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"Man kann nicht nicht politisch kommunizieren"
04.10.23 - Der 3. Oktober ist der wichtigste Feiertag in Deutschland, weil er an ein großartiges Ereignis erinnert: die Wiedervereinigung. Es ist ein Tag, um zu danken und zu beten. Besondere Symbolkraft für dieses Wunder hat Point Alpha. "Es sind kirchliche und zugleich politische Erfolgsgeschichten des Protests gegen die Missstände in dieser Welt.
Geschichten von Talenten, die sich entfalten in gelebter Nächstenliebe und im Einsatz für die Menschenwürde derjenigen, die Hilfe bedürfen", hob Superintendent Christoph Ernst in seiner Festpredigt am "Tag der Deutschen Einheit" im US Camp der Gedenkstätte hervor. Der Ökumenische Gottesdienst stand unter dem Thema "Die Kirche und der politische Protest".
Was hat Kirche überhaupt mit Politik zu tun? "Darüber kann man trefflich streiten und man wird für die je eigene Überzeugung auch hinreichend biblische Belege finden", meinte der Superintendent. Also, Kirche und politischer Protest – eine Fehlanzeige? "Nein!". Wir säßen heute nicht hier, wenn die Kirchen in der Wendezeit still geblieben wären, nicht ihre Räume geöffnet hätten oder sich auch mutige Menschen in den Kirchen und Kirchenleitungen gegen ein diktatorisches System aufgelehnt hätten. Und das schon lange vor 1989, als sich Oppositionelle konspirativ in den leider auch oft stasiinfiltrierten Gotteshäusern trafen.
Christen mischten sich immer ein, stellte Ernst fest, und erweiterte eine Aussage von Paul Watzlawik in dem er formulierte: "Man kann nicht nicht politisch kommunizieren." Bei jeder Äußerung oder Nicht-Äußerung brächte man sein persönliches Wertesystem oder seinen ganz individuellen Glauben mit ein. Christen benennen die Dinge, die politisch oder in der Gesellschaft nicht in Ordnung sind beim Namen. Die Würde des Menschen sei dabei unantastbar, für alle. Genau deswegen könne er dumpfen Parolen wie "America first" oder "Unser Land zuerst" nicht seine Stimme geben. "Nutzen wir die Talente und Begabungen, die wir haben, nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere. So wie es Diakonie und Caritas aus dem Gebot christlicher Nächstenliebe vormachen", forderte der Festprediger. "Und vielleicht ist das ja gerade politisch und der wirksamste Protest gegen Missstände in der Gesellschaft."
An seiner Seite hatte Ernst als Konzelebranten Dechant Markus Blümel und Pater Binesh Mangalan aus Eiterfeld, Pfarrer Roland Jourdan aus Vacha sowie den Theologie-Studenten Marcel Krawietz. Für die Lesung war die Point-Alpha-Mitarbeiterin Katrin Werth zuständig. Für die musikalische Umrahmung sorgten die Stadtkapelle Geisa unter der Leitung von Stephan Nimmich sowie Sänger und Keyboarder Ariel Arnhold, der das Publikum in der vollbesetzten Halle des US Camp zum Mitsingen und Mitschnipsen zu lateinamerikanischen Rhythmen animierte.
Zum Auftakt hatte Benedikt Stock, Geschäftsführender Vorstand der Point Alpha Stiftung, die Besucher in der vollbesetzten Fahrzeughalle begrüßt, darunter die Stiftungsratsmitglieder - Landrat Reinhard Krebs aus dem Wartburgkreis, den Thüringer Landtagsabgeordneten Martin Henkel sowie Rasdorfs Bürgermeister Jürgen Hahn. Stock stellte noch einmal die Dankbarkeit für 33 Jahre Deutsche Einheit heraus. Mit den Einnahmen der Kollekte würde die Jugendarbeit der Lichtbergschule Eiterfeld unterstützt. Zu gleich bedankte er sich bei allen Mitwirkenden und Helfern.
Familientag am authentischen Geschichtsort
Im Anschluss fiel der Startschuss für einen bunten Familientag am authentischen Geschichtsort. Erstmals dabei war das "Geschichtsmobil". Die mobile Ausstellung "Neun Monate, drei Systeme, Millionen Schicksale" zeigte die persönlichen Erfahrungen der thüringischen Bevölkerung unter der NS-Herrschaft sowie der amerikanischen und sowjetischen Besatzung zwischen Januar und September 1945. Der aus Iowa stammende Dr. Michael Luick-Thrams beschäftigt sich intensiv mit der Aufarbeitung der deutschen Kriegsgeschichte(n) und dem Verhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Am "history mobil" lud er die Besucher ein, mit ihm eine transformative Geschichtsreise zu wagen, um am Ende mit neuer Perspektive in die Zukunft zu blicken.
Im US Camp öffneten die Buden und Stände für einen kleinen Rhöner Regionalitäten-Markt. Die Standbetreiber hatten unterschiedliche lokale Spezialitäten und Produkte im Angebot. Leckeres aus der Gulaschkanone und vom Grill sowie Getränke servierte die Freiwillige Feuerwehr Geisa.
Die musikalische Unterhaltung lag in den Händen der Stadtkapelle Geisa und des Musikvereins Motzlar. Auch die Kinder hatten jede Menge Spaß: Mädchen und Jungen sprangen ausgelassen auf der Hüpfburg und der Circus Ikarus lockte mit weiteren spannenden Spielen.
Es war viel los in der Gedenkstätte. Die Kennzeichen der Autos auf den Parkplätzen verrieten, das Leute aus allen Teilen der Republik angereist waren. Und tausende Gäste nutzen am "Tag der Deutschen Einheit" natürlich die Möglichkeit, um sich in den musealen Ausstellungen im Haus auf der Grenze, in den US-Baracken, auf dem "Weg der Hoffnung" und an den Grenzsperranlagen zu informieren. (pm) +++