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Sascha Gramms Erlebniswelt: Da reicht ein Lächeln, um auf einer Welle zu sein
10.02.24 - Die sportliche Leistung war grandios. Sascha Gramm, Extremläufer aus Hosenfeld und Fuldaer Jung, stellte sich kürzlich einer neuen Herausforderung. Fünf Tage war er im westafrikanischen Senegal unterwegs. Er beendete das 200-Kilometer-Abenteuer als Dritter. Mehr geht kaum. Doch es geht auch kaum mehr, was er ansonsten wahrnahm und aufsaugte. Von Demut, Dankbarkeit, Wertschätzung und Gelassenheit spricht er. Der 44-Jährige gewährte OSTHESSEN|NEWS einen tiefen und glaubwürdigen Eindruck in seine Welt der Gefühle und Erfahrungen.
Als Selbst-Supporter war er unterwegs. Als jemand, der für sich und seine Verpflegung, sein Leben und Zurechtkommen in einer völlig anderen Welt selbst verantwortlich ist. Was sein Rücken ziert, ist im Grunde das Einzige, das er bei sich trägt. Ein Rucksack, mit etwa zehn Kilo Gewicht. Dabei hat er eine Matratze. Und ein Päckchen Haribo. "Ich brauche was, worauf ich mich freuen kann", sagt er. Sorry, das Wichtigste kommt noch: Wasser. Ohne das lebenswichtige Element ginge es nicht, wären die Strapazen und das Überleben nicht denkbar.
Bei einem gewaltigen Temperaturunterschied. Die Läufer aus aller Welt verbrachten die wenigen Stunden, die ihnen blieben, in Zelten - sie schliefen und übernachteten auch dort. Jeden Morgen um 7.45 Uhr ging's los. "Wir brauchten keinen Wecker", erklärt Sascha Gramm, "du wirst automatisch wach. Spätestens um 7 Uhr mussten wir die Zelte verlassen haben". Die wurden flugs zu den nächsten Etappenorten gebracht. "Wir sind eine wandernde Karawane", verdeutlicht er, wie der Hase läuft.
40 Grad wärmer als hierzulande. Eine wandernde Karawane
40 Grad wärmer als hierzulande ist es im Senegal. Natürlich hat er sich auf diese extremen Bedingungen vorbereitet. Er ist einige Tage vorher angereist, um sich zu akklimatisieren. Und er hat sich in den Bergen der Türkei auf diese heißen Tage in Westafrika präpariert.Und da beginnt der erste Sieg. Er findet - wie so viele Dinge im Sport - im Kopf statt. "Es ist das Zusammenspiel zwischen diesen Begleitumständen und dem sportlichen Aspekt", betont er. Mit diesen Rahmenbedingungen zurechtzukommen, sie zu akzeptieren, sich darauf einzulassen - auf Temperatur, Zelt und Essen. Erst dann zählt der Sport.
Für Sascha Gramm ist es, wieder einmal, die Reise in eine komplett andere Welt. "Raus aus der Komfortzone" nennt er das. Raus aus der Umgebung der sogenannten zivilisierten Welt. "Raus aus dem, was man alltäglich hat. "Du musst mit deiner Privatsphäre klarkommen", sagt er. Viele sollten über diese Worte mal nachdenken.
Was er gesehen, erlebt und gelernt, war er aufgesaugt hat in diesen Tagen, die am 20. Januar begannen? Eine ganze Menge. Es sind elementare Dinge. Dinge, über die und durch die der Sport Brücken baut. Nur: Man muss den Mut aufbringen, diese Verbindungsstücke zu gehen. Sie zu überwinden. Sascha Gramm tut das seit fast zehn Jahren. Es ist für ihn immer ein Eintauchen in eine andere Welt. Es fühlt sich nicht nur so an. Es ist so.
"Es geht dort ums Überleben." Um Wasser. Um Nahrung. Um Müllberge
"Da prallen Welten aufeinander", bricht er seine Eindrücke und Erlebnisse herunter. Wertschätzung greift um sich. Für Wasser. Oft müssen die Menschen im Senegal kilometerweit laufen, um zu Wasser und gesunden Quellen zu gelangen. Wertschätzung für Nahrung. "Ich habe viele Müllberge gesehen." Sascha Gramm schiebt nach. "Die Leute im Senegal haben keine Autos. Haben nicht viel zum Anziehen. Es sind viele Sachen, die einem vor Auge geführt werden. Dort geht's um Überleben."Dankbarkeit und Demut kommen ins Spiel. Ist Sascha Gramm durch all seine Erfahrungen etwa ein anderer Mensch geworden? "Das glaube ich nicht", bemerkt er. Es fällt auf, dass er stets um Positives bemüht ist. Der immer den Glauben an sich und andere in sich trägt. Vermittelt. Vorgibt. Vorlebt. "Der Mensch ist nicht schlecht. Auch wenn er nichts hat. Da reicht ein Lächeln, um mit anderen Menschen auf einer Welle zu sein."
Zurück zum Sport - wobei all das zusammenhängt. Und zu Sieg Nummer zwei im Kopf. Auf Etappe drei war es, als er und sein deutscher Kollege falsch gelaufen waren. Eine Windböe hatte einen Pfeil der Wegmarkierung unsichtbar gemacht - dadurch änderte sich der Weg beider. Sein Mitstreiter haderte mit der unverhofften Situation. "Das hilft dir nichts", sagte Gramm. Vielmehr appellierte er: "Jetzt rollen wir das Feld von hinten auf."
Im zweiten Teil lesen sie Sascha Gramms Weg über die fünf Etappen. Was er er- und durchlebte. Was ihm widerfuhr. Und wie er einen weiteren Sieg über sich selbst errungen hatte. Oder auch zwei. +++