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Stefan Kontowski auf dem Sprung - Fotos: privat

KOMMENTAR Menschen als Ware

Lasst den Fußball Fußball sein - gefährliche Tendenzen unserer Gesellschaft

27.10.23 - Fußball, so sagt man, sei ein Abbild der Gesellschaft. Passt. Und auch die Tatsache, dass die Kluft zwischen der Basis und "denen da oben" immer größer wird - das prägt die Entwicklung der deutschen Gesellschaft gar. Nehmen wir den Groundhopper Stefan Kontowski, der seine Leidenschaft seit etwa einem Vierteljahrhundert mit viel Herz betreibt. Seit fast zehn Jahren hat er sich dem Amateurfußball zugewandt. Hier, wo das Herz noch zählt. Und nicht das große Geld.

Mögen manche - vermutlich ist es die breite und große Masse - Kontowskis Engagement der Fußball-Romantik zuordnen, der Nostalgie und dem nicht (mehr) Zeitgemäßen. Der 45-Jährige fährt Sportplätze an. Freut sich an Barrieren, die in die Jahre gekommen, nicht mehr ganz so frisch, bisweilen heruntergekommen und dem Verrosten nahe sind, an Utensilien, die aus der Vergangenheit hinübergerettet wurden - die aber das Fußall-Leben in unteren Ligen ausmachen. Und die - das ist das Allerwichtigste - helfen, noch immer den Spielbetrieb aufrechterhalten. Kontowski spürt Fußball. So ist es an der Basis. Er ist einer von uns.

Nehmen wir weiterhin an, ich schlage mich auf seine Seite. Mögen noch ein paar mehr sagen, du bist ein Träumer. Mag sein. Damit kann ich leben. Aber: Ich bin nicht der Einzige. Und zu dieser Gruppe gehören mehr, als man denkt. Es geht weniger darum, an Dingen festzuhalten, die im heutigen (Fußball-)Leben nicht mehr aktuell sind. Nicht mehr reinpassen in die moderene Welt. Es geht darum, Dinge realistisch einzuordnen und sich nicht "Einflüsse von oben" überstülpen zu lassen. Denn das passiert seit geraumer Zeit. Übermannt und überrollt zu werden. Das deutsche Volk kennt das. Sind das nicht gefährliche Tendenzen? Oder irre ich mich da?

Verhaltensmuster zum In-die-Hände-Klatschen - Menschen als Ware

Wenn Verbände - wie der Hessische Fußball-Verband - fast seit Jahrzehnten herkommen und von Vereinen von der Basis übertriebene Gelder kassieren für Pass-Anträge, Bestrafungen oder ähnliches mehr? Wenn sie zudem den Spielbetrieb, auch was die Anzahl von Absteigern angeht, nicht eben wirklichkeitsnah gestalten? Im Gegenzug stoßen sie Reformen an, wie die aktuelle im Kinder- und Juniorenfußball - und alle klatschen in die Hände. Klopfen sich auf die Schenkel. Doch in ein paar Jahren sprechen wir uns wieder. Und wie war das nochmal: Ist Gewinnen und Verlieren nicht ein Verhaltensmuster gerade unserer Gesellschaft?

Nehmen wir die Berichterstattung - zu der ich auf lokaler Ebene auch gehöre. Doch landet das, was wir tagtäglich im TV an uns vorbeiziehen lassen und das in sozialen Medien zudem rüberschwappt, nicht immer mehr an der Basis? Von fehlendem Respekt Trainern und damit Menschen gegenüber ganz zu schweigen - die Schlagzeile zählt, auch wenn sie falsch oder diskussionswürdig ist. Vor wenigen Tagen fragte doch allen Ernstes ein Reporter den Bremer Spieler Bittencourt, der auf dem Spielfeld einen alltäglichen Dissens mit seinem Mitspieler Schmid hatte, ob davon etwas zurückgeblieben sei. Es sollte im Papierkorb in meinem Kopf landen - doch es ist mir nicht gelungen. Ja, Menschen. Die werden oftmals ausgetauscht. Und kommen als Ware daher.

