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Andreas Stöcklein gut gelaunt vor der WM in Lahti - Fotos: Privat

KIRCHHEIM Mehr als ein Spitzensportler im Triathlon

Andreas Stöcklein: Top-Ehrgeiz und der Weg zur inneren Mitte

19.09.23 - Fast könnte man sagen, Andreas Stöcklein hat das erreicht, wovon viele in ihrem ganzen Leben träumen: Er ist in seiner inneren Mitte angekommen. Der Triathlet aus Kirchheim-Rotterterode erfüllt Spitzen-Aufgaben in seiner Sportart mit absolutem Ehrgeiz - ist auf der anderen Seite aber völlig bei sich. Nichts beweist diese Aussagen besser, als seine beiden letzten Wettkämpfe: die 70.3-Weltmeisterschaft im finnischen Lahti - und der Auftritt im Team des SC Neukirchen beim Twistesee-Triathlon in Bad Arolsen. . 

Schließlich ist Andreas Stöcklein jemand, der die Authentizität lebt. Die Echtheit. In jeder Situation. Einer, der nicht nur darüber spricht. Sein Persönlichkeitsbild ist rund und glaubhaft. Hier die Teilnahme an einer WM - von Olympia abgesehen, das größte Ziel eines Sportlers; da will jeder hin. Dort der Start für sein Team, in diesem Fall das des SC Neukirchen. Für Andreas war es eine Selbstverständlichkeit, dort mitzumachen. Zwei Welten. Für Stöcklein aber ist es eine. Eine, die verschmilzt. Der Kreis schließt sich. Der Kreis von Geben und Nehmen.

Auf der Strecke beim Twistesee-Triathlon

Beginnen wir mit dem Wir-Gefühl. Dem Konturen-Round-Up in der Mannschaft: dem Twistesee-Triathlon im nordhessischen Bad Arolsen. Für Andreas war es nicht nur sein letzter Wettkampf der Saison, vielmehr sagt er treffend: "Es hat am Ende nochmal gepasst. Ein schöner Saisonabschluss." Ein Bewerb über die olympische Distanz stand an: 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Rad und zehn Kilometer Laufen. Vier Starter bilden ein Team, und Andreas bemerkt nicht ohne Stolz: "Unser Team ist Erster geworden." 

Sein individueller Beitrag zum Erfolg des Teams? "Es war mein Wetter. Um die 30 Grad. Ich hab' die drittbeste Einzelzeit erreicht. Zwei Stunden und 26 Minuten." Er schiebt nach, was ihn unter Umständen beflügelte. "Meine Saisonziele hatte ich vorher schon erreicht. Der Triathlon in Bad Arolsen war ein Zubrot."

Sprung nach Lahti. Eine chaotische Woche im Vorfeld

Springen wir in die große Welt. Nach Lahti. Die Sportstadt im Norden Europas. Die 120.000-Einwohner Stadt gut 100 Kilometer nordwestlich der finnischen Hauptstadt Helsinki, am Vesijärvi-See gelegen. Eine WM stand an. Ein spezieller Wettkampf - für Andreas aber irgendwie einer wie jeder andere. Was die letzte Woche vor dem Showdown betrifft. 

Geschafft. Stöcklein ist im Ziel

Am Montag flogen die Drei nach Helsinki, übernachteten dort einmal - ehe sie drei Tage vor dem Wettkampf in einem Vorort Lahtis unterkamen. "Im Vorfeld war es für mich wieder einmal eine chaotische Phase. Zunächst ging sein Auto kaputt. Dann kam sein Radkoffer beschädigt an in Helsinki, die Schaltung am Rad war defekt. Der Höhepunkt: am Donnerstag war auch das Handy kaputt. Am Sonntag stand der Wettkampf an. Unterstützung kann man da gebrauchen - und die hatte Andreas Gott sei Dank.

"Es war gut, dass Christian Jung und Katharina Schimmelpfeng dabei waren." Jung ist sein Triathlon-Kollege, Schimmelpfeng gehört der SG Neuenstein an. Stöcklein erklärt, warum. "Sie haben alles live miterlebt. Und: Wir haben alles hingekriegt. Für alles eine Lösung gefunden. Und wir hatten trotzdem gute Laune." 

"Ich wollte meine Finisher-Medaille. Habe aber keinen Druck gespürt"

Was eine WM für eine Bedeutung im Leben eines Sportlers hat, das muss man eigentlich nicht erklären. Andreas tut es dennoch. "Ich bin da hingeflogen - und ich wollte auch meine Finisher-Medaille haben." Wer ihn kennt, der weiß auch, wie es ist, wenn seine Augen funkeln. Jeder kennt Stöckleins Ehrgeiz. Im gleichen Atemzug - und das ist kein Widerspruch, es etikettiert vielmehr sein Selbstbild - betont er: "Ich hab' da keinen Druck verspürt, dass ich da was reißen muss." Vier Stunden 51 brauchte der bald 50-Jährige.

In seiner Altersklasse wurde er 191. - von 465. "Vielleicht", so spielt er ein wenig mit seinen Gedanken, "wäre eine Platzierung 100 Plätze weiter vorn drin gewesen" - doch gleichzeitig bemerkt er: "Was die ganz vorne abreißen, das ist absolut wahnsinnig".

