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Ein Rückblick auf die Geschichte von antonius - Fotos: antonius

FULDA Vom Rande der Stadt in die Mitte

Grundsteinlegung für Hauptgebäude von antonius vor 120 Jahren

06.09.23 - Vor 120 Jahren wurde nicht nur der Grundstein gelegt für ein eindrucksvolles Gebäude, das bis heute von seiner Anhöhe auf dem Münsterfeld weit über die Stadt blickt, sondern ebenso für eine Institution, die sich im Kern stets treu geblieben ist, sich aber über die Zeiten hinweg immer weiterentwickelt hat. Am 10. September 1903 wurde der Beginn der Bauarbeiten für das Hauptgebäude von antonius gefeiert.

Die Fuldaer Zeitung, die am Tag darauf auf Seite 1 über die Grundsteinlegung berichtete, sprach "von einem der edelsten Werke der christlichen Caritas" (tätigen Nächstenliebe), das hier entstehen würde. Der Redakteur formulierte: "An der Stätte, wo sich das fast bis zur Sockelhöhe fortgeschrittene Gebäude erhebt, wird das Auge durch ein herrliches Landschaftsbild gefesselt, und die wenigen Zeugen der schlichten Feier waren einig in der Überzeugung, dass man einen schöneren Platz für das Haus, welches der Erziehung und Pflege katholischer Geistesschwachen beider Geschlechter in der Provinz Hessen-Nassau dienen soll, kaum hätte finden können."

Maria Rang - Religiosität, Wohltätigkeitssinn und christliche Nächstenliebe

Das Urhaus von 1904 mit dem Ostflügel. Der Mittelbau mit Treppenhaus und Westflügel ...

Waschraum 1950er-Jahre

Das Haupthaus im Jahr 1910 schon mit dem Mittelbau

Ohne Maria Rang hätte es diese Feier, an der auch Bischof Adalbert Endert und Oberbürgermeister Dr. Georg Antoni teilnahmen, indes nie gegeben. Die Fuldaerin, Witwe des Juristen Ignaz Rang und verschwägert mit dem früheren Oberbürgermeister Franz Rang, besaß, wie man damals formulierte, "einen aus tiefer Religiosität geborenen Wohltätigkeitssinn und widmete ihr Leben Werken der christlichen Nächstenliebe". Obwohl ihr als Frau der Zugang zu vielen Gremien und Parteien verwehrt war und sie nicht einmal das Wahlrecht besaß, war sie von einer Tatkraft und Zielstrebigkeit erfüllt, die sie viele Widerstände überwinden ließ.

Schon bevor sie sich den bislang unversorgten Kindern mit geistiger Behinderungen zuwendete, die im Übrigen in ihren Dörfern und Häusern bis dahin ein oft jämmerliches Dasein fristeten, hatte sie die Initiative für eine Pflegestätte für alte und unheilbar kranke Menschen ergriffen, das St. Lioba-Haus an der Leipziger Straße. Nach dem Tod ihres Mannes zog sich Maria Rang nicht zurück, sondern verfolgte weiter die Idee, Menschen mit einer Behinderung eine Chance zu geben, sie nicht wegzusperren, sondern ihren Fähigkeiten entsprechend Unterstützung zu gewähren, damit sie am gesellschaftlichen Leben bestmöglich teilhaben können – so ist es unverändert bis heute. Ihrer Initiative, Tatkraft und christlichen Nächstenliebe ist es zu verdanken, dass diese Menschen in Fulda erstmals ein beständiges Zuhause fanden und eine gezielte Förderung erhielten.

Entwurf von Architekt Fritz Adam

Die Landwirtschaft mit Selbstversorgung gehörte von Anfang an dazu. Ansicht aus ...

Der Haupteingang mit Pforte in den 1950-er Jahren. Der Zaun wurde später abgebaut, ...

Blick über die Fulda und die Langebrücke auf das Antoniusheim in den 1950er Jahre ...

Wie aus der Urkunde hervorging, die neben je einer Ausgabe der Fuldaer Zeitung und des Bonifatiusboten sowie verschiedener Münzen in den Grundstein gelegt worden waren, stammte der Entwurf für das Gebäude im Jugendstil von Architekt Fritz Adam. Den Bau selbst führten die beiden Fuldaer Maurermeister Sturmius Grosch und Wendelin Rützel aus. Auch andere Gewerke gingen an Firmen, die heute noch in der Stadt gut bekannt sind: Die Zimmerarbeiten erledigte die Firma Mahr, das Dach deckte die Firma Israel, die Anstreicherarbeiten gingen an Jean Kramer, und die Eisenträger lieferte Leopold Traut, um nur einige zu nennen. Ihre Leistung ist wegweisend bis heute: Der Bau ist der wirtschaftlichste im Immobilien-Portfolio von antonius, unter anderem weil es noch über den ersten Außenputz verfügt.

Die "Anstalt für Idioten katholischer Konfession", wie die Einrichtung damals offiziell hieß, wurde am 1. Oktober 1904 feierlich eröffnet. Zu Beginn wurden elf Jungen und neun Mädchen aufgenommen, die von zunächst drei Barmherzigen Schwestern des Hl. Vinzenz von Paul betreut wurden. Bischof Endert stellte das Haus während der Einweihungszeremonie unter den Schutz des heiligen Antonius (1195-1231). Dieser ist als Volksheiliger bekannt, wird in großen und kleinen Nöten angerufen und ist sehr beliebt. Für Dr. Alois Rhiel, Vorsitzender des Stiftungsrates der Bürgerstiftung antonius : gemeinsam Mensch, wurde Antonius mit Bedacht gewählt: "Er verkörpert den Glauben an die spirituelle Kraft und einen besonderen göttlichen Schutz. Mit Blick in die Zukunft bedeutet das für mich: Wenn wir an diesen Gewissheiten festhalten, dann wird antonius auch künftigen Stürmen standhalten. Das ist wie ein roter Faden, der dieses Haus durchzieht. Damit kommen wir über alle Klippen hinweg."

