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Bei der Podiumsdiskussion Suizid Fulda (v.l.n.r.): Priv.-Doz. Dr.Dr. Kai Witzel, Prof. Dr. Reinhard Lindner, Cornelia Kaminski, Michael Brand, Rainer Beckmann und Prof. Dr. Gerhard Stanke. - Foto: privat

FULDA Podiumsdiskussion zur Suizidprävention

Autonomie darf den Schutz des Lebens nicht ausklammern

26.10.23 - In der Aula der theologischen Fakultät in Fulda diskutierten Vertreter der Medizin, Politik, Jura und Theologie über Suizidprävention – und übten teils deutliche Kritik am Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid.

Fotos: Bistum Fulda

"Dieses Urteil des Verfassungsgerichts zum assistierten Suizid hat viele Organisationen schockiert, die sich mit dem Suizid beruflich befassen – Ärzteverbände, Psychiaterverbände, das Nationale Suizidpräventionsprogramm, Pflegeverbände", so Michael Brand (MdB) in seinem Eingangsstatement am vergangenen Samstagabend. Dies nicht nur, weil damit ein Gesetz als verfassungswidrig erklärt wurde, dessen Autor Brand selber maßgeblich war, und das eine breite, fraktionsübergreifende Mehrheit im Parlament gefunden hatte, sondern auch, weil es von einem Autonomiebegriff ausgeht, der so nicht tragfähig sei. "Die Autonomie eines Menschen kann man nicht absolut setzen, denn niemand lebt für sich allein", so Brand. Von den Einflüssen anderer unabhängig zu sein, habe mit der realen Welt nichts zu tun. Autonomie und Lebensschutz dürften nicht voneinander getrennt werden, weil es unbedingt gelte, auch die Autonomie desjenigen zu schützen, der schwach sei und von anderen unter Druck gesetzt werde.

In seinem Einführungsvortrag hatte Priv.-Doz. Dr. Dr. Kai Witzel, der im Namen des Rektors der Fakultät, Prof. Cornelius Roth, und Bischofs Michael Geber die Anwesenden begrüßt hatte, bereits darauf hingewiesen, dass zwar Suizid eine hauptsächlich männliche Angelegenheit sei, der assistierte Suizid jedoch häufiger von Frauen als von Männern in Anspruch genommen werde, und als Grund für den Wunsch zur Selbsttötung häufig genannt werde, man wolle niemandem zur Last fallen. "Jeder Mensch, der sich das Leben nimmt, hinterlässt durchschnittlich 135 betroffene Personen", so Witzel weiter, der damit die große gesellschaftliche Dimension des Problems verdeutlichte.

Dass dringender Handlungsbedarf besteht, um die Zahlen zu reduzieren – in Deutschland kommt es jährlich zu circa 100.000 Suizidversuchen, davon sind circa zehn Prozent erfolgreich – erläuterte eindringlich Prof. Reinhard Lindner, Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, und führte aus, Suizidalität sei nicht grundlos. Verluste, Trennungen, Kränkungen könnten vielmehr den Wunsch zur Selbsttötung auslösen, vor allem aber auch die Angst davor, in eine Abhängigkeitssituation zu geraten von Menschen, die einem nicht wohlgesonnen seien. Jeder von uns habe schon eine solche Situation erlebt, erwäge deswegen aber nicht, sich das Leben zu nehmen. Menschen in existentieller Not, die den Arzt fragen: "Herr Doktor, haben Sie eine Pille für mich?" stellten diese Frage eben nicht, weil sie ihn damit auffordern wollten, eine Tötungsdienstleistung zu erbringen, sondern signalisierten damit ihre Not und ihren Gesprächsbedarf.

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 2020 werde Menschenwürde und Selbstbestimmung gleichgesetzt, so Rainer Beckmann in seiner Stellungnahme. Die Selbsttötung sei demnach letzter Ausdruck von Würde – Menschenwürdeverwirklichung. Dass dies so formuliert werden würde, habe niemand erwartet, so der Jurist und Medizinethiker aus Würzburg. Es stelle den Gesetzgeber, der ja dazu aufgerufen sei, auch das Leben derjenigen zu schützen, die krank und verzweifelt seien, vor ein nahezu unlösbares Dilemma.

Die theologische Haltung, die sich über die Jahrhunderte gewandelt habe, erläuterte Prof. Gerhard Stanke. Er betonte die wichtige seelsorgerliche Dimension der Suizidprävention. Es sei Aufgabe der Kirche, unverrückbar an der Seite derjenigen zu stehen, die in der Selbsttötung einen Ausweg aus ihrer Lage sehen, und ihnen eine Brücke zurück ins Leben zu bauen.

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