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Musicalfabrik im Wohnzimmer: "Leben ohne mich" von Merga Bien-Machern
26.12.23 - Auf dem Klavier von Lehrer Steffen Dargatz in Petersberg-Steinhaus (Landkreis Fulda) ist bereits das fünfte Musical entstanden. Dieses Mal hat sich die "Musicalfabrik" Virtuoso mit "Leben ohne mich" einem philosophischeren Thema zugewandt.
Dargatz ist Lehrer an der Eiterfelder Lichtbergschule, Leonora Frohnapfel Gastronomin und Hotelchefin am Florenberg in Künzell-Pilgerzell. Mit wenigen Mitstreitern sind sie "Virtuoso e.V. - Die Musicalfabrik". Zum Musiktheater kamen sie über die Schule: "Um die Jahrtausendwende waren Musicals an Fuldaer Schulen groß. Ich habe an der Freiherr-vom-Stein-Schule mit 12 Jahren zum ersten Mal beim Musical "Elisabeth" mitgespielt, gemeinsam standen wir beide bei 'Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat" 1999 auf der Bühne', so Frohnapfel.
Der Jugendchor der Pfarrgemeinden Sankt Peter in Petersberg und Sankt Paulus in Fulda ist Rekrutierungsbecken und Talentschmiede für die Virtuoso-Musicals: "Den habe ich damals zusammen mit Vereinsmitglied Markus Goldbach geleitet. Ich hatte früher schon Lobpreislieder komponiert und dann die Weihnachtsgeschichte zum Musical umgeschrieben, 2006 war das. Wir hatten dafür Elf- bis Fünfzehnjährige als Darsteller, die wöchentlichen Chorproben wurden einfach zu Musicalproben - am Ende standen 30 Kids auf der improvisierten Bühner der Rabanus-Maurus-Kirche in Petersberg, mit 'Vom Sinn der Weihnacht.'"
Fulda-Bezug kommt gut an
Der erste Erfolg lässt den Religions- und Mathelehrer nach neuem Stoff suchen - bei historischen Figuren mit Fulda-Bezug, ganz wie die große Konkurrenz von Spotlight. Die Heilige Lioba wird zu "Lioba - Im Zeichen der Hoffnung", 2008 ist Uraufführung: "Ich habe damals viel recherchiert und mich sogar von den Liobaschwestern theologisch beraten lassen. Das waren schon andere Dimensionen." Zum ersten Mal reicht die Kirche nicht aus als Bühne, im Petersberger Propsteihaus kommen bei drei Aufführungen 2.200 Zuschauer, zum ersten Mal wird ein eigenes Orchester eingesetzt."Alles für Fulda" ist dann die fiktive Geschichte einer Fuldaer Familie in den Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit, die als Musical im Sommer 2010 uraufgeführt wird, wieder im Propsteihaus. Neu dabei: "Professionelle Arrangements von Winfried Möller, dem Orchesterleiter der Lichtbergsschule in Eiterfeld, und seinem Sohn Maximimilian. Vorher musste ich das alles alleine stemme, den Unterschied hört man sofort." Inzwischen belaufen sich allein die Technikkosten einer Musical-Produktion für den Verein auf einen fünfstelligen Betrag: "Weil alles immer größer wurde, auch finanziell, hat uns der damalige Petersberger Pfarrer Jan Kremer nahegelegt, unser Projekt auszugliedern - es konnte einfach nicht mehr über die Kirchengemeinde laufen. Im Sommer 2012 haben wir deswegen Virtuoso gegründet", so Dargatz.
"Etwas Bleibendes hinterlassen"
Woher die Mitglieder der "Musicalfabrik" trotz Berufstätigkeit und Familie die Motivation nehmen, nebenbei Musiktheater zu machen, das erklärt Dargatz so: "Es geht darum, etwas Bleibendes zu hinterlassen mit unseren Geschichten, Menschen zum Nachdenken zu bringen. Das könnte Theater auch - aber die Musik vermag es, die Botschaft mit einer großen Leichtigkeit zu vermitteln. Diese Zugänglichkeit reizt mich." Das Klischee von der leichten Unterhaltung dagegen widerlegt das Team 2013 mit "Merga Bien", das sich den schattigeren Seiten der Fuldaer Geschichte widmet: Eine unbescholtene Bürgerin wird in einer von Männern dominierten Welt wegen Hexerei verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet. "Wir haben damals auch mit Ingrid Möller-Münch vom Frauenzentrum Fulda zur Thematik recherchiert. Die Machtverhältnisse der damaligen Zeit, die Ungerechtigkeit darzustellen, das war uns sehr wichtig. Und der Erfolg hat uns rechtgegeben: Selbst der damalige Bischof Algermissen hat sich das Musical angeschaut", erklärt Frohnapfel.
Philosophie statt Historienstoff
Mit dem neuen Musical "Leben ohne mich", das am 18. April 2024 im altbewährten Propsteihaus Uraufführung feiert, widmen sich die Musicalmacher einem philosophischeren Thema: Der Sohn einer alleinerziehenden Mutter liegt nach einem schweren Unfall im Koma, die Selbstreflexion der Familienmitglieder wird zum Appell ans Leben. "Es sind acht Darsteller auf der Bühne, statt sonst 30. Das erlaubt eine intimere Beschäftigung mit dem Thema. Musicals wie 'Next to normal' und 'Wenn Rosenblätter fallen' haben mich dazu inspiriert, nach dem Historienstoff etwas ganz Anderes zu machen. Die Zuschauer sollen wirklich etwas mitnehmen fürs Leben", so Dargatz.
Der Kartenvorverkauf für "Leben ohne mich" hat bereits begonnen. Bestellungen sind hier möglich. (mau) +++