gipfel in Vilnius kürzlich noch einmal bestätigt worden sei. Leider: Viele der angesprochenen "Schutzbalken" hätten nicht funktioniert, um einen solchen Krieg mitten in Europa zu verhindern.

Der Jugendoffizier fasste seine Erfahrungen mit einer Friedensbotschaft zusammen: "Soldaten sind in der Regel die letzten, die einen Krieg wollen!" Unter langanhaltendem Applaus würdigten die Schülerinnen und Schüler Besuch und Vortrag von Alexander Schäbler, ehe man sich verabschiedete und sich zum gemeinsamen Pressefoto einfand. Die 90-minütige Veranstaltung mit einem "echten Soldaten" leistete einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Dialogfähigkeit der Schülerinnen und Schüler und zeigte sehr deutlich, dass jeder bzw. jede von uns in Konflikte und Dilemmata geraten kann, die sie bzw. er selbst aushalten oder lösen muss. (pm) +++


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