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Dunkle Rauchschwaden über Kyiv nach zahlreichen Explosionen - Fotos: tby

UKRAINE O|N-Reporter vor Ort in Kyiv

Schlimmste Luft-Angriffe auf Ukraine seit Kriegsbeginn

31.12.23 - Mindestens 158 Raketen und Drohnen schickte Russland am Freitag auf Städte in der Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf sein Nachbarland gab es an keinem einzigen Tag zuvor so heftige Luftattacken der Russen auf die Ukraine. Mindestens 39 Menschen sind nach ukrainischen Angaben bei den Angriffen gestorben, mehr als 160 wurden verletzt.
 
Mittendrin in der Angriffswelle, ein O|N-Reporter. Tobias Bayer berichtet in diesen Tagen aus der ukrainischen Hauptstadt Kyiv, 1738 Auto-Kilometer östlich der Barockstadt Fulda. Als er einige Tage vor dem Großangriff in die Ukraine fuhr, war die Lage abseits der Front weitestgehend ruhig. Nun ist der Krieg in Kyiv wieder präsenter.

O|N-Reporter Tobias Bayer in Kyiv


 
07:30 Uhr, Ortszeit: Sirene draußen, Durchsage im Hotel, Alarm der Smartphone-App. Ich bekomme davon nichts mit, denn ich schlafe fest und mein Smartphone ist im Flugmodus. Erst als es einige Minuten später draußen dumpf knallt, werde ich wach. Explosionen. Ich ziehe mir schnell das Nötigste an, höre weitere Explosionen. Von der Luftabwehr abgeschossene Flugkörper? Vielleicht Einschläge? Ich weiß es nicht. Ich schnappe Smartphone und Geldbeutel und schon wackele ich noch schlaftrunken Richtung Aufzug.

So sieht es in den Smartphone-Benachrichtigungen aus, wenn Luftalarm ist. Dazu ertönt ...


Wegen Luftalarm: Frau und Baby schlafen im Flur

Im Flur liegt eine junge Frau auf einer Empfangs-Couch, zugedeckt, ein Kopfkissen unter dem Kopf. Daneben ein Babybett, vermutlich ihr Baby, das ruhig schläft. Die junge Frau will sich und ihr Baby schützen, schläft deswegen nicht im Zimmer. Im Flur schützt die Beiden immerhin eine Wand mehr. Bedrückend. Doch zum Fotografieren bleibt keine Zeit. Das hier ist kein Probealarm wie wir ihn in Deutschland aus der Schule oder von der Arbeit kennen. Es sind Explosionen, es ist Krieg und niemand weiß, ob und wo die Drohnen und Raketen genau einschlagen.
 
Zwar arbeiten die Flugabwehrsysteme besonders in Kyiv mittlerweile zuverlässig und fangen einen großen Prozentsatz der Drohnen und Raketen ab. Doch es gibt auch Raketen-Typen, die zu schnell oder gut getarnt sind, die nicht so leicht erkannt und abgefangen werden können. Dazu erreichen auch die besten Flugabwehrsysteme ihre Grenzen, wenn es zu viele Luftangriffe zur gleichen Zeit gibt. Russland weiß das und nutzt das. So auch an jenem Freitagmorgen. Ein Abfangen aller Raketen und Drohnen ist unmöglich.

Mehrere Tote und Verletzte in der Hauptstadt

Ich bin erleichtert, als ich im Bunker des Hotels, der Tiefgarage, ankomme. Sicher ist sicher. Dort ist alles vorbereitet. Dutzende andere Hotel-Gäste sind schon da. Kaffeemaschine, Wasser und Tee stehen bereit. Dutzende Stühle sind aufgebaut, Sofas, Sitzsäcke und sogar Betten. Wer schlafen will, pennt hier einfach weiter. Es ist eine seltsame Kulisse irgendwo zwischen Filmset, Jugendherberge und Co-Working-Space. Für einen Bunker echt komfortabel und eher die Ausnahme als die Regel. Auch das Internet funktioniert, also scrolle ich schonmal durch das Redaktions-Postfach, sortiere Mails. Die Kollegen wird es freuen. 

Die Tiefgarage eines Hotels dient als Bunker

Betten im Bunker des Reporter-Hotels

Zahlreiche Sitzgelegenheiten in Sicherheit

09:32 Uhr: Entwarnung. Der Luftalarm ist nach zwei Stunden der Angst vorüber. Als ich nach draußen gehe: Ein beißender Geruch wie nach einem Brand oder wildem Sylvester-Geböller. Ich erkenne deutliche graue Rauchschwaden am Himmel über Kyiv. Es fielen Raketen und Trümmer abgeschossener Flugkörper auf die ukrainische Hauptstadt. Die Bilder, die ich davon später auch auf deutschen Nachrichtenseiten entdecke, sind schockierend. Erst im Laufe des Tages wird klar: Allein in Kyiv wurden an besagtem Freitag 16 Menschen getötet und mehr als 30 verletzt. Dazu wurden in verschiedenen Stadtteilen mehrere Wohnhäuser, Lager, ein Bürozentrum, und eine U-Bahn-Station beschädigt.

Angriff auf Geburtsklinik in Südosten

Ähnlich schlimm hat es Odessa und Dnipro, zwei ukrainischen Großstädte im Süden und Osten des Landes, bei den Explosionen erwischt. In Dnipro wurde unter anderem eine Geburtsstation von Raketen getroffen. Alle Mütter und Babys konnten sich dort zum Glück retten. Bei anderen Explosionen in den beiden Städten gab es Tote und Verletzte. In der gesamten Ukraine haben etwa 160 russische Raketen und Drohnen am Freitag mindestens 39 Menschen getötet und mehr als 160 verletzt.
 
 
 
 
 
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Zahlreiche internationalen Reaktion folgten auf Russlands Luftangriffe. US-Präsident Joe Biden verurteilte den "größten Luftangriff auf die Ukraine seit Beginn dieses Krieges." Biden mahnte: "Bei diesem Kampf steht weit mehr auf dem Spiel als nur die Ukraine." Großbritanniens Verteidigungsministerium kündigte als Folge des Großangriffes die Lieferung von 200 Flugabwehrraketen an die Ukraine an. EU-Chefdiplomat Josep Borrell sprach auf X von "barbarischen" Luftangriffen Russlands. 

Leben in Kyiv geht weiter

Piana Vyshnia - Kirschlikör aus der Westukraine, der auch in der Hauptstadt sehr populär ...

In Kyiv haben Bars bis zur Ausgangssperre um 24:00 Uhr ganz normal geöffnet und sind ...

Die Supermarkt-Regale in Kyiv sind voll - von Mangel keine Spur

Nach dem furchtbaren Freitagmorgen geht das Leben in Kyiv fast so weiter, als wäre nichts gewesen. Der Rauch ist verzogen, Weihnachtsschmuck leuchtet, Cafés sind gut gefüllt, die Menschen in Kyiv trinken Piana Vyshnia (Kirschlikör) und essen Khinkali (Georgische gefüllte Nudeln) und Borscht (Ukrainische Gulasch). Volle Supermarktregale, Stau auf den Straßen und stylisch gekleidete Menschen in den Einkaufsstraßen. Fast vergisst man dabei die zerstörten Gebäude, die Verletzten, die Toten, die es allein an diesem Tag in Kyiv gegeben hat. Fast vergisst man in ausgelassenen Abendstunden in Kyiv, hunderte Kilometer entfernt von der brutalen und blutigen Front, dass Krieg ist. Doch auch in der Hauptstadt ist der nächste Luftangriff nur eine Frage der Zeit. (Tobias Bayer) +++

In der Bildergalerie finden Sie mehr Eindrücke aus der ukrainischen Hauptstadt Kyiv.

Hinweis: Die v.a. im Englischen populäre Schreibweise Kyiv benutzen wir, weil sie einer Übersetzung aus dem Ukrainischen entspricht. Kiew ist eine Übersetzung aus dem Russischen.  

Ein Weihnachtsbaum aus leeren Munitionshülsen auf einem Gehweg in Kyiv

Auf einem belebten Platz in Kyiv steht ein von Schüssen durchsiebtes Auto. Es soll daran erinnern, ...

Wasservorräte im Bunker. Auch hilfreich falls die Wasserversorgung mal zusammenbricht. ...

Auch für Kinder gibt es hier etwas zum Spielen. Puzzle zum Beispiel.

Kaffeemaschine im Luftschutzraum. Der Kaffee schmeckt sogar.

Blick über Kyiv (Stadtteil Podil) bei Nacht

So schön und bunt kann Kyiv sein - hier im Stadtteil Podil


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