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Mahnmal gegen das Vergessen - und zugleich Freude über die Wiedervereinigung. Daneben Kyffhäuser- und Reservistenkameradschaft Grüsselbach und Soldatenkameradschaft 1888 Fulda. - Fotos: Bernd Vogt

RASDORF/GEISA Feierstunde auf Point Alpha

Bittere Erkenntnis am Vorabend des 3. Oktober: "Aus vielen Träumen gerissen"

03.10.23 - Die Erinnerung soll wachgehalten werden. Anlässlich des inzwischen 33. Jahrestages der Wiedervereinigung lädt die Point Alpha Stiftung am Montag und Dienstag die Öffentlichkeit zu den traditionellen Festlichkeiten  ins US-Camp ein. "Wir feiern fröhlich das, was uns verbindet, ohne zu vergessen, wie wir zusammengekommen sind", hatte der Geschäftsführende Vorstand mit Benedikt Stock und Studienleiter Philipp Metzler im Vorfeld betont. Den Anfang machten am Montagnachmittag eine Kranzniederlegung und ein Festakt, der sich bis in die frühen Abendstunden hinzog. 

Prominente Gäste von Bund, Land und Kommunen beim Eintrag in Gästebuch und Goldenes ...

Festredner Rolf Nikel, Botschafter a.D., hatte so manche unbequeme Wahrheit mitgebracht. ...

An der Kranzniederlegung am Denkmal der deutschen Teilung und Wiedervereinigung wirkten die Kyffhäuser- und Reservistenkameradschaft Grüsselbach unter Leitung von Alfred Gollbach sowie die Soldatenkameradschaft 1888 Fulda unter Leitung von Jürgen Storch mit. Prominenter Festredner in der Fahrzeughalle des ehemaligen US-Beobachtungspunktes war dann Rolf Nikel, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und von 2014 bis 2020 Botschafter in Warschau.

Gekommen an diesem herrlichen Spätsommerabend des 2. Oktober waren viele Ehrengäste, darunter Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker aus Hessen und Thüringen. Für den musikalischen Rahmen sorgte das Jugendblasorchester der Musikschule des Wartburgkreises unter Leitung von Christoph Pimpl, das unter anderem mit dem Standard "Fly me to the moon" zum Träumen anregte. So empfand dies zumindest der frühere Botschafter Rolf Nikel, der seine Zuhörer dann freilich aus allen Träumen riss und mit der rauen Wirklichkeit des Jahres 2023 konfrontierte.  Nikel arbeitete unter Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel in der außen- und sicherheitspolitischen Abteilung des Kanzleramtes, zeitweise als stellvertretender Leiter. 

Putins "Rachegelüste"

Kranzniederlegung am Denkmal der deutschen Teilung und Wiedervereinigung. ...

Nach der Kranzniederlegung stilles Gedenken an die Opfer des DDR-Unrechtssystems. ...

Sehr viele Menschen wohnten anschließend dem Festakt mit Vortrag bei. ...

Mit dem kriegerischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 habe Russland jegliches Vertrauen verloren, auf Jahre hinaus gebe es keine Hoffnung auf konstruktive Zusammenarbeit. "Und wir sind aus all' unseren Träumen gerissen worden", so Nikel, der Wladimir Putin "Rachegelüste für die Auflösung der russischen Föderation" unterstellte.

Die Bundesrepublik müsse nun vier bittere Lehren ziehen: Unter anderem würden wir mit einer Wirtschaftskrise konfrontiert sowie mit der Tatsache, dass unsere Außen- und Sicherheitspolitik viel zu kurzsichtig gewesen sei. Zudem befänden wir uns in einer fatalen Abhängigkeit von vermeintlich alternativlosen russischen Energielieferungen und müssten erkennen, dass die deutsche Ost- und Energiesicherheitspolitik gescheitert sei. "All' diese Fehler müssen strukturiert aufgearbeitet werden", so der ehemalige Botschafter, der vor Kurzem gegenüber dem "Spiegel" unter anderem eine Enquete-Kommission des Bundestages empfohlen hatte, um sich mit der  Russlandpolitik der vergangenen Jahrzehnte auseinanderzusetzen.

Der  Top-Diplomat im "Spiegel": Ihm gehe es nicht um individuelle Schuldzuweisungen. "Es war ein systemisches Versagen. Wir waren naiv und viel zu optimistisch in unseren Annahmen. Wir glaubten, die negative Entwicklung in der russischen Innenpolitik von der wirtschaftlichen Kooperation trennen und die russische Politik beeinflussen zu können". 
 

Grußworte

Regierungspräsident Mark Weinmeister.

Ministerialdirigent Ulrich Grünhage.

US Army-Major Eric Kirsch.

Der Ukraine-Krieg dominierte auch die vorangegangenen Grußworte. So appellierte Jürgen Hahn, Bürgermeister der Point Alpha-Gemeinde Rasdorf, daran, dass der  Kalte Krieg niemals in Vergessenheit geraten dürfe. "Wir müssen unsere Lehren aus der Geschichte ziehen", forderte er. Bei den anstehenden Wahlen am 8. Oktober hoffte er "auf stabile Mehrheiten jenseits der Extremen".
Kassels Regierungspräsident Mark Weinmeister erinnerte daran, dass der Westen bei den Vorgängen 1953 in der DDR, 1968 in der CSSR und 1981 in Polen ohnmächtig habe zuschauen müssen. Nun aber liege es angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine  an uns, aktiv zu helfen. In der Bundesrepublik gebe es eine offene Gesellschaft mit klaren Regeln, "und das müssen wir gegen Angriffe von links und rechts verteidigen".  
Ulrich Grünhage, Ministerialdirigent der Thüringer Staatskanzlei, betonte wörtlich: "Der Ukraine-Krieg. Es ist zum Verzweifeln". Die Menschen dort benötigten all' unsere Unterstützung, denn sie verteidigten auch die Freiheitswerte der westlichen Welt.  Und er erinnerte an den 22. Juni 2023, als in Gerstungen die  sterblichen Überreste von insgesamt 60 sowjetischen Kriegsgefangenen endlich ihre letzte Ruhe gefunden hätten. 
Eric Kirsch, Major der US Army, trug die Rede des verhinderten Brigade-Generals Ray C. Phariss vor und erinnerte an das in Fulda stationierte "Black Horse"-Regiment, das an Point Alpha Frieden und Freiheit geschützt habe. Das so genannte "Fulda Gap" sei eine bedrohliche Lücke gewesen, die dank der US Army habe abgedeckt werden können. "Hier, an diesem Ort, stand die erste Verteidigungslinie gegen mögliche russische Aggressoren", so der Major. 

MP Rhein zum 3. Oktober

Fuldas Landrat Bernd Woide.

Rasdorfs Bürgermeister Jürgen Hahn.

Interessierte Zuhörer des Festaktes.

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hat die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 im Vorfeld als " Meilenstein der deutschen und europäischen Geschichte" bezeichnet. "Die deutsche Einheit markiert nicht nur das Ende einer schmerzhaften Zeit der politischen und ideologischen Teilung, sondern sie steht auch für die Hoffnung auf Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa. Sie ermöglichte es den Deutschen in Ost und West, nach Jahrzehnten der Trennung als Nation wieder zusammenzufinden und eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Die Wiedervereinigung ist am Ende auch deshalb gelungen, weil mutige Menschen gegen das sozialistische Unrechtsregime in der DDR aufbegehrt haben. Es ist unser aller Pflicht, an diesen mutigen und gewaltlosen Freiheitskampf zu erinnern", sagte Rhein am Montag.

Und das wird am Feiertag auf Point Alpha geboten

Am "Tag der Deutschen Einheit", 3. Oktober, übernimmt Superintendent Christoph Ernst vom Kirchenkreis Bad Salzungen-Dermbach die Festpredigt beim Ökumenischen Gottesdienst um 11 Uhr. Das Thema lautet "Kirche und politischer Protest". Ihm zur Seite stehen als Konzelebranten Dechant Markus Blümel und Pater Binesh Mangalan aus Eiterfeld, Pfarrer Roland Jourdan aus Vacha sowie Pfarrer Harald Krüger aus Hohenroda. Für die musikalische Umrahmung sorgt die Stadtkapelle Geisa unter der Leitung von Stephan Nimmich.

Im Anschluss öffnen im US Camp die Buden und Stände für den Familientag mit einem kleinen Rhöner Regionalitäten-Markt. Für Speisen und Getränke ist gesorgt, die musikalische Unterhaltung übernehmen die Stadtkapelle Geisa und der Motzlarer Musikverein. Für die Kinder ist jede Menge Spaß garantiert. Ideale Voraussetzungen also für einen Feiertags-Ausflug mit der ganzen Familie in den authentischen Geschichtsort.

Das "Geschichtsmobil"

Erstmals wird am Familientag auch das so genannte "Geschichtsmobil" ins US Camp anreisen. Dieses ist am 4. Oktober, von 12 bis 16 Uhr, auch auf dem Universitätsplatz in Fulda zu sehen. Die mobile Ausstellung "Neun Monate, drei Systeme, Millionen Schicksale" zeigt die persönlichen Erfahrungen der thüringischen Bevölkerung unter der NS-Herrschaft sowie der amerikanischen und sowjetischen Besatzung zwischen Januar und September 1945. Dr. Luick-Thrams wird zudem einen Vortrag "Eine Nation, zwei Wege: Deutsche Gesellschaften 1945 bis heute"  am 4. Oktober  um 19 Uhr im Vonderau Museum halten.   (Bertram Lenz) +++


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