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Bürgermeister sehen Brandschutz in Gefahr: Resolution soll Umdenken bewirken
03.10.23 - "Die Feuerwehren leisten in unseren Städten und Gemeinden insbesondere im ehrenamtlichen Bereich einen wesentlichen Beitrag weit über den Brandschutz hinaus. Auch zur Stärkung der gesellschaftlichen Strukturen in unserer aller Ortsteile sind sie nicht wegzudenken", schreiben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis Hersfeld-Rotenburg.
Diese Wertschätzung wird der Adressat der Resolution sicher teilen. In diesem vom Vorsitzenden Bürgermeister Thomas Rohrbach (Niederaula) übersandten Schreiben an den Ministerpräsidenten Boris Rhein geht es im Kern jedoch um die Finanzierung von Feuerwehrgerätehäusern. Immer, wenn sich der technische Prüfdienst ankündigt, dann werden die Listen der Mängel länger und länger. Die Standards können oftmals lediglich mit einem Neubau eingehalten werden. Und das kostet, gerade in Zeiten der Inflation. Deshalb sollen die Vorgaben zumindest genauer in Augenschein genommen hinsichtlich ihrer Notwendigkeiten immer und überall.
"Wir wissen auch, dass dezentrale Strukturen teuer sind"
"Wir wissen auch, dass dezentrale Strukturen teuer sind. Gerade die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung stellt die Kommunen vor zusätzliche Herausforderungen. Neben den einhergehenden Baukostenexplosionen, müssen auch für die rapiden Zinssteigerungen Lösungen gefunden werden", schreiben die Rathauschefs in einem vom Vorsitzendenden der Bürgermeisterdienstversammlung im Landkreis Hersfeld-Rotenburg unterzeichneten Resolution.
In Philippsthal (Werra) wurde gerade ein Neubau eingeweiht. Im Vorfeld wurden 3,5 Millionen Euro Kosten kalkuliert, vom Land Hessen gibt es 400.000 Euro. Oft werden diese Förderbescheide vom zuständigen Minister oder einem Staatssekretär medienwirksam übergeben - egal von welcher politischen Farbe auch immer. Neben Philippsthal (Werra) stehen in naher Zukunft im Landkreis Hersfeld-Rotenburg Neubauprojekte unter anderem in Niederaula, Ronshausen und Bebra an. Nicht, weil die dortigen Feuerwehren gerne bauen, sondern weil sie müssen. Im Kern ist die Infrastruktur Aufgabe der Kommunen, das Land muss hier nicht fördern. Hesses tut es.
"Was nämlich wären viele kleine Ortsteile ohne ihre Feuerwehren?"
"Wir als Verantwortungsträger unserer Städte und Gemeinden befürworten ausdrücklich die dezentralen Feuerwehrstrukturen. Was nämlich wären viele kleine Ortsteile ohne ihre Feuerwehren? Neben der Schwächung des Brandschutzes, würde auch ein wesentlicher gesellschaftlicher Motor ohne diese Strukturen vielerorts wegfallen. Wir stellen uns die Frage, ob aber nicht ein großer Teil dieser Teuerung vermeidbar ist. In unserem Landkreis müssen Feuerwehrstützpunkte für viel Geld neu erbaut werden. Einige davon sicher zu Recht, um die Sicherheit unserer Feuerwehrkameradinnen und -kameraden zu erhöhen. Auch das hat im Übrigen für uns vorderste Priorität", schreiben sie weiter.Ihnen ist klar, dass vom Land keine vollständige Finanzierung möglich ist. Aber bei den Standards kann nach Meinung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister genauer geschaut werden. "Auflagen, sogenannte Standards des Landes und des Bundes dienen da nämlich eher als Verteuerungsinstrument denn zur allgemeinen Sicherheit. Diese müssen genauer hinterfragt werden. Auch unter dem Aspekt, dass Berufsfeuerwehren in größeren Städten mit Sicherheit nicht mit den kleinen Ortsteilwehren im ländlichen Raum vergleichbar sind. Hier wäre aus unserer Sicht eine getrennte Betrachtung der Berufsfeuerwehren und der Freiwilligen Feuerwehren im ländlichen Bereich sinnvoll, um den mitunter doch unterschiedlichen Ansprüchen, welche sich allein schon aus der Größe der entsprechenden Brandschutzgebiete ergeben, Rechnung tragen zu können, die Sicherheit der Einsatzkräfte in vollem Umfang individuell gewährleisten zu können und gleichzeitig die finanzielle Belastungsgrenze der einzelnen Städte und Kommunen mitzuberücksichtigen."
Bei Standards unterscheiden
Die Rathauschefs werden deutlich: "Wir fordern Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Rhein und die Mitglieder des hessischen Landtages dazu auf, die Standards auf ihre finanzielle Realisierbarkeit auch im ländlichen Raum zu überprüfen. Hier lassen sich sicherlich einige Kosten sparen." Sie nennen ein Beispiel: "Es macht doch zum Beispiel keinen Sinn, für die bestehenden Feuerwehrgerätehäuser Sanitäreinrichtungen vorzuschreiben, wenn sie vor Ort von den Nutzern, unseren Feuerwehrkameradinnen und -kameraden, nicht gewollt und nach Installation genutzt werden. Die Pflege und Instandhaltung aber kostet nicht nur Zeit (in der Regel ehrenamtliche), sondern auch viel Geld. Noch bedenklicher ist es, wenn aus Platznot dafür millionenschwere Neubauten erwirkt werden müssen. Wir sehen uns nicht mehr imstande, das alles zu bezahlen."Abschließend schreiben sie: ""Wer die Musik bestellt, der muss sie bezahlen." lautet ein sicher bekanntes Sprichwort. Wir Kommunen wollen unserer Verpflichtung gegenüber unseren Feuerwehrkameradinnen und -kameraden nachkommen. Die gesetzlichen Vorgaben bzw. die uns auferlegten einheitlichen Standards für alle Feuerwehren, erschweren dieses jedoch von Jahr zu Jahr mehr. Daher bitten wir neben der Anpassung der gesetzlichen Standards um kritische Überprüfung der Fördermodalitäten. Hierbei sollte die getrennte Betrachtung von Berufsfeuerwehren und Freiwilligen Feuerwehren, wie zuvor erläutert, mit in Betracht gezogen werden."
Die Resolution wurde laut Rohrbach Anfang September dieses Jahres an den Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) übersandt. Bislang haben sie keine Reaktion aus der Staatskanzlei erhalten. (hhb) +++