Jeder möchte ein Stück vom Unterhaltungs-Kuchen anhaben

Das Problem: Jeder möchte ein Stückchen vom Unterhaltungs-Kuchen Fußball abhaben. Dem Konsumenten fällt es immer schwerer, sich zu entscheiden: Was ist mir überhaupt wichtig? Was machen "die da oben" mit mir? Was lasse ich mit mir machen? Ja klar, da geht es um Geld. Um viel Geld. Soviel, dass es kein normaler Mensch mehr nachvollziehen kann. Schließlich sind wir im Profi-Sport. Nur: Tendenzen und Reflexe kommen zunehmend unten an. An der Basis. Und da reagieren viele mit ähnlichen Mechanismen. Natürlich konsumiere auch ich, soweit es eben geht, Berichte über meinen Lieblingsverein - und kenne allwöchentlich die Ergebnisse bis zur U12 hinunter.

Fragwürdig wird es, wenn Hintergrund-Formate in den lokalen Bereich implantiert werden. Willkommen in der Welt der Selbstdarsteller. Die Zahl derer wird immer größer. Und die Frage, ob es dabei immer um Sport geht, muss erlaubt sein. Klar, die Person - wenn es gelingt, eine Persönlichkeit - soll nahe und nähergebracht werden. Eine hübsche Idee. Dabei hört man auf dem Dorf immer mal: Wir suchen einen Torwart. Weißt du keinen? Wir suchen einen Stürmer. Weißt du keinen? Beteiligte des Profifußballs - wo diese unsägliche Handspiel-Regel den Fußball kaputtmacht und ihm seiner Seele beraubt - betonen, wenn es um hohe Ablösesummen geht, der Markt sei überhitzt. Viele wissen das. Viele sind davon überzeugt. Niemand will es so recht wahrhaben. 

Drei wesentliche Vereins-Säulen: Helfer, Finanzen, Nachwuchsarbeit

Da halte ich es lieber mit dem Kosmos auf dem Dorf. Wie die Kicker an der Basis ticken. Wie die Vereine. Sicher ist auch hier Geld im Spiel - und das wird nicht weniger. Doch gesunder Menschenverstand sollte auch hier vorrangig sein: Stehen noch genügend Helfer zur Verfügung? Kann ich auf mich auf Mit-, auf Teamarbeit stützen? Stimmen die Finanzen einigermaßen? Habe ich eine Haupt-Einnahmequelle, mit der ich als Verein überleben kann? Stimmt die Nachwuchsarbeit? Kommt es einem Beinbruch gleich, wenn eine Altersklasse mal nicht besetzt ist? Die Perspektive muss gegeben sein. Trainer und Betreuer müssen da sein. Oder rekrutiert werden. In Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat, gab es eine Schüler- und eine Jugendmannschaft. Wie schön. 

Und wenn es keine Vereine mehr gäbe in der ländlichen Region - armes Deutschland. Vereine überhaupt, Fußball-Vereine im Besonderen. Das Leben wäre arm. Kalt. Soziales Miteinander würde fehlen. Soziale Kälte und Isolation kämen auf. Nichts mehr - oder sehr wenig - mit gesellschaftlichen Werten. Doch wo sind die wirklichen Impulse, die dem entgegenwirken? Keine sogenannten Ehrenamts-Reflexe, die von zwölf Uhr bis mittags reichen. 

Und nach alldem halte ich es mit dem Groundhopper Stefan Kontowski. Der muss die Seele des Fußballs spüren, ich das Gras riechen. Das könnten Werte des Ursprungs sein. Werte, mit denen wir leben - eine Welt, in der wir leben. Doch halten wir es mit einer Person, die berühmter ist als wir. Die sagte: Manche merken nur, dass sie nass werden. Andere spüren, dass es regnet. Lasst den Fußball einfach Fußball sein. Alles andere sind gefährliche Tendenzen. (Walter Kell) +++


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