"Umfeld und Ambiente fand ich schon gut. Es war Stimmung an der Strecke"

Zum Stimmungsbild. Finnland, so bemerkt Stöcklein, sei für ihn zwar "kein Reiseland", es mache aber einen sehr sauberen Eindruck. Es herrsche dort nicht so viel Hektik wie in Deutschland, die Bewohner seien ein Stück weit gelassener, "das Umfeld und Ambiente fand ich schon gut".  Man habe sich keinesfalls als Fremder gefühlt und sie gut aufgenommen worden. Ihn beeindruckten die "vielen Supporter, die die Triathleten unterstützen. Es war Stimmung an der Strecke." 

Rein in den Wettkampf. "Die Veranstaltung war top organisiert. Das hatte schon ein gewisses Flair. Wenn zum Beispiel 4.000 Räder in der Wechselzone stehen." Die Startphase zog sich zwar hin, um 7 Uhr zehn gingen die Profis ins Wasser; Christian Jung gegen 7.40 Uhr, Stöcklein erst kurz vor Zehn. Im Rolling Start ging's in den Vesijärvi-See - zu zehnt gingen die Teilnehmer ins Wasser. "Beim Start gab's ein bisschen Nieselregen. Aber es war kein Wellengang." Für Andreas verlief die erste Disziplin so, "wie ich es auch vom Training her zu leisten imstande bin". 34 Minuten und 22 Sekunden lautete seine Freiwasser-Zeit.

Radfahren: Es hat richtig geschüttet. Wasserfilm. Erst top, dann ins Ländliche

Das Radfahren: eine Runde, 90 Kilometer. Die Strecke war relativ flach und wenig kurvig, 700 Höhenmeter waren zu bewältigen. "Es hat die ganze Zeit richtig geschüttet, 13 oder 14 Grad waren es - aber das hat mir nichts ausgemacht", schildert Andreas, als sei dies erst gestern gewesen. "Die Sichtverhältnisse waren weniger gut, es war ein Wasserfilm auf der Straße - und das gepaart mit Regen ... Die ersten 30 Kilometer war die Straße top. Dann wechselte sie ins Ländliche ..." Nach zwei Stunden und 26 Minuten kam er an. Zufrieden.

Die dritte Disziplin: das Laufen. Zwei Runden à zehn Kilometer. Der Regen hatte aufgehört. Aus der Halle ging es, eine Rampe hoch, ins Stadion. Eine Runde dort. Zweieinhalb Kilometer bergauf. "Dann kam man am See vorbei, wo der Start zum Schwimmen war." Die Streckenführung empfand er als gut, die Kulisse war prima. "Ich bin es solide zu Ende gelaufen". Das hieß: eine Stunde 37. Nach vier Stunden und 51 Minuten erreichte er das Ziel.

Viel Training. Viel Disziplin. Enges Zeitbudget

"Die Reise war es wert", sagte Andreas. Zeit auch, um zu bilanzieren. Seine Entwicklungsgeschichte im Triathlon ist auch eine Zeitreise. 2014 hatte er angefangen mit dem Volkstriathlon in Gershausen - sein Ziel damals: einmal eine Langdistanz zu bestreiten, um den Ironman zu finishen. "Zu der Zeit hatte ich nicht mal dran geglaubt." Diese Glaubens-Vorstellung hat er heute hinter sich gelassen. "Mit viel Training, viel Disziplin und einem engen Zeitbudget", wie er sein Leben der jüngeren Vergangenheit auf den Punkt bringt.

Atmosphärisch dicht und realitätsnah bringt er das Erlebte auf den Punkt. "Was es besonders gemacht hat: Es war eine WM. Dass die besten Sportler der Welt am Start waren. Wann hat man schon einmal die Chance zu sagen: Man war bei einer WM dabei?" Das Training auf dem Weg dorthin habe sich gelohnt. "Es gehört natürlich Glück dazu, dieses Ziel zu erreichen und zu verwirklichen. Doch das kann man sich auch erarbeiten. Es ist wichtig, Fehler - zum Beispiel die Ernährung auf der Strecke - zu vermeiden und auf den Punkt topfit zu sein. Und es sind nicht nur die drei Disziplinen - da hängt viel, viel mehr dran."

Und er schiebt noch etwas nach, das zum Nachdenken anregt. "Man muss nicht um jeden Preis gewinnen. Um besser mit Rückschlägen umgehen zu können. Der Triathlon-Sport hat schon etwas mit mir gemacht. Dass ich manche Dinge gelassener sehe. Man muss selber für sich zufrieden sein. Muss aber den Weg auch gehen."

Noch zwei Läufe - und dann ist ein Haken am Jahr 2023

Andreas Stöcklein hat seinen letzten Triathlon-Wettkampf des Jahres hinter sich. Doch so ganz abgehakt ist der Kalender in 2023 noch nicht. Die Teilnahme am Lollslauf in Bad Hersfeld steht noch an. Auch den Frankfurt-Marathon Ende Oktober hat er ins Visier genommen. Doch das Allerwichtigste: Er ist in seiner inneren Mitte angekommen.(wk) +++


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