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Mähdrescher stehen seit zwei Wochen still - Wie sieht die Erntesituation aus?
09.08.23 - Seit Tagen regnet es fast ununterbrochen, und diese wenig hochsommerliche Witterung hat natürlich auch massiven Einfluss auf die Erntesituation der Landwirtschaft. Vor diesem Hintergrund hatte der Hessische Bauernverband am Dienstag zu einem Pressegespräch auf den Betrieb Kersten nach Maberzell (Stadt Fulda) eingeladen.
Die Quintessenz lässt sich auf folgenden Nenner bringen: "Stillstand mitten in der Erntezeit. Erhebliche Ertragseinbußen durch anhaltendes Regenwetter erwartet". Allerdings wird - noch - nicht damit gerechnet, dass sich dies auf die Verbraucherpreise bei Brot und Brötchen auswirken könnte.
Der Vize-Präsident des Hessischen Bauernverbandes und zugleich Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld, Stefan Schneider, informierte über die bisherigen Ergebnisse und die vorläufige Erntebilanz bei Getreide und Raps. Betriebsleiter Lukas Kersten wiederum berichtete über den aktuellen Stand und die Besonderheiten der Getreideernte in der Region. Gekommen war auch Landtagsabgeordneter Thomas Hering (CDU). Ihn dürfte besonders Schneiders Statement interessiert haben, wonach die Landwirte stabile politische Rahmenbedingungen brauchen und viel mehr mit einbezogen werden sollten. Gemeinsam und mit produktionsintegrierten Maßnahmen könne man noch viel mehr beim Klima-, Natur- und Artenschutz erreichen.
Wichtig: Stabile Trockenphase
"Durch die anhaltenden Niederschläge stehen die Mähdrescher in weiten Teilen Hessens bereits seit mehr als zwei Wochen still", so Schneider einleitend. "Wir hoffen, dass die Ernte diese Woche endlich weitergehen kann, jedoch müssen wir nun mit erheblichen Qualitäts- und Ertragseinbußen rechnen". Regional hätten sich beispielsweise Weizenbestände aufgrund der Feuchtigkeit schwarz gefärbt. Ein Großteil des Weizens werde keine Backqualität erreichen. "Wir brauchen nun dringend eine stabile Trockenphase", betonte der Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes weiter. In ganz Hessen lasse sich ein heterogener Erntefortschritt beobachten: "In manchen Teilen ist die Wintergerstenernte bereits beendet, in Nordhessen aber müssen noch Restflächen gedroschen werden. In Südhessen ist die Ernte des Winterweizens zum Teil sogar schon beendet, in Nordhessen jedoch noch gar nicht gestartet". Landesweit seien erst rund 35 bis 40 Prozent des Winterweizens gedroschen.
Zu den erwarteten Erträgen
Bei der Wintergerste werden bei einer Anbaufläche von rund 79.000 Hektar Erträge von rund 78 dt (Dezitonnen)/ha erwartet. Im vergangenen Jahr hatte der Wert bei etwa 74 dt/ha gelegen. Bei Winterweizen liegt der erwartete Ertrag bei 78 dt/ha bei einer Anbaufläche von gut 142.000 Hektar. Die Erträge des auf etwa 44.000 Hektar angebauten Winterrapses werden aktuell auf rund 35 dt/ha geschätzt.Schneider: "Profiteure der nassen Witterungsbedingungen sind Herbstkulturen wie Mais oder Zuckerrüben sowie das Grünland." Aktuell finde die Kolbenentwicklung beim Mais und das Wachstum des Rübenkörpers bei den Zuckerrüben statt - durch die Niederschläge hätten sich die Bestände von den Trockenschäden aus dem Juni noch gut erholen können".
Gemeinsam mit seinem Vater bewirtschaftet Lukas Kersten etwa 200 Hektar Ackerland, Vieh wird keines gehalten. Er gab zunächst einen kleinen Überblick über die Niederschlagsmengen, die zwischen Januar und April bei 250 Litern pro Quadratmeter gelegen hätten. Von Mai bis Juli hätte der Wert bei 60 Litern gelegen. Seit Beginn der Regenperiode Ende Juli seien es teilweise bis zu 120 Liter pro Quadratmeter gewesen; am 24. Juli sei letztmals Weizen gedroschen worden. "Was wir brauchen, das sind sieben bis zehn Tage Sonnenschein, um die ausstehenden etwa 120 Hektar Weizen dreschen zu können".
Die Ernte von Wintergerste und Winterraps habe man bereits vor den vielen Niederschlägen abschließen können, die Winterweizenernte musste aufgrund der Witterung unterbrochen werden. Kersten: "Vor dem Regen war es grundsätzlich eine zufriedenstellende Ernte mit durchschnittlichen Erträgen und guten Qualitäten, bei der Wintergerste sogar eher überdurchschnittlich. Die Rapsernte war etwas enttäuschender, wir haben zwar gute Ölgehalte von 45 bis 46 Prozent, aber nicht ganz die vier Tonnen pro Hektar erreicht. Für Kulturen wie den Mais sei der viele Regen Gold wert gewesen. Abzuwarten sei, wie die Qualität des Weizens letztendlich ausfalle.
Hinsichtlich der aktuellen politischen Rahmenbedingungen betonte Vizepräsident Schneider, dass zusätzlich zu den derzeitigen Herausforderungen durch den Klimawandel praxisferne Vorschläge der EU-Kommission, z.B. die "Sustainable Use Regulation" (SUR) zur pauschalen Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln, zu weiteren Ertragsrückgängen führen könnten.
"Penny"-Aktion ein PR-Gag
Die Discounterkette "Penny" machte in der vergangenen Woche mit einer Aktion bundesweit Schlagzeilen, bei einigen Produkten die sogenannten "wahren Preise" auszuweisen. Dabei würden Umweltkosten der Herstellung berücksichtigt, die der Produktpreis üblicherweise nicht abbilde – die betreffenden Artikel waren damit fast zum Teil doppelt so teuer.Hintergrund: Für mehrere Tage verlangte "Penny" für neun seiner mehr als 3.000 Produkte die erwähnten "wahren Preise". Die Produkte vom Käse bis zum Wiener Würstchen wurden dadurch um bis zu 94 Prozent teurer. Die Mehreinnahmen wollte die Kette, die zur "Rewe"-Gruppe gehört, für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum spenden.
Bernhard Krüsken, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV) hatte von "Greenwashing" gesprochen und gegenüber der FAZ beklagt, der Discounter würde damit "auf Kosten der Bauern" Eigenwerbung machen, sich ansonsten aber "wenig für faire Bepreisung" interessieren. Die Rolle von Lebensmitteldiscountern blende die Rechnung von "Penny" bewusst aus.
Auf dezidierte Nachfrage von O|N nahm der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld, Stefan Schneider, am Rande des Termins in Maberzell zu dem "Penny"-Projekt Stellung. Auch er sprach von "Greenwashing", die Aktion des Discounters habe die Landwirte "negativ überrascht", teilweise sogar schockiert. Seiner Ansicht nach sei dies nichts weiter als ein PR-Gag des Discounters gewesen, der eigentlich mit "Kampfpreisen" von ich reden mache. (Bertram Lenz) +++