Archiv
Anästhesie-Chef Prof. Schier: "Auf uns wird mehr Verantwortung zukommen"
13.12.23 - Mit seinem freundlichen Lächeln und der charmanten Frage nach Kaffee empfängt uns Prof. Dr. Robert Schier (44) im weißen Arztkittel in seinem Büro im Klinikum Fulda. Er wirkt sehr zufrieden und schwärmt von seinem Job. Im Smalltalk geht es aber nicht nur um die Arbeit, sondern auch um das Barockviertel - die Stadt habe Charme, sagt der Zugezogene. "Ich gehe gerne joggen und laufe oft von meinem Wohnort Maberzell bis zum Stadtschloss: wenn man dann von der 'Affengalerie' herunterschaut und das Licht der tief stehenden Abendsonne auf den Dom strahlt, dann ist das schon sehr beeindruckend."
OSTHESSEN|NEWS trifft den neuen Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin, der von Köln aus mit seiner Familie nach Fulda gekommen ist, zum Interview: dem klassischen "100-Tage-Gespräch".
Die Anästhesie als Fachklinik mit 60 Ärzten hat im Klinikum Fulda eine Schlüsselfunktion. Sie ist nicht nur für alle Narkosen im Zentral-OP zuständig, sondern trägt auch die Verantwortung für die operative Intensivstation (ITS) und den Notarztdienst sowie sämtliche komplexe Schmerztherapien im ganzen Haus. Das Aufgabenfeld von Professor Schier und seinem Team ist groß. Und die ersten Eindrücke sind vielfältig. "Das Positive überwiegt ganz deutlich. Die Struktur steht. Ich möchte aber noch mehr Innovation in die Klinik bringen. Die Anästhesie soll ein Ort sein, an dem man sich wohlfühlt. Das Team steht für absolute Kontinuität und kennt sich sehr lange, hier hat man Spaß an der Arbeit. Das ist mir auch sehr wichtig und darauf bauen wir auf."
"Mein Platz ist im Zentral-OP oder auf der Intensivstation"
Beeindruckt ist der neue Chefarzt von der Struktur des 1.000 Betten-Klinikums. "Hier sind alle medizinischen Disziplinen unter einem Dach. Seit neuestem auch das Fach Dermatologie (Hautklinik). Dieses enorme Leistungsspektrum macht das Klinikum Fulda besonders und stellt die gesamte Universitätsmedizin auf höchstem Niveau dar." In Köln war Schier als Anästhesist zuletzt für einzelne spezialisierte Bereiche wie die Herzchirurgie oder die Viszeralchirurgie zuständig. "Das ist auf Dauer Routine. Hier in Fulda ist mein Platz im modernen OP des INO-Zentrums (Intensiv-, Notfall- und Operationszentrum), der alle chirurgischen Fächer der Medizin versorgt. Dort haben wir es mit ganz unterschiedlichen und oft sehr komplexen Fällen zu tun. Und jeder Tag ist anders. Beispielsweise startet der Tag mit einer Herz-Operation, dann folgt ein unfallchirurgischer Eingriff, am nächsten Tag ist es ein neurochirurgischer Fall - die Vielfalt fasziniert mich und das ist auch der Reiz dieser anspruchsvollen Aufgabe. Nicht vergessen möchte ich aber auch die Intensivstation mit 18 Betten, wo morgens immer die Visite stattfindet." Ein Pflichttermin für Prof. Schier, der aber auch sonst auf der ITS zu finden ist, wenn Not am Mann ist oder seine Kompetenz gebraucht wird.
Aktuell sei er noch dabei, sämtlich Prozesse zu beobachten und auch zu optimieren. "Ich hatte mir zwar das persönliche Ziel gesetzt, in den ersten 100 Tagen keine Veränderungen umzusetzen. Aber das ist mir nicht gelungen. Wenn es um Verbesserung geht, dann sofort."
Das Herz von Robert Schier schlägt für die Notfallmedizin. Bevor er Arzt wurde, hat er schon eine Ausbildung zum Rettungssanitäter gemacht. Zwar ist es aus zeitlichen Gründen noch nicht zu einem Notarztdienst auf dem ADAC-Rettungshubschrauber "Christoph 28" oder dem DRK Fulda-Notarzteinsatzfahrzeug am Klinikum gekommen, aber "wenn es die Ressourcen zulassen, werde ich mich dort einbringen". Die enge Zusammenarbeit mit der ADAC-Luftrettung, dem Deutschen Roten Kreuz und dem Malteser Hilfsdienst wolle er festigen. "Wir wollen eine bestmögliche Patientenversorgung mit maximaler Qualität."
"Klinikum-Team gibt jeden Tag 120 Prozent"
Prof. Schier sieht das Klinikum Fulda mit seinem Status 'Haus der Maximalversorgung mit Traumazentrum' als überregionalen Versorger, auf den in Zukunft noch mehr Verantwortung zukommen wird. "Besonders in der Notfallmedizin. Im Zuge der geplanten Krankenhaus-Reform ist mit einem Anstieg der Rettungsdienst- und Notarzt-Einsätze, vor allem im ländlichen Raum, zu rechnen. Der Hubschrauber oder der Rettungswagen werden weitere Distanzen abdecken müssen, als bisher. Denn kleinere Krankenhäuser werden komplexe Fälle nicht mehr versorgen können. Das bedeutet für uns: Der Leistungsbedarf wird größer, und das bei zunehmendem Fachkräftemangel. Wir werden uns personell also noch besser aufstellen müssen", so die Prognose des Anästhesie-Chefs. Das Dilemma - zu viele Patienten für zu wenig Personal bei zu knapper Finanzierung - müsse die Politik schnellstens in den Griff bekommen.
"Unser Gesundheitssystem funktioniert aktuell nur, weil wir ein super engagiertes und hoch motiviertes Team aus Ärzten und Pflegepersonal haben, das täglich 120 Prozent gibt. Das gilt in erster Linie für das Klinikum Fulda, aber auch für viele andere Krankenhäuser in Deutschland. Auf Dauer kann und wird es so aber nicht weitergehen. Wir brauchen eine Veränderung." (Christian P. Stadtfeld) +++