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Charlotte Schwab im Austausch mit Konrad Zuse und Konrad Duden über Technikprobleme und Sprache auf der Festspiel-Bühne - Foto: Sabrina Ilona Teufel-Hesse

BAD HERSFELD Der König persönlich hat das letzte Wort

Charlotte Schwab über Lears Jähzorn, Technikpannen und Zuschauerbindung

26.08.23 - Fans von Charlotte Schwab hatten in den letzten Tagen einige Male Gelegenheit, die erfolgreiche Schauspielerin bei der Ausübung ihres Handwerks zu beobachten. Erst kürzlich war sie im Fernsehfilm "Die Toten am Meer" in einer spannenden und herausfordernden Rolle zu sehen und gleichzeitig stand sie nahezu jeden Tag als Shakespeares "König Lear" auf der Festspielbühne in Bad Hersfeld. Am heutigen Samstag schlüpft sie zum vorerst letzten Mal in ihr Kostüm aus Fatsuit und künstlicher Glatze. Zeit, dem König im O|N-Interview die Gelegenheit zu einem letzten Wort zu geben.

"Es war gut, es war spannend, aufregend. Und es hat sich entwickelt, immer wieder, während des Spielens", sagt die 70-Jährige wenige Tage vor dem Saisonende über ihre Zeit in Bad Hersfeld. Im Theater hat sie ihre schauspielerischen Wurzeln. 24 Jahre lang spielte sie auf der Bühne, bevor sie erstmals für Film und Fernsehen vor die Kamera trat.  Rasch erwuchs auch hier eine große Liebe, jedoch nicht so groß wie die für das Theater.

Die gebürtige Schweizerin liebt am Bühnenschauspiel vor allem den direkten Kontakt mit dem Publikum. Die Hersfelder Stiftsruine empfindet sie da als besonders tolle Unterstützung. "Diese Bühne hilft einem. Sie erhöht einen so und damit auch die Sprache." Das passt ihrer Ansicht sehr gut zu Shakespeares Werken und damit auch "König Lear", dessen eigentlich männliche Titelrolle sie in dieser Saison bekleidete und damit das Publikum für sich begeisterte. 

So kam es, dass sie vor wenigen Wochen für ihre Arbeit mit dem großen Hersfeld-Preis geehrt wurde. Für sie ein "Hersfeld-Moment", der hängenbleibt. Die große Wertschätzung, die damit verbunden ist, spürt Schwab erkennbar, wenngleich sie sich selbst dafür, dass sie dies im O|N-Interview als ihren Hersfeld-Moment nennt, sehr kritisch als geradezu "äußerlich und eitel" bewertet. Das Publikum wird dies wenig stören, denn das hatte bereits vor geraumer Zeit beschlossen: Verdient ist verdient.

Sicherlich trug dazu auch der Premierenabend bei, an dem Schwabs persönliche Horror-Vorstellung auf der Bühne Realität wurde. Tonausfall - in einer der Schlüsselszenen des Stückes. Plötzlich erklang die Durchsage: "Defekt in der Leitung". Schwab konterte geschickt "Ich nicht" und brachte so das Publikum zum Lachen und gewann es für sich. Dennoch musste kurz darauf die Technik neu gestartet werden und eine Pause von wenigen Minuten wurde angekündigt, woraufhin ein Teil des Publikums die Ruine verließ. Als es dann schließlich weiterging, kehrten noch einige Minuten lang Zuschauer zurück auf ihre Plätze. Für die Schauspieler ein äußerst problematischer Moment. Da dies es unheimlich schwer gemacht habe, die Zuschauer wieder zu gewinnen und die Spannung wieder zu erlangen. In solchen Momenten zeige sich laut Schwab die unheimlich wichtige Dynamik, die im Theater zwischen Publikum und Darstellern entsteht und die sie an der Bühne so liebt.

Ein Bild des Jähzorns: König Lear Fotos: Carina Jirsch

Aber auch in der Wahrnehmung der Zuschauer für ihre Rolle des "König Lear" schlage sich diese Dynamik nieder. "König Lear" zu werden, war "irre spannend", wie Schwab sagt. "Das ist so eine allumfassend menschliche Rolle und vor allem die Entwicklung, die er durchmacht - von diesem jähzornigen Arschloch, machtgierig, kritikunfähig bis hin wirklich zu einer ganz kläglichen Einsamkeit und Traurigkeit." Lears Veränderung mitzuerleben sei sehr herausfordernd gewesen und es sei schön, wenn es gelinge, sie so darzustellen, dass die Zuschauer sie glauben. Wenn es gelinge, diese Ablehnung, die man nach dem ersten Bild gegenüber Lear geradezu haben müsse, zu wandeln, sodass man am Ende Mitleid mit ihm habe.

Für Schwab waren beim Ergründen der Rolle unter anderem die Motive der Demenz und des Jähzorns essenziell. "Jähzorn ist ein Gefühl, das geht so vom Bauch aus wie eine rote, dicke Soße, die hochkommt und einem das Denken verschließt." Nur so sei zu erklären, dass Lear zu Beginn des Stückes seine Tochter Cordelia verstoße, anstatt ihre eigentlich vernünftige Nachricht zu hören. Seinen Zerfall durch die Demenz wiederum sieht Schwab als zutiefst psychologisches Phänomen. Der König flüchte, als er erkennt, dass er nirgends mehr gewollt ist, in eine andere Persönlichkeit, in einen anderen Zustand. "Lear sagt es auch: Der Sturm in mir nimmt mir den Blick für alles, was mich schmerzen könnte", erklärt sie. "Und das hat Demenz ja auch." 

Nach dem Ende ihrer Festspielzeit in Bad Hersfeld werden Charlotte Schwab neben dieser Rolle sicherlich vor allem das Ensemble und das Produktionsteam von "König Lear", ihre Bühnenfamilie auf Zeit, fehlen. "Ein ruhiges, tolles Ensemble", wie sie sagt. Keiner dabei, der schlechte Laune macht. "Wir haben uns immer aufeinander gefreut, auch bei den Vorstellungen." Ein Ensemble, mit einem tollen Austausch auf der Bühne, das für Inspiration, zusätzlich zu ihren eigenen Gedanken zu Lear gesorgt habe.

Doch der kreative Prozess geht für die Schauspielerin direkt weiter: Am Sonntag verlässt Charlotte Schwab Bad Hersfeld und macht sich auf den Weg zu neuen und alten Projekten. Nach wenigen Tagen Pause folgen zunächst eine Wiederaufnahme in Wien, dann weitere Drehprojekte. (Sabrina Ilona Teufel-Hesse) +++


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