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"Streik nervt, hat aber trotzdem seine Berechtigung" - "Sturheit ist der Untergang"
09.03.24 - Streik auf der Schiene, Streik bei der Lufthansa - der Arbeitskampf der Gewerkschaften GDL und Verdi machen Deutschland immobil. Zweifellos, es nervt! Wer heute in Deutschland ohne Auto von A nach B kommen muss oder will, hat schlechte Karten und braucht Geduld und gute Nerven.
"Ich mag Herrn Weselsky auch nicht - aber Streikrecht ist trotzdem wichtig!"
Und wenn man aktuell eine Umfrage machen würde, hätte GDL-Chef Claus Weselsky beste Chancen, seine Position zum bundesweit verhasstesten Mann zu zementieren. Von den strapazierten Bahnkunden und nahezu allen Kommentatoren kann man hören, der Gewerkschaftsboss überziehe seine Forderungen gnadenlos, sei uneinsichtig, stur und kompromisslos. Dazu kommt der Vorwurf, der Streik sei insgesamt verantwortungslos, mit der Stilllegung des Bahnverkehrs schädige die Gewerkschaft die ohnehin gebeutelte Wirtschaft zusätzlich.
Es wird nur noch ganz wenige geben, die trotz aller dieser Argumente Verständnis für die Arbeitskämpfe der Lokführer und des Bodenpersonals am Flughafen aufbringen. Streikrecht, ja, das ist fundamental wichtig und verfassungsmäßig verankert, darüber herrscht durchaus gesellschaftlicher Konsens. Doch spüren soll man von solchen Arbeitskämpfen gefälligst nichts. "Die können ja nachts streiken, da merkt es kaum einer", lautet einer der genialen Vorschläge, wenn man genervte Bahn- und Flugreisende fragt. Das ist ein grundlegendes Missverständnis: von den Ausständen soll doch jeder möglichst betroffen sein, sonst wäre der Streik kein Druckmittel. Unsere französischen Nachbarn nehmen Nachteile durch Streiks wesentlich gelassener und nonchalanter hin, jeder Branche wird das Recht zugestanden, auch auf diese Weise für die eigenen Interessen einzutreten.
Beide Gewerkschaften können hierzulande gute Argumente für ihre Forderungen ins Feld führen: fehlendes Personal und Fachkräftemangel in diesen Branchen führt zu verschärften Arbeitsbedingungen, die Belastungen durch Schichtdienste sind gewachsen und die Inflation schmälert das Einkommen. Die Forderungen nach Absenken der Wochenarbeitszeit ist da gerechtfertigt. Die Bahn ist nicht erst seit Weselskys Ankündigung von Wellenstreiks unzuverlässig, sie ist es seit Jahren. Und trotz solchem Missmanagement gewähren sich die Unternehmensspitzen satte Sonderzahlungen. Warum sollten die Arbeitnehmer verzichten? (ci)
Es reicht: Verhandelt endlich ordentlich
Claus Weselsky, es reicht. Deutschland steht schon jetzt dank seiner Sucht nach Bürokratie, Egoismus und Sturheit auf dem Abstellgleis. Die Wirtschaft hat einen Prellbock vor sich, immer mehr Arbeitnehmern droht die nächste Haltestelle: Agentur für Arbeit. Es fehlt auf allen Gleisen der Wille, gemeinsam die schwerfällige Lokomotive Deutschland wieder in Gang zu bringen. Jeder versucht seinen eigenen Bummelzug auf Betriebstemperatur zu halten. Frei nach dem Egoismus-Gedanken: "Grün" habe nur ich. Das ist natürlich nicht ihre Schuld allein. Das fängt ganz oben in den Machtzentralen der Politik an. Und ganz klar: Auch die Bahnvorstände müssen einen Gang zulegen. Aber einfach die Gewinne gegenrechnen, reicht auch nicht. Wir alle wollen die Energiewende, wollen eine moderne Infrastruktur und verlässlich unser Reiseziel erreichen können. Ob in die nächste Stadt zum Arbeiten oder in den Urlaub. Es sind viele Herausforderungen, die zu lösen sind.
Das geht nur gemeinsam. Zurück in die Züge der Bahn: Vielleicht fängt es schon damit an, nicht ständig mit der Stoppuhr die Verspätungen der Bahn zu dokumentieren. Vielleicht sollte sich der eine oder andere Nörgler mal als Disponent probieren - und wird ganz sicher scheitern. Mehr Verständnis für die Arbeit der Bahnmitarbeiter ist sicher auch ein Mehrwert. Ich fahre gerne mit der Bahn und für mich ist es nicht zu kompliziert, einen Fahrplan zu lesen. Und wenn es im Zug mal hapert, ärgere ich mich. Aber die Zugbegleiter sind die Letzten, die irgendwas dafür können. Respekt deren Arbeit gegenüber, seien es die Zugbegleiter, Lokomotivführer oder das Reinigungspersonal, ist der Grundpfeiler.
Die Preis- und damit Kostenspirale kann und darf nicht immer weiter nach oben gehen. Steigende Preise in vielen Bereichen zerren an den Nerven aller Arbeitnehmer. Hier muss die Politik ansetzen. Die Lebenshaltungskosten müssen runter. Wir müssen mit unseren Gehältern klarkommen können. Was nützt es, wenn immer weniger mit der Bahn fahren können, weil die Tickets zu teuer sind. Dann streicht die Bahn Jobs. Ich will damit nicht sagen, dass die Bahnmitarbeiter gefälligst zu sparen haben. Nein, die Lebensbedingungen müssen sich insgesamt in Deutschland wieder verbessern. Darum geht es. Streik darf kein Mittel des Untergangs werden. Zeigen Sie endlich Gesprächsbereitschaft. Und: Fehler einzugestehen ist gut und schön, aber in ihrer Machtposition dürfen sie nicht passieren. Und wenn doch, dann hat das Eingestehen selbstverständlich zu sein. Es zerrt an den Nerven der Menschen in Deutschland. Der Bahnvorstand und Sie müssen endlich dieses Gezanke beenden und vernünftig verhandeln. Die Moderatoren sind ernst zu nehmen und deren Inhalte zu verstehen. Im Interesse der Bahnmitarbeiter, der Kunden und dem gesamten Land. Sturheit ist keine Stärke. Sturheit ist der Untergang. (hhb)+++