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Trotz anderer Symptome auch in Deutschland eine häufige Todesursache
19.11.23 - Beim Herzinfarkt denken sowohl Laien als auch Mediziner in der Regel an Beschwerden, die sich mit stechenden Schmerzen oder einem dumpfen Druck in der Brust bemerkbar machen, und zumeist in den linken Arm ausstrahlen.
Doch ist es so einfach? Diese Frage stellen sich Forscherinnen und Forscher, die sich mit geschlechtsspezifischer Medizin befassen. Die sogenannte Gendermedizin ist ein noch junger Forschungsbereich in der Medizin. Pioniere der Disziplin machen schon seit den 1980er Jahren auf die Unterschiede von Krankheiten und deren Auswirkungen zwischen Männern und Frauen aufmerksam.
Weltweit sind Frauen seltener von Herzinfarkten betroffen. Allerdings werden sie häufiger fehldiagnostiziert und im Falle eines Infarkts später in Kliniken eingeliefert. Zudem ist die Sterblichkeit bei Frauen erhöht. Dieses Phänomen lässt sich darauf zurückführen, dass Frauen andere, schwerer zu deutende Beschwerden als Männer haben. Außerdem ist der Herzinfarkt noch immer als klassische Krankheit von Männern bekannt. Während bei Männern der typische Brustschmerz auftritt, reagieren Frauen häufiger mit Unwohlsein, Übelkeit, Magen- oder Kieferschmerzen. Außerdem tritt der Herzinfarkt bei der Frau später auf als bei Männern, häufig erst zehn Jahre nach den Wechseljahren.
Früher sprach man in der Medizin von atypischen Brustschmerzen, wenn diese Symptome – ein eindeutiger Schmerz oder ein Druck in der Brust – nicht ins typische Raster fielen. In der neuen Leitlinie der europäischen Vereinigung für Kardiologie wird empfohlen, dass man diese Begrifflichkeiten nicht mehr verwenden soll. Vielmehr solle es bei der Beschreibung der Symptome darum gehen, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie vom Herzen kommen. Denn auch in Deutschland ist der Herzinfarkt bei der Frau eine häufige Todesursache.
Andere Symptome als bei Männern
Das Frauen andere Symptome als Männer haben, betrifft nicht nur den Herzinfarkt. Bei vielen anderen Krankheiten äußern sich Beschwerden von Frauen anders als bei Männern. Zudem sind manche typischen Frauenerkrankungen, wie die Endometriose noch wenig erforscht. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Chefarztpositionen und medizinische Spitzenforschung noch immer von Männern dominiert werden.Die Forscherinnen und Forscher der Gendermedizin wollen herausfinden, wie Medikamente auf den weiblichen Körper wirken. Studien wurden bislang oft an männlichen Probanden durchgeführt. Zudem gibt es noch viele ungelöste Fragen bezüglich der Medikamenteneinnahme während der fruchtbaren Jahre, mit dem Regelzyklus und nach der Menopause.
Geschlechtsspezifische Krankheiten
Die medizinische Forschung will weg von ihrem alten Vorgehen, dass nur der männliche Körper, der 75 Kilogramm wiegt, als Standardpatienten betrachtet wird. Zeitgleich ist es auch wichtig, geschlechtsspezifische Krankheiten und deren Ursachen besser zu verstehen. Brustkrebs wird bei Männern beispielsweise später entdeckt als bei Frauen, obwohl er auch bei Männern auftritt. Osteoporose, also der Knochenschwund, bleibt bei Männern häufig unentdeckt, da sie als typische Krankheit der Frau gilt.Durch ein aktiveres Immunsystem kommt es bei Frauen hingegen vermehrt zu Autoimmunerkrankungen. Auch Allergien wie Heuschnupfen sind bei Frauen häufiger. Alzheimer ist bei Frauen häufiger anzutreffen, Männer leiden mehr an Parkinson. Man sieht: für die Forschung ist noch viel zu tun, denn das Ziel muss es sein, jedem Patienten, egal ob Mann oder Frau eine individuelle und optimale Vorsorge, eine zügige Diagnosestellung und eine effiziente Therapie anzubieten. (Adrian Böhm) +++