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Dieser Anblick ist mir seit frühester Kindheit vertraut. - Foto: Lenz

HÜNFELD Persönliche Gedanken zur "Profanisierung"

Was wird aus "St. Ulrich" - eine Kirche, die mir von klein auf vertraut ist?

29.07.23 - Ein Text aus eigener Betroffenheit heraus - anders lässt sich für mich ein Artikel über die "St. Ulrich"-Kirche im Hünfelder Nordend wahrscheinlich gar nicht schreiben. Das Gebäude, dessen Anblick mir von frühester Kindheit an vertraut ist, soll verkauft werden. Bei Gotteshäusern nennt sich solch ein Vorgang "Profanisierung", also "Entweihung".  Zusammenkünfte der - zugegeben - immer kleiner werdenden Schar derer, die sich zur Heiligen Messe treffen, sollen künftig nur noch in der überschaubaren Krypta stattfinden. 

Fakt ist, dass "St. Ulrich" kein kleines überschaubares Gebäude ist, eher wuchtig. ...Foto: Kirchengemeinde

Die "St. Ulrich"-Kirche ist ganz im nüchtern-sachlichen Stil der Nachkriegszeit ...Foto: Kirchengemeinde

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie einst - in den späten 1960-er Jahren - das kirchliche Leben in der Gemeinde zu blühen begann. Erbaut worden war "St. Ulrich", auch dank der zupackenden Hilfe der vielen Heimatvertriebenen aus dem Sudetenland und der früheren Tschechoslowakei, zwischen 1961 und 1964. Der erste Pfarrer, zunächst als Pfarrkurator tituliert, kam später auf die seinerzeit revolutionäre Idee mit Vorabendgottesdiensten an Samstagen.

Als die Kirche einst proppevoll war

O|N-Redakteur Bertram Lenz: Persönliche Gedanken zur "St. Ulrich"-Kirche. ...

Die Kirche in der Appelsbergstraße war damals dank vieler Besucher auch aus den umliegenden Ortschaften ebenso proppevoll wie bei den beiden Gottesdiensten am Sonntagvormittag, darunter dem so genannten Hochamt. Es gab die Jungschar, Messdienergruppe, Frauengemeinschaft, eine toll ausgestattete Bücherei und  - ebenfalls irgendwie revolutionär - Schallplatten, die während der Gottesdienste aus der Sakristei über eine Anlage inklusive Lautsprechern abgespielt wurden. Kirchlicher Pop zwar, aber immerhin! Und, nicht zu vergessen:  In unmittelbarer Nähe befindet sich die 1967 erbaute katholische Kindertagesstätte "St. Ulrich".  

Es mag sich romantisch-verklärt anhören, aber der Blick von meinem Elternhaus hin zu "St. Ulrich" und seinem markanten Glockenturm haben meine Kindheit und Jugend geprägt. Zumal meine Oma und meine Mutter gemeinsam mit anderen Frauen jeden Samstag die Kirche putzten. Zum Lohn gab's vom Pfarrer zu Ostern und Weihnachten eine Schachtel Pralinen. 

Immer ein schönes Motiv - besonders an Sommerabenden. Foto: Lenz

Blick in den Altarraum des Gottshauses im Hünfelder Norden.

Im Laufe der Jahr(zehnte) ereilte "St. Ulrich" dann das Schicksal vieler anderer Gemeinden: Immer weniger Gottesdienstbesucher sorgten und sorgen dafür, dass über Alternativen nachgedacht werden musste. Denn der Komplex ist schon sehr groß, mit den Versammlungsräumen im Pfarrheim und dem Pfarrhaus. Daher war in Absprache mit dem Pfarrgemeinderat und dem Verwaltungsrat von der Stadt Hünfeld eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden, die vom Förderprogramm "Soziale Stadt" mitfinanziert wurde. Im April 2023 wurden die Ergebnisse  (insgesamt drei Projektvarianten) vom beauftragten Architekturbüro ZWO16 Architekten und Ingenieure Reum-Heumüller aus Geisa vorgestellt und vor Kurzem auch zahlreich erschienenen interessierten Gemeindemitgliedern. 

Während eine Eventlocation und ein Indoorspielplatz für Kinder an möglichen Projekten (glücklicherweise!) beiseite gelegt wurden, basiert der Fokus nun auf einem Konzept, das etwa 30 Wohneinheiten für Auszubildende mit Gemeinschaftsflächen auf zwei Geschossebenen vorsieht. Erreichbar wären die rund 17 Quadratmeter großen Wohnungen durch einen Laubengang. Im Erdgeschoss würden dann eine Mensa, ein Waschsalon, zwei Workshop-Räume, Toilettenanlagen sowie ein Empfang und die Verwaltung eingerichtet. Vergleichbar vielleicht dem "PINGS" in Fulda, einem Azubi-Campus der Kolping Jugendwohnen Fulda gGmbH. 

