Archiv
"Leute müssen sich ihrer Verantwortung gegenüber Tieren bewusst werden"
22.11.23 - "Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken". Dies sagte einst Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph und Hochschullehrer. - Es ist unfassbar, wie schlimm die Situation für Tierheime im Moment ist. Und auch in unserer Region werden jeden Tag Tiere ausgesetzt und ihrem Schicksal überlassen. Die Kapazität der Tierheime nähert sich langsam der Belastungsgrenze. Soll/Darf das so weitergehen?
OSTHESSEN|NEWS hat sich nach der Situation ausgesetzter Tiere erkundigt und war dabei im Gespräch mit der stellvertretenden Tierheimleitung von Fulda-Hünfeld, Melanie Hack, und der Inhaberin der Hundeschule Nemeth, Barbara Nemeth-Heil.
"Tiere werden mittlerweile 'leichter' abgegeben"
Es hat den Anschein, dass im Moment stark vermehrt Tiere abgegeben oder gar ausgesetzt werden. Um ein schlimmes Beispiel zu nennen: Erst vor kurzem berichtete O|N über einen Hund, der über einen Zaun in das Tierheim Lauterbach geworfen worden war.Verschiedene Gründe würden dazu führen, dass sich Menschen scheinbar nicht mehr in der Lage fühlen, dem Tier gerecht zu werden. "Leider muss ich feststellen, dass derzeitig Tiere 'leichter' abgegeben werden", so die stellvertretende Tierheimleitung Melanie Hack im Gespräch mit O|N.
Sie könne sich vorstellen, dass die Gründe meist finanziell oder gesundheitlich bedingt seien, es passiere jedoch auch immer wieder, dass Tiere aufgrund von Alter oder Krankheiten abgegeben werden. Hinzu komme erschwerend, dass die Tierarztkosten enorm gestiegen und viele eben nicht mehr dazu bereit seien, diese hohen Kosten zu stemmen. "Jeder hat eben seine Gründe", findet Hack.
Überforderung spielt laut Barbara Nemeth-Heil, Inhaberin einer Hundeschule, auch eine große Rolle dabei. "Vielen ist nicht bewusst, wie lange die Verantwortung für ein Haustier eben geht", sagt sie im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS.
"Die Katzensituation ist mit das größte Problem"
Zu all den derzeit schon herrschenden Problemen kommt, dass die Katzensituation im Tierheim momentan sehr bedenklich ist. "Die Fundtierzahl bei Katzen geht ins Unermessliche. Zusätzlich sind viele davon nicht kastriert", erzählt Hack. Die meisten Katzen würden zudem in einem sehr schlechten Zustand im Tierheim ankommen und in den meisten Fällen sogar ein Verschnupfen oder andere Krankheiten aufweisen.Die Tiere aufzupäppeln, sei ein riesengroßer Kostenfaktor, den das Tierheim durch die Abgabegebühren allein einfach nicht stemmen kann. "Wir versuchen, alle Tiere aufzunehmen, aber irgendwann ist es eben nicht mehr möglich, noch mehr aufzunehmen", so Hack. Irgendwann sei die Grenze einfach erreicht.
Derzeitig gibt das Tierheim jeweils etwa 25 bis 30 Hunden und Kaninchen und circa 100 Katzen eine Heimat. "Es ist eine Flut ohne Ende, der man gar nicht mehr Herr wird", findet Hack.
"Das Wohl jedes Tieres steht an oberster Stelle"
Bewiesen ist, dass abgegebene oder ausgesetzte Tiere sehr leiden. Sie sind Wesens-verändert, sehr verunsichert und stark traumatisiert. "Es ist wichtig, viel Zeit und Geduld mit den Tieren zu haben", empfiehlt die stellvertretende Tierheimleiterin.Zudem empfindet sie es als besonders wichtig, dass sich Menschen ihrer Verantwortung gegenüber Tieren bewusst werden. "Das Wohl jedes Tieres steht an oberster Stelle. Deswegen versuchen wir immer, eine gemeinsame Lösung für Mensch und Tier zu finden", so Hack.
"Starke Charaktere brauchen starke Menschen"
Unter den abgegebenen Tieren würden sich viele befinden, die eher schwieriger im Umgang sind. "Tiere, die einen sehr starken Charakter haben, werden leider eher abgegeben. Die Menschen sind einfach zu überfordert mit ihnen", sagt Hack.Zudem würden sich Menschen Tiere anschaffen, denen sie nicht gerecht werden können - sei es aufgrund von fehlender Zeit oder mangelnden Interesses. Der Prozess im Umgang mit schwierigen Fällen kann dabei unterschiedlich lang andauern - es können Wochen, Monate oder gar Jahre vergehen. "Ein starker Charakter braucht starke Menschen", findet Hack. Und das dauere eben seine Zeit.
Barbara Nemeth-Heil empfiehlt, ganz viel Sicherheit, Führung, Verantwortung und Schutz zu vermitteln. "Ein Tier muss unbedingt vertrauen können", betont sie.
Eine gute Kommunikation ist ein wesentlicher Schlüssel
Die Inhaberin der Hundeschule rät abschließend dazu, sich vor einem Tierkauf erst einmal genauer zu informieren, welche Rasse individuell am besten passt. Sie findet, dass eine gute und positive Erziehung ausschlaggebender Punkt für die Entwicklung eines Tieres ist.
"Das Tier sollte immer den Menschen im Hintergrund haben", findet Barbara Nemeth-Heil. Dazu weist sie auf eine gute Kommunikation hin, die ein wesentlicher Schlüssel für eine gelingende Beziehung ist.
Bei Fragen kann man sich immer an das nächstgelegene Tierheim oder an den Tierschutzverein wenden. Der Appell der beiden Expertinnen: "Bedenken Sie, dass Tiere Lebewesen mit Gefühlen sind. Sie auszusetzen und ihrem Schicksal zu überlassen, sollte keine Option darstellen. Egal aus welchen Gründen auch immer". (Julia Schuchardt) +++