Antonius - Patron zum Finden des eigenen Wegs


Der Bau des Westflügels im Jahr 1929

Die schulische Bildung speielte bei antonius von Anfang an eine wichtige Rolle. Die ...

Kindergruppe im Hauptgebäude mit Schwestern

Franziskaner-Pater Thomas, der als Seelsorger bei antonius wirkt, weist auf eine weitere Kontinuität hin, die mit dem Heiligen Antonius verbunden ist: "Antonius gilt aufgrund seines Lebensweges, der alles andere als zielgerichtet und kontinuierlich war, auch als Patron zum Finden des eigenen Wegs. Und darum geht es ja auch bei antonius: Jeder – egal ob mit oder ohne Behinderung - soll befähigt werden, seinen eigenen Weg zu entdecken und zielgerichtet verfolgen zu können. Daran hat sich seit der Grundsteinlegung 1903 nichts geändert."

Der 120. Jahrestag fällt in eine Zeit, in der sich antonius mehr und mehr zur Stadtgesellschaft von Fulda und zur Innenstadt hin öffnet. Ausdruck dafür war zuletzt die Präsentation von Bachelorarbeiten, die sieben Studentinnen der RWTH Aachen geschrieben hatten. Sie hatten sich mit der Frage befasst: "Wie soll sich das antonius Quartier als ein wichtiger Teil der Stadt Fulda weiterentwickeln?" Aus diesem Anlass hatte Rainer Sippel, Vorstand der Bürgerstiftung antonius : gemeinsam Mensch, den mittlerweile über 120-jährigen Weg skizziert, in dem sich antonius von der Anstalt zum offenen Campus gewandelt habe, und gab das Ziel aus, eines Tages zum Stadtquartier zu werden, denn "wir wollen kein Sondergebiet mehr sein, sondern Teil der Stadt Fulda und der Bürgergesellschaft". Zentraler Ansatz aller Konzepte welche die Studentinnen vorstellten, war es, das antonius Quartier noch weiter für die Fuldaer Bürgerschaft zu öffnen. So hatte eine angehende Architektin in ihrer Arbeit "Gemeinsam gestalten: Kreatives und inklusives Leben bei antonius" beispielsweise vorgeschlagen, einen Kreativbereich mit Ateliers, Werkstätten und Ausstellungsräumen zu errichten, der dann von Kreativen aus der Region und darüber hinaus bespielt werden könnte.

Wohngebiete für Menschen mit Behinderung eine der wichtigsten Dienste von antonius

Die Küche

Der Mädchenschlafsaal 1932

Schwestern mit Kindern

Andere Ideen setzten auf die Ansiedlung von Gewerbe und Start-Ups oder die Einrichtung halb-öffentlicher Räume wie Sportanlagen, die dann nicht nur von antonius, sondern auch von Vereinen genutzt werden könnten. Besonders wichtig war den Studentinnen, das Gelände stärker an das östlich gelegene Münsterfeld anzubinden, um die schon bestehende, gute Nachbarschaft zu stärken. Da Wohnangebote für Menschen mit Behinderungen eine der wichtigsten Dienste von antonius sind, behandelten alle Arbeiten auch dieses Thema. So setzte eine Studentin in ihrer Arbeit "Das Wohlfühlquartier" auf Tiny Houses. In einer Siedlung dieser komplett eigenständigen Häuser mit kleiner Wohnfläche könnte selbstständiges Wohnen für Menschen mit Behinderungen realisiert werden, zugleich könnten die Einheiten aber auch zusammengeschlossen werden, um Gemeinschaft zu ermöglichen.

Architekt Patrick Tetzlaff, Partner bei Sichau & Walter Architekten BDA, begleitet die Entwicklung des Masterplans für das antonius-Areal bereits seit geraumer Zeit. "Ein zentraler Bestandteil der künftigen Herausforderungen ist sicher die Öffnung und Vernetzung zu benachbarten Stadtteilen und Gebieten der Naherholung", erklärt der Architekt. Neue barrierefreie Wegeverbindungen spielten dabei genauso eine Rolle wie die Frage, welche Rolle das Thema Mobilität bei antonius einnimmt und wie diese im Sinne urbaner Vernetzung unter Einbeziehung des ÖPNV neu gedacht werden könne.

Die Kinder lernen den Umgang mit der Nähmaschine

"Mindestens genauso wichtig wie die Öffnung des Areals zur Stadt Fulda ist die Eingliederung und Akzeptanz von antonius als selbstverständlicher Bestandteil der städtischen Gemeinschaft", betont Patrick Tetzlaff. In diesem Sinne müsse das Angebot an kulturellen, gastronomischen und Freizeitangeboten erweitert werden, damit nach und nach weitere Orte der öffentlichen Begegnung entstehen könnten. Um die Förderung der Gemeinschaft ging es also nicht nur damals, sondern dieses Ziel ist das große Kontinuum bei antonius seit der Grundsteinlegung vor 120 Jahren. (pm) +++


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