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Frühwarnsystem aktiviert: Damit keine Flutwellen durch den Landkreis schießen
26.04.24 - "Damit wir hier früh genug agieren können und so etwas nicht passiert, wie es im Ahrtal passiert ist, dafür geben wir jetzt den finalen Kick-Off", erklärte Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus am Donnerstag in Künzell-Dirlos. Gemeinsam mit dem Fuldaer Landrat Bernd Woide und Künzells Bürgermeister Timo Zentgraf nahm sie das Starkregenfrühalarmsystem in Betrieb.
Das System misst in Echtzeit Niederschlag, Pegelstände und Abflussverhalten und kombiniert diese Daten mit den Werten des Deutschen Wetterdienstes. Im Bedarfsfall löst das System in Sekundenschnelle einen Alarm bei Bürgerinnen und Bürgern, Rettungskräften und Verwaltung per SMS, E-Mail oder VoiceCall aus. Künstliche Intelligenz kommt bei der Auswertung der Daten zum Einsatz.
"Es geht darum, die Kommunen so zu vernetzen, dass wenn es zu einem Starkregenereignis kommt und bei einem Bