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Das Konrad-Adenauer-Haus, die Zentrale der CDU in Berlin. - Foto: CDU/Nicole Völker

REGION Aufruhr nach den Merz-Aussagen

Gretchenfrage für die CDU: "Sag, wie hältst Du's mit der AfD?"

25.07.23 - Viele von uns kennen das Wort "Gretchenfrage", das seinen Ursprung in Goethes Faust besitzt: "Nun sag’, wie hast Du’s mit der Religion?", lautet der Kernsatz. Angesichts der Ereignisse des Wochenendes lässt sich dieser trefflich auf die aktuelle Situation der Bundes-CDU übertragen: "Nun sag', wie hast Du's mit der AfD?" - Im "Sommerinterview" hatte CDU-Chef Friedrich Merz für einen pragmatischeren Umgang auf kommunaler Ebene mit der AfD plädiert und damit eine heftige Debatte auch innerhalb seiner Partei ausgelöst. OSTHESSEN|NEWS hat nachgehakt, wie sich die CDU-Kreisvorsitzenden der Region in dieser Frage positionieren.

Möglicherweise aufgrund der Entrüstung und des heftigen innerparteilichen Gegenwinds, der sich breit gemacht hatte, war Merz am Montag darum bemüht, die Debatte in ein ruhigeres Fahrwasser zu lenken.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz hat mit seinen Aussagen zur AfD für Verwirrung ...Archivfotos: O|N

Er schrieb auf Twitter: "Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben." Demgegenüber hatte er im ZDF-Sommerinterview betont, Kommunalpolitik sei etwas anderes als Landes- und Bundespolitik. Wenn jetzt in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen. "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet."

Rhein: Die Brandmauer steht klar

Hessens CDU-Landesvorsitzender und Ministerpräsident Boris Rhein.

Hessens Ministerpräsident und CDU-Landesparteichef Boris Rhein hatte sich klar gegen Merz' Äußerung gewandt: "Für die CDU Hessen gilt die Brandmauer, wir arbeiten mit denen nicht zusammen", sagte Rhein am Montag im "Morgenmagazin" des ZDF mit Blick auf die AfD. "Das sind keine Partner von uns." Die AfD sei ein "rechtsextremistischer Prüffall" für den Verfassungsschutz und deren Jugendorganisation "gesichert rechtsextrem", ergänzte Rhein laut hessenschau.de. Für die hessische CDU könne er daher "sehr klar sagen", dass die Brandmauer "klar steht".

Heiko Wingenfeld, Bezirksvorsitzender der CDU Osthessen

Heiko Wingenfeld, Bezirksvorsitzender der CDU Osthessen, sagt dazu: "Die CDU hat eine klare Position: Keine Koalition oder Zusammenarbeit mit der AfD. Diese Haltung hat Friedrich Merz im gestrigen Sommerinterview und aktuell erneut bestätigt. Wir leben (zum Glück!) in einer Demokratie. Das bedeutet, auch unbequeme Wahlergebnisse wie in Sonneberg/Thüringen zu respektieren. Wir in Fulda und Osthessen stehen für die Werte unseres Grundgesetzes und ein christliches Menschenbild. Das schließt jede Form der aktiven Zusammenarbeit mit der AfD aus. Durch eine überzeugende Politik können wir einen konkreten Beitrag dazu leisten, dass Populisten und Extremisten nicht gestärkt werden. Dazu gehört, eine klare Haltung zu zeigen und zugleich die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Viele Menschen sind sehr verunsichert: Die alternde Gesellschaft, der Mangel an Arbeitskräften, der Klimawandel, der Verlust an Wirtschaftskraft, der Migrationsdruck – all diese großen und komplexen Herausforderungen verleiten dazu, nach vermeintlich einfachen Antworten zu suchen. Populisten und Extremisten bieten für all diese Fragen aber keine Lösungen! Das ist ein Auftrag, dem sich die demokratischen Parteien besser stellen müssen. Und wir alle sind gefordert, uns für die demokratischen Parteien vor Ort einzusetzen. Eine hohe Wahlbeteiligung und Bürgerinnen und Bürger, die sich für die demokratischen Parteien in den kommunalen Gremien engagieren, sind das beste Mittel, um unsere Demokratie vor Ort zu stärken und vor Extremisten zu schützen!"

Andreas Börner, CDU-Kreisvorsitzender Hersfeld-Rotenburg.

