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Überzeugende Zwischenbilanz des smarten Energiekonzepts für Löhertor-Areal
22.04.24 - Mit einem innovativen energetischen Konzept für das neue Stadtquartier am Löhertor machte die RhönEnergie Gruppe vor einem Jahr Schlagzeilen. Ein wichtiger Baustein ist dabei Energie, die aus Abwasser gewonnen wird. Zwölf Monate ist dieses System regenerativer Energieerzeugung nun in Betrieb, als erstes seiner Art in Hessen. Zeit für eine Zwischenbilanz.
Wärme- und Kälteversorgung mit Abwasser, das klingt zunächst befremdlich. Doch das Grundprinzip ist genial: Häusliches und gewerbliches Abwasser enthält Wärme. Die kann man zur Wärmeversorgung eines Gebäudekomplexes oder Wohnquartiers einsetzen. Das Abwasser wird hier als Wärmequelle genutzt. So verringert sich der Bedarf an anderen Energieträgern zur Wärmegewinnung. Man kann aber auch das Abwasser verwenden, um ein Gebäude zu kühlen. In diesem Fall dient das Abwasser als Wärmesenke. Auf diese Weise lassen sich bei der Abwasser-Nutzung erhebliche Mengen an klimaschädigendem CO₂ einsparen.
Hohe Ingenieur-Kunst
Möglich wurde die Umsetzung dieser neuen Form der Wärmegewinnung, weil unter der Straße "Am Rosengarten" an einer Außenseite des Quartiers eine aus Richtung Frankfurter Straße kommende große Abwasser-Rohrleitung des Abwasserverbands Fulda (AVF) verläuft. In Abstimmung mit dem AVF darf diese Leitung angezapft werden, um das Abwasser als Energieträger nutzbar zu machen. Im Sommer 2022 wurde vor dem heutigen Gebäude des Finanzamts ein sechs Meter hoher und 2,5 Meter breiter Schacht in den Untergrund gebaut. Darin ist eine Schachtsiebanlage installiert, die das ankommende Abwasser grob filtert. Anschließend wird es einem Wärmetauscher im Keller des Gebäudes zugeführt – rund 100 Kubikmeter pro Stunde. Der Wärmetauscher entzieht dem auch im Winter durchschnittlich 10 °C warmen Abwasser Energie und erwärmt damit eine Soleflüssigkeit. Deren Temperatur wird anschließend durch eine Wärmepumpe auf 48 bis 58 Grad Celsius angehoben und hat am Ende die für Heizzwecke nötige Vorlauftemperatur. Den überwiegenden Teil des für diesen Prozess benötigten Stroms liefern PV-Anlagen auf den Dächern.
In warmen Monaten, wenn das Abwasser eine Temperatur von 16 bis 18 Grad Celsius aufweist, wird das System zum Kühlen eingesetzt. Hierzu Jörg Brandes, Anlagenplaner bei der RhönEnergie Effizienz+Service GmbH: "Das Besondere an unserem System ist, dass wir im Vergleich zu Wärmepumpen, die mit Außenluft arbeiten, auch im Winter Temperaturen im deutlichen Plus-Bereich nutzen können. Im Sommer müssen wir nicht gegen die hohen Außentemperaturen arbeiten, die dann teilweise jenseits der 30 Grad Celsius-Marke liegen. Dadurch erzielen wir mit unserer Anlage eine deutlich höhere Effizienz."
Regionales Leuchtturmprojekt
"Unsere Unternehmensgruppe hat das Selbstverständnis, innovativer Energiedienstleister und Treiber der Energiewende im Interesse unserer Kunden zu sein. Da ist es nur folgerichtig, für das Löhertor-Quartier als dem Sitz unserer Unternehmenszentrale eine hochmoderne Lösung zu entwickeln. Die Experten dafür haben wir ja im eigenen Hause", erläutert Dr. Arnt Meyer, Geschäftsführer der RhönEnergie. "Wir sind stolz darauf, dass wir unseren hohen Anspruch erfolgreich in die Praxis umsetzen konnten. Dass die LandesEnergie-Agentur Hessen (LEA) unser Löhertor-Konzept als Leuchtturmprojekt in eine interaktive Landkarte aufnehmen wird, sehen wir als Bestätigung unseres Ansatzes."
Praxistest bestanden
Nach einer kurzen Test- und Anlaufphase sei die Anlage nun bereits seit gut einem Jahr störungsfrei in Betrieb, unterstreichen die Fachleute der RhönEnergie Effizienz+Service GmbH, die das System konzipiert haben und betreiben. In dieser Zeit wurden aus dem Abwasser rund eine halbe Million Kilowattstunden (kWh) Wärme gewonnen. Der typische Jahresverbrauch einer vierköpfigen Familie beträgt ca. 20.000 kWh. "In den heißen Sommerwochen des Jahres 2023 konnten wir zudem rund 80.000 kWh Kälte zur Kühlung bereitstellen", erläutert Jörg Brandes. "Mit Blick auf die dafür benötigte Energie kommt uns zugute, dass uns an heißen Tagen mit hohem Kühlbedarf auch viel Sonnenstrom zur Verfügung steht."
So zieht Ludwig Montag, Planer und Prokurist bei der RhönEnergie Effizienz+Service GmbH, eine uneingeschränkt positive Zwischenbilanz: "Unsere innovative Anlage für das Fuldaer Löhertor hat sich im ersten Jahr sowohl in den heißen Sommerwochen als auch bei Winterkälte zuverlässig bewährt." Diese Erfahrungen bestätigt die Einschätzung der Fachwelt, dass die Nutzung von Abwasser zur Wärme- und Kälteversorgung ein "schlafender Riese" mit enormem Potenzial ist. Denn der energiegeladene Ausgangsstoff Abwasser steht kontinuierlich kostenfrei zur Verfügung.
Primärenergie-Faktor 0,00 für das Wärme-Versorgungssystem
Neben Wärme und Kälte benötigt das Löhertor-Quartier auch Strom für den Betrieb der technischen Anlagen. Dieser wird unter Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten durch ein mit Bio-Methan betriebenes Blockheizkraftwerk sowie durch mehrere PV-Anlagen auf den Dächern der Gebäude erzeugt. Das verwendete Bio-Methan wird unter anderem von der zur RhönEnergie Gruppe gehörenden Biothan-Anlage auf dem Finkenberg bei Kleinlüder aus biogenen Reststoffen erzeugt.Unter Einbeziehung aller Komponenten und Maßnahmen ergibt sich für die angeschlossenen Gebäude im Löhertor-Quartier nach vollständiger Fertigstellung für das Wärme-Versorgungssystem ein Primärenergie-Faktor von 0,00. Ludwig Montag: "Unser Ziel ist es, die gesamte zum Heizen und Kühlen benötigte Energie der angeschlossenen Gebäude CO₂-neutral bereitzustellen" So muss dem Gebäudekomplex keine Energie mehr aus fossilen Quellen zugeführt werden. Damit leistet die Gruppe durch Verzicht auf fossile Energieträger einen starken Beitrag zur sogenannten Dekarbonisierung."
Die RhönEnergie Gruppe als Motor der Energiewende in der Region
"Das Projekt Energieversorgung Löhertor war in der Umsetzung herausfordernd", resümiert Jörg Brandes: "Da war nichts von der Stange und mit vielen Details betreten wir Neuland. Doch mit Unterstützung der beteiligten Firmen konnten wir diese einmalige Anlage in Betrieb nehmen. Sie wird von uns in Echtzeit überwacht und hat genug Kapazitäten, um die auf dem Gelände noch hinzukommenden Wohngebäude ebenfalls mit einzubeziehen."
Vor dem Hintergrund dieses überzeugenden Zwischenergebnisses wird in Kooperation mit dem Abwasserverband Fulda bereits geprüft, ob sich das System Wärmgewinnung aus Abwasser auch an anderen Standorten im Stadtgebiet realisieren lässt. Das Fuldaer Vorzeigeprojekt könnte Kreise ziehen…(pm) +++