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Gören: Wie ein Luftballon, der geplatzt ist - Beanspruchung auf dem Zahnfleisch
30.03.24 - Es gibt Situationen, an denen man nichts ändern kann. Denen man ausgeliefert ist. Und fassungslos dasteht. Im Fußball ebenso wie im richtigen Leben. Sedat Gören erging es am Donnerstagabend ähnlich. Der Trainer der SG Barockstadt konnte es - wie so viele - kaum fassen, wie sein Team die 2:0-Führung zur Pause, die sich komfortabel angefühlt hatte, noch aus der Hand gab im Regionalliga-Heimspiel gegen den TSV Steinbach Haiger. 2:3 endete das hessische Duell aus Fuldas Sicht. Es schien irgendwie, als hätte die SGB das Spiel nach der ersten Hälfte schon gewonnen. So mag mancher gedacht haben in der Johannisau.
Kurz zur tabellarischen Einordnung: Die SG Barockstadt mag die erste Niederlage in diesem Jahr, die auch an der Heimbilanz etwas kratzt, nicht sonderlich jucken. Auch wenn Eintracht Frankfurts Zweite am Samstag ihr Heimspiel gegen den Pflanz-Klub Aalen gewinnt, würde nichts passieren - viel wichtiger aber sind die beiden folgenden Aufgaben in der kommenden Woche: am Mittwoch bei den Stuttgarter Kickers, am Samstag zu Hause gegen Aalen. Dem TSV Steinbach Haiger kam der dreifache Punktgewinn in Fulda gerade recht - dennoch befindet sich das Team nach wie vor inmitten des großen Haifischbeckens der Teams, die um den Erhalt der Liga kämpfen.
"Die Mannschaft spielt eine gute Runde. Ich will nicht draufhauen"
Er erinnerte an die Qualität des Gegners. An dessen "Speed über die Flügel", über die die beiden ersten Gegentore zum Anschluss und Ausgleich gefallen waren. Beim dritten und entscheidenden Tor hätte sein Team den Fuß des Schützen im Auge haben müssen, "da darf ich diese Option nicht anbieten". Lieber rückte er die Verfassung seines Teams in den Fokus. "Die Mannschaft spielt eine gute Runde. Da will ich jetzt nicht draufhauen", meinte der Coach. "Wir müssen aber aufpassen, die gute Runde nicht zu versauen."
Gören wies auf die Umstände hin - im Hamsterrad, in dem sich die SGB befinde. "Wenn du in zwölf Tagen vier Spiele machen musst und dann hast du noch Ausfälle ..." Elf Punkte in fünf Punktspielen, zwei Siege im Hessenpokal, verbunden mit dem lukrativen Duell gegen Kickers Offenbach, dazu eine 2:0-Führung zur Halbzeit - da kann es, so bitter das klingt, schon mal passieren, dass das Spiel gegen Steinbach Haiger noch umgeht. Und das Pendel nicht in die erhoffte Richtung ausschlägt.
Physische und mentale Energien fehlten - kompaktes Verteidigen nicht möglich
Sowohl physisch als auch psychisch fehlte den SGB-Spielern Energie und Kraft, um mit dieser taktischen Situation angemessen umzugehen. Fuldas Kicker griffen früh an - anstatt kompakt zu verteidigen gegen eine sich wehrende Mannschaft. Räume zum Umschalten und Kontern zu nutzen und damit auf das dritte Tor auszugehen, das war verlockend - aber nicht zielführend. Und um das passende taktische Mittel anzuwenden, muss man halt frisch im Kopf sein. Das war eben nicht möglich. Und deshalb ging's schief. Apropos Kopf: auch der fehlte in dieser Situation auf dem Platz. Aber, wie gesagt: Unter diesen Umständen kann das alles passieren.
Und es verwundert nicht, wenn Gören nachschiebt: "Der Eine oder Andere bei uns geht auf dem Zahnfleisch. Wir fahren auf Limit. Auf der Felge." Apropos Ausfälle: Einer mit Signalwirkung war's, als Leon Pomnitz runter musste. "Er hat einen Tritt auf den Ellenbogen bekommen und zunächst keine Luft mehr gekriegt. Als Leon draußen war, fehlte uns der Schlüsselspieler." In der Tat. Fußballerische Struktur war ab diesem Zeitpunkt ein Fremdwort. Wie war das noch - bei aller Optimierung des Kaders: Fallen Schaaf oder Pomnitz aus ... Dazu kommt, dass Innenverteidiger Aaron Frey schon bessere Tage erlebte.
Steinbach Haiger gewann erstmals gegen die SG Barockstadt
Unterdessen gewann der TSV Steinbach Haiger erstmals gegen die SG Barockstadt. Dem 0:1, 1:1 und 1:3 folgte jetzt ein 3:2 - nach 0:2. "Wir sind sehr erleichtert", sagte Trainer Hüsni Tahiri. "Wir hatten eine gute Phase zu Beginn mit Chancen durch Andreas Busiks Kofball und Christopher Geisens Möglichkeit, als er mit dem Kopf zum Ball gehen muss", meinte er. Tahiri ärgerte sich über das Entstehen der beiden Gegentore. Beim ersten fehlte die Kommunikation, beim zweiten, dass sein Team eine Standard-Situation gegen die diesbezüglich starke SGB zugelassen hatte. Obwohl er mehrfach darauf hingewiesen hatte.
Ehe Tahiri darauf zu sprechen kam, was ihm gefallen hatte an seinem Team. Das hörte sich beinahe wie eine Liebeserklärung an. "Du liegst 0:2 zurück, die Situation ist wieder gegen dich. Doch der Glaube war noch da. Unsere Mannschaft hat Top-Moral gezeigt und lebt. Heute das war der beste Beweis dafür. Jeder einzelne Spieler hat Regionalliga-Niveau. Im oberen Drittel."
OSTHESSEN|NEWS steht hinter der SG Barockstadt - und hofft, dass der TSV Steinbach Haiger den Klassenerhalt schafft in der Regionalliga Südwest. (wk) +++