Andreas Börner, Vorsitzender der CDU in Hersfeld-Rotenburg: "Jegliche Zusammenarbeit mit der AfD halte ich für ausgeschlossen. Die Frage stellt sich aber auch nicht auf sachlicher Ebene für den Landkreis Hersfeld-Rotenburg, da die hiesige AfD sich weder mit konstruktiven noch guten Vorschlägen beteiligt. Anstatt sich solchem Gedankenspiel zu widmen und über die AfD zu diskutieren, muss es doch viel mehr die Aufgabe sein, den Menschen zuzuhören und die aktuellen Sorgen sowie Nöten ernst zu nehmen, die zu der aktuellen Stimmung führen und nicht ohne Grund entstehen. Gerade die unausgereiften Gesetzesvorschläge aus Berlin verunsichern und belasten die Menschen vor allem im ländlichen Raum. Hier muss die CDU die richtigen Antworten geben. Nur mit einer klaren eigenen Haltung und einem Kompass für die Zukunft kann das verlorene Vertrauen zurückgewonnen werden. Dann erübrigt sich die Frage zur AfD. Dies sollte der Ansporn von der kommunalen Ebene bis zur Bundesebene für die CDU sein".

Frederik Schmitt, CDU-Kreisvorsitzender Fulda.

Frederik Schmitt, Vorsitzender der CDU im Kreis Fulda erklärt: "Für mich ist der Beschluss der CDU Deutschlands richtig: keine Koalition und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der AfD, als auch mit der Linkspartei. Das hat Friedrich Merz bekräftigt. Die Funktionäre der AfD sind in Teilen extremistisch, in anderen Teilen Prüffälle für den Verfassungsschutz. Sie gefährden unsere freiheitliche demokratische Grundordnung. Daher kann die AfD niemals ein Partner sein, mit dem die CDU zusammenarbeitet. Gleichzeitig kann eine kommunale Vertretungskörperschaft einen vom Wähler in einer Direktwahl als Landrat legitimierten Wahlbeamten nicht einfach als ein nicht existierendes Nullum ignorieren. Der Kreistag von Sonneberg wird nicht jede Vorlage aus der Kreisverwaltung mit dem bloßen Hinweis auf die Parteizugehörigkeit des Landrats ablehnen können. Diese Frage stellt sich allen Fraktionen und Abgeordneten dort vor Ort. Hier nehme ich auch ein großes Stück gespielter und künstlicher Empörung in der Debatte wahr. Deutschland hat derzeit mit schwächelnder Wirtschaft, ungelöster Energiefragen und großen Herausforderungen in der Migration bedeutende Probleme vor der Brust. Um die müssen wir uns kümmern. Dann wird es für die AfD auch deutlich weniger Wählerinnen und Wähler und Prozentpunkte in Umfragen geben".

Dr. Jens Mischak, CDU-Kreisvorsitzender Vogelsberg.

Dr. Jens Mischak, CDU-Kreischef im Vogelsberg, betont zu dieser Thematik auf O|N-Anfrage am Montagvormittag: "Alles, was es dazu zu sagen gilt, hat der Bundesparteitag beschlossen. Keine Zusammenarbeit mit dieser Partei. Nicht im Bund, nicht im Land, nicht in den Kommunen. Punkt."  (Bertram Lenz)+++

 

Zwischenruf von O|N-Redakteur Bertram Lenz

Die große innerparteiliche Aufgeregtheit und das rasche Klarstellen seiner vermeintlich missverständlich interpretierten Aussagen zeigt, dass CDU-Chef Merz in ein Wespennest gestochen hatte. Die Äußerungen, auf kommunaler Ebene über eine Zusammenarbeit mit der AfD zumindest nachzudenken, rühren an einem Tabu-Thema, stecken voll Sprengkraft und lassen die viel zitierte "Brandmauer"  leicht brüchig erscheinen. 

O|N-Redakteur Bertram Lenz zum Merz-Vorstoß bezüglich AfD.

Die CDU muss aufpassen, sollte sie angesichts steigender Umfragewerte für die AfD ihren eigenen Parteitagsbeschluss aufweichen und nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zumindest suchen wollen. Der frühere saarländische Ministerpräsident Tobias Hans bringt es auf den Punkt, wenn er seiner Partei ins Stammbuch schreibt: "Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten." Die Christdemokraten täten gut daran, ihre Politik verstärkt nach dem auszurichten, was die Bürger dieses Landes bewegt. Es kommt darauf an, Probleme aufzugreifen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Und nicht, sich voller Panik angesichts des Höhenflugs der AfD in deren Richtung zu bewegen.

Friedrich Merz indes hat sich vergaloppiert. Sein innerparteilicher Kontrahent um die Kanzlerkandidatur, Henrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen, dürfte sich ins Fäustchen gelacht haben angesichts des Sturms der Entrüstung, der über Merz hereingebrochen ist. Die nächsten Wochen und Monate werden spannend. (Bertram Lenz) +++


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