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Diebstahl bei GLS: Fünf Familienmitglieder zeigen sich reuig vor Gericht
27.03.24 - Ein spektakulärer und zugleich unglaublicher Fall wurde am Dienstagmorgen vor dem Bad Hersfelder Schöffengericht verhandelt. Insgesamt fünf Angeklagte sollen über Jahre hinweg hochwertige Gegenstände bei der Firma GLS in Neuenstein (Landkreis Hersfeld-Rotenburg) im Gesamtwert von 195.000 Euro gestohlen haben. Die fünf Angeklagten wurden nach einer Verständigung im Prozess zu Bewährungs- beziehungsweise zu Geldstrafen verurteilt. Alle Beteiligten waren geständig und zeigten Reue.
Besonders brisant in dem undurchsichtigen Fall: Es handelt sich um fünf Personen aus einer Familie aus dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg, die die Taten verübt haben. In der Beweisführung wurde mit dem Vater der Familie begonnen, der über die Art und Weise der Diebstähle berichtete: "Ich arbeitete bei GLS und war auch für die Müllentsorgung zuständig. Dabei waren auch immer wieder schadhafte Pakete dabei, die kleinere Mängel hatten. Da ich diesen Prozess nicht verstehen konnte, habe ich gewisse Produkte mit nach Hause genommen. Während es zu Beginn unter anderem Tiernahrung gewesen ist, habe ich später auch Tablets, Smartphones oder Schmuck mit nach Hause genommen." Schätzungen zufolge beliefen sich die Diebstähle auf einen Wert von 195.000 Euro. Der Familienvater berichtete, dass das Unternehmen zwar keine Schadensersatz-Zahlungen forderte, allerdings alle gefundenen Produkte im persönlichen "Lager" wieder an GLS zurückgegangen sein.
Persönliches "Lager" gleicht einem Warenhaus
Dort verkaufte dann seine Frau die Waren über das Internet. Mindestens über drei Jahre gingen die Diebstähle. Als ihm vonseiten des Arbeitgebers im Januar 2022 gekündigt wurde und die Polizeibeamten das Lager vom Familienvater zusehen bekamen, staunten sie nicht schlecht. In der Scheune waren insgesamt knapp 700 Produkte gelagert, die der Vater vom Logistiker GLS mit nach Hause genommen hatte. Teilweise wurden die Produkte dann via Ebay-Kleinanzeigen verkauft, selbst genutzt oder an Familienmitglieder verschenkt. Für Verteidiger Jochen Kreissl glich das "Lager" der Familie einem Warenhaus.
Auch ein Sohn der Familie arbeitete bei GLS und sah seinen Vater beim Verladen der gestohlenen Ware. Laut eigener Aussage war es für ihn unproblematisch, gewisse Produkte zu stehlen: "Es war einfach, Dinge mitgehen zu lassen. Die meisten Produkte, unter anderem einen Pool, habe ich für meine Familie genutzt. Lediglich ein Paket mit Microsoft-Lizenzen hat meine Frau über Ebay verkauft." Absprachen mit dem Vater habe es trotz der gleichen Masche nicht gegeben - trotz Vermutungen wussten beide erst von den Machenschaften des jeweils anderen, als sie beide vom Arbeitgeber fristlos gekündigt wurden.
Der Fünfte im Bunde ist der zweite Sohn. Im Auftrag des Vaters verkaufte er ebenfalls geklaute Ware: "Ich habe schon immer viel bei Ebay verkauft und deshalb hat mich mein Vater gebeten, ein paar Produkte zu verkaufen. Im Laufe der Zeit hat das zugenommen und ich ahnte, dass es sich um geklaute Ware handeln könnte. Dennoch habe ich die Produkte verkauft - den Großteil der Einnahmen habe ich allerdings meinem Vater gegeben."
Verständigung des Strafmaßes angewendet
Nachdem alle Angeklagten ihre Aussage getätigt hatten, gab es eine rund halbstündige Unterbrechung der Verhandlung. Richterin Christina Dern begründete dies: "Wir haben uns mit den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft beraten und haben aufgrund diverser unklarer Umstände eine Verständigung getroffen, in dem sich das Strafmaß bewegen soll."
Erklärung: Die Verständigung im Strafverfahren ist im deutschen Strafprozess eine Verfahrensweise, bei welcher sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigt. Sie ist gesetzlich in § 257c StPO geregelt.
Im Plädoyer ließ Staatsanwältin Jessica Maier den Fall nochmal Revue passieren und stellte dabei fest: "Die Anklage wurde im Wesentlichen bestätigt und sieht vor, dass der Vater und einer der Söhne aufgrund des Diebstahls in besonders schwerem Fall zu verurteilen sind. Der zweite Sohn und die Mutter sind wegen der gewerbsmäßigen Hehlerei zu verurteilen und die Schwiegertochter ist wegen der Hehlerei zu verurteilen." Die Verteidiger schlossen sich dem Plädoyer der Staatsanwältin Maier größtenteils an.
Vier Haftstrafen sind zur Bewährung ausgesetzt
Nach knapp dreieinhalb Stunden fällte Richterin Christina Dern dann das Urteil: Der Vater der Familie wurde aufgrund seiner Taten zu einer Freiheitsstraße von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Zudem muss er 5.000 Euro an die Tafel Bebra in Raten spenden. Der erste Sohn wurde wegen des gleichen Tatbestandes wie sein Vater verurteilt. Allerdings bekam er nur eine einjährige Freiheitsstrafe, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er muss 800 Euro an die Wohnraumhilfe Bad Hersfeld spenden. Der zweite Sohn und die Mutter wurde wegen der gewerbsmäßigen Hehlerei ebenfalls zu einjährigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt und müssen ebenfalls Geldbeträge an einen gemeinnützigen Zweck spenden. Die Schwiegertochter wurde wegen der Hehlerei in einem Fall zu seiner Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen a 20 Euro verurteilt.Alle Angeklagten erklärten abschließend unisono, dass ihnen die Taten leidtäten und ihn ein solcher Fehler nicht noch einmal passieren würde. (Kevin Kunze)+++