Die Krypta von "St. Ulrich" soll in ihrer Funktion als Gebetsraum erhalten bleiben. "Kirchliches Leben kann hier weiterhin stattfinden. Die Kirchengemeinde bleibt präsent. Nur eben auf eine andere Weise", hatte der Hünfelder Stadtpfarrer Dr. Michael Müller gegenüber der Presse betont. Voraussetzung für all das ist freilich, dass ein Investor gefunden und man mit dem Denkmalschutz einig wird.

Das sagt das Bistum Fulda

"Die Aufgabe von Kirchen wird von den Gremien der Pfarrei und des Bistums beraten und entschieden. Hier erfolgt im Vorfeld ein intensiver Austausch, da es eine weitreichende Entscheidung ist, die auch mit vielen Emotionen verbunden ist. Eine Kirche stellt immer ein Zeichen für die Gegenwart Gottes in unserer Welt dar und hat damit einen hohen kulturellen Wert. Nicht zuletzt sind Kirchen oft Baudenkmäler. Dabei handelt es sich in der Regel um Kirchbauten, die in katholischen Diasporagebieten von Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut wurden". Betont Bistumssprecher Matthias Reger auf O|N-Nachfrage. 

Seit 2019 wurden seiner Aussage nach im Bistum Fulda rund ein Dutzend Kirchen profaniert, dazu kommt die Aufgabe von Kapellen im Bereich der Ordensgemeinschaften. Für sieben weitere Kirchen stehen bereits konkrete Überlegungen zur Aufgabe im Raum, auch diese beziehen sich überwiegend auf Diasporagebiete.

"Nach einer Profanierung darf das Kirchengebäude keinem unwürdigen Gebrauch zugeführt werden, dies wird entsprechend vertraglich gesichert. Sollte es zu einem Abriss kommen, soll an dem Ort eine Gedenktafel an das Kirchengebäude erinnern. Auch für die Kirche St. Ulrich in Hünfeld gilt, dass ihre künftige Nutzung dem Kirchencharakter folgt und ihm nicht widerspricht".

Das sagt die Stadt Hünfeld

Der Hünfelder Bürgermeister Benjamin Tschesnok (CDU). Foto: O|N - Archiv

Bürgermeister Benjamin Tschesnok (CDU) nimmt gegenüber O|N Stellung zu der Entwicklung: "Es ist aus meiner Sicht sicher bedauerlich, dass sich die Kirche angesichts des rückläufigen Gottesdienstbesuchs zu solchen Schritten gezwungen sieht. An der ,St. Ulrich'-Kirche hängen für Menschen aus dem Quartier auch viele emotionale Bindungen, zumal die Kirche seit Jahrzehnten den Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens in diesem Quartier markiert. Wenn die Kirche aus nachvollziehbaren Gründen das Ziel verfolgt, sich von Liegenschaften zu trennen, dann liegt es im Interesse der Stadt Hünfeld, dass solche Entscheidungen die Entwicklung des Quartiers für die Zukunft unterstützen und nicht behindern".
Das Hünfelder Ost- und Nordend sei - wie erwähnt - in die Förderkulisse des Stadtumbauprogramms "Sozialer Zusammenhalt" aufgenommen worden. Deshalb bestand die Chance, für eine künftige Nutzung der "St. Ulrich"-Kirche eine Projektstudie zu finanzieren, um Möglichkeiten aufzuzeigen, wie das Gotteshaus in verträglicher und angemessener Form in der Zukunft genutzt werden könnte. "Die Ergebnisse dieser Studie liegen jetzt vor und wurden der Öffentlichkeit vorgestellt. Die weiteren Entscheidungen liegen nun in den Händen des Bistums und der kirchlichen Gremien. Die städtischen Beschlusskörperschaften werden erst dann wieder gefordert sein, wenn es gilt, die Absichten der Kirche und möglicher Investoren planungsrechtlich zu begleiten. Dazu werden wir mit der Kirche im Gespräch bleiben".

Kein Glockengeläut mehr?!

Fazit: Ich gestehe zu, dass ich mich dem Thema mit einem gehörigen Stück Sentimentalität angenähert habe. Und auch wenn ich die Argumente  sachlich nachvollziehen kann - so richtig vermag ich mir eine "Profanisierung" der "St. Ulrich"-Kirche ebenso wenig vorzustellen wie ein Umbau/Umnutzung als Azubiwohnheim. Selbst die Glocken, die morgens um 7 und abends um 19 Uhr läuten (und bisweilen auch um 12 Uhr Mittags), werde ich  vermissen. Aber nur ein bisschen ... (Bertram Lenz) +++ 

 

 

 


 


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