Wenn ein Fußballspiel in diesem Jahr noch durchgeboxt werden soll

27.11.23 - Es ist eines vieler Spiele, die in den letzten Atemzügen des Kalenderjahres 2023 ausfallen. Und dass es so kam, ist kein Wunder. Bereits am späten Samstagnachmittag machten sich die Verantwortlichen des SV Neuhof, die einen Tag später ihr Verbandsliga-Spiel gegen den SV Flieden austragen sollten, auf und informierten die Beteiligten. Franz-Josef Adam versuchte, den Klassenleiter - Kassels Regionalbeauftragten Matthias Schmelz -, zu erreichen, und Trainer Alex Bär gab dem Spielpartner aus dem nahen Flieden Bescheid. 

So weit, so gut. Dass der SV Neuhof aktuell noch nicht über seinen in Planung befindlichen Kunstrasenplatz verfügen kann, ist einleuchtend. Wie die erwartbare Absage des Derbys gegen den SV Flieden auch. Jeder wusste und ahnte, dass das Spiel bei den derzeitigen Witterungsbedingungen auf dem guten, alten Rasenplatz der Glückauf-Kampfbahn nicht würde stattfinden können. In mehr oder weniger weiser Voraussicht kam Klassenleiter Schmelz dieser Tage daher und gefiel sich in seinem Verhalten, er wolle jedem Verein die Möglichkeit geben, in diesem Jahr noch auf 17 Spiele zu kommen. Deshalb solle das Duell - falls es jetzt ausfällt, am nächsten Sonntag gespielt werden.

Man kann auch sagen: durchgeboxt oder durchgepeitscht. Denn das Spiel der Nachbarn soll jetzt auf dem neuen Kunstrasen in Oberkalbach stattfinden. Erscheint möglich - aber nicht besonders realistisch. Die Wetterlage wird nicht besser. Kommen mehr Schnee oder gar Eis hinzu, kann man eine Durchführung vergessen. Zudem ist es für den austragenden und gastgebenden Verein logistisch schwierig - erst recht, ein Spiel zu dieser Jahreszeit auszulagern an einen, wenn auch benachbarten, Ort. 

Dem SV Neuhof gehen Einnahmen von 2.000 bis 3.000 Euro durch die Lappen. Das Spiel ist durchaus zuschauerträchtig, liegen doch Neuhof und Flieden gerade mal sieben Kilometer auseinander. Zumal die Beteiligten des SV Flieden derselben Meinung sind wie die des SV Neuhof - und den Gedanken unterstützen, das Spiel im nahen Frühjahr auszutragen. So erscheinen die Begleitumstände, das Spiel noch durchboxen zu wollen in diesem Jahr, fast makaber - sie tragen die Etiketten "unheimlich" oder "furchterregend" mit und an sich. Noch nicht gespenstisch.

Hand aufs Herz: Geht es so manchem Verein nicht ähnlich? Über Kunstrasenplätze zu verfügen, ist schön und gut. Das bringt viele Vorteile mit sich. Immer trainieren zu können, keine oder kaum Nachholspiele anzuhäufen, mehreren Mannschaften im Verein oder einer Spielgemeinschaft die Möglichkeit der Praxis bieten zu können. Doch ist die Entscheidung, ein Spiel bei der derzeit vorherrschenden Witterung auszutragen, nicht grenzwertig? Frierende Zuschauer, wenn die überhaupt kommen und nicht andere Dinge vorziehen. Weniger Verzehr, weniger Einnahmen. Man muss sich schon die Frage stellen, was Vereine überhaupt davon haben, ein Spiel auszutragen? Zudem sind sie froh, wenn sich Spieler bei solchen Bedingungen nicht verletzen. 

Was passiert eigentlich, wenn das Spiel Neuhof gegen Flieden am kommenden Sonntag nochmal ausfällt? Beide Vereine gehen mit 16 Spielen in die Winterpause. Mit zwei Spielen Rückstand einer Hand voll anderer Mannschaften gegenüber? Na und? Und bei aller Liebe: Hat der Fußball in ländlichen Regionen nicht andere Probleme, als solch ein Spiel durchboxen zu müssen? Nachwuchsschwund, geringes Verantwortungsbewusstsein zur Mitarbeit im Verein, die Identifikation mit dem Vereinsleben, und und und ... Wie im Fußball, so auch im gesamten gesellschaftlichen Bild. Was macht der Fußball nur mit uns? Und was die Gesellschaft? (Walter Kell) +++