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Klinik-Direktorin Dr. Solveigh Hilliard in der wiedereröffneten "Station 1 Ost" - Fotos: Marius Auth

FULDA Entspannungsraum statt Weichzelle

Geschützte Station eröffnet: "Psychische Erkrankungen heute eher akzeptiert"

24.08.23 - 1.700 Patienten werden im Jahr in der psychiatrischen Klinik des Klinikums Fulda behandelt. Auf der geschützten "Station 1 Ost" kommen Menschen unter, die sich selbst und andere gefährden. Am Mittwoch wurde die Akutstation nach zwei Jahren Bauzeit wieder eröffnet, inklusive Entspannungs-Raum mit Musikbeschallung. Klinik-Direktorin Dr. Solveigh Hilliard erklärt, wie sich das gesellschaftliche Bewusstsein für psychische Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten verändert hat.

Der Time-Out-Raum

2,4 Millionen Euro wurden investiert, um die Station, die sich auf 900 Quadratmetern erstreckt, nicht nur auf den neuesten Stand der Gebäudetechnik zu bringen, sondern auch Bedingungen zu schaffen, die sowohl Patienten als auch Mitarbeitern zusagen. Vor dem Rundgang durch die helle Station skizzierten sowohl Vorstandschef Thomas Menzel als auch Hilliard die Herausforderungen, vor denen psychiatrische Kliniken stünden: aggressive Patienten, angespannte Personalsituation, hohe Arbeitsdichte, hoher Dokumentationsaufwand - manche Ärzte und Fachkräfte verließen aufgrund der Arbeitsbedingungen schlichtweg das Fachgebiet.

Vorstandschef Thomas Menzel

Das Team der Station

Im Hörsaal des Klinikums Fulda

Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Fulda wurde bereits 1991 eröffnet. Der Umbau der geschützten "Station 1 Ost" stellt die größte Investition seit der Eröffnung dar. Erkrankungsbilder, die mit Eigen- oder Fremdgefährdung einhergehen, sind schwerste Erkrankungen aus dem Kreis der Schizophrenien und affektiven Psychosen. Die Behandlung auf Station 1 Ost kann freiwillig oder gegen den eigenen Willen erfolgen. 16 Therapieplätze werden angeboten - nach dem Umbau fällt vor allem der gepolsterte "Time-Out-Raum" auf, mit Liegeflächen, Sitzmöglichkeiten und Multimedia-Wand, auf der Patienten selber Anspannungs-Zustände frühzeitig bewältigen können.

Hilliard freute sich über die Neuerungen

Stationsleiterin Monika Nantwig

Peter Neidhardt, Geschäftsbereichsleiter Bau/Technik


Kontrolle über Gefühle erlangen

Vor 70 Jahren habe es kaum Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung psychischer Erkrankungen gegeben, vor 50 Jahren seien größe Säle mit bis zu 40 Betten noch verbreitet gewesen. Inzwischen sind etliche Paradigmenwechsel in der psychiatrischen Behandlung erfolgt: "Das Safewards-Modell untersucht, welche Bedingungen in der Interaktion zwischen Mitarbeiter und Patient zur Eskalation beitragen können und versucht, diese zu verbessern. Zwangsmaßnahmen dürfen nur im äußersten Notfall und unter strengen Voraussetzungen angewendet werden. Selbstbestimmung und Würde des Patienten sollen gewahrt werden - dazu trägt auch der Time-Out-Raum bei, der helfen soll, sich selbst zu entspannen und wieder Kontrolle über die eigenen Gefühle zu erlangen", so Hilliard.

Räumlichkeiten der Station

Großer Andrang bei der Wiedereröffnung

Psychische Erkrankungen seien immer noch nicht entstigmatisiert, würden aber gesellschaftlich heute eher akzeptiert. "Viele gehen in psychotherapeutische Behandlung, manche Erkrankungen müssen aber medikamentös behandelt werden. Auf die beschützende Akutstation kommt vor allem, wer sich selbst oder andere gefährdet. Manche Menschen sind so depressiv, die befürchten, dass sie sich umbringen und brauchen einen Schutzraum für eine Weile. Bei uns gibt es weder spitze Gegenstände noch scharfe Kanten, Lampen brechen, bevor sie stark belastet werden können."

"Belastungen werden nicht weniger"

Im Gegensatz zur psychosomatischen Klinik gibt es von Krankenkassenseite aus keine Maximalaufenthaltsdauer, die durchschnittliche Behandlungszeit beträgt 26 Tage. Wer aus der Akutstation entlassen wird, kann auf die offene Station oder in die Rehaklinik weiterverwiesen werden. Leistungsdruck und damit einhergehender Stress seien große Treiber für psychische Erkrankungen: "Die Belastungen der modernen Zeit werden nicht weniger, die Prozesse laufen immer schneller, die Anforderungen an die Funktionsfähigkeit des Menschen werden immer höher. Außerdem werden die beruflichen Qualifikationsstandards immer spezifischer - während man früher als Arbeitgeber Fünfe gerade sein lassen konnte bei manchem Arbeitnehmer, greifen heute viele Workflows ineinander. Die Bewältigungsstrategien funktionieren dann bei manchen Menschen nicht so gut."

Segnung der Räumlichkeiten

Neben Einzelvisiten und therapeutischen Einzelgesprächen werden Ergotherapie, Bewegungstherapie, Physiotherapie und auch Musiktherapie angeboten, um den Patienten auf andere Gedanken zu bringen. "Achtsamkeitsbasierte Angebote haben schon vor Jahren Einzug gehalten in die psychiatrische Behandlung - Ziel ist es, Belastendes außen vor zu lassen, durch die Gestaltung der Räume, die Interaktion mit dem Patienten, aber auch durch tiergestützte Therapie: Bei uns kommt die Begegnung mit Hunden sehr gut an, da leben manche Patienten richtig auf", erklärt Hilliard. (mau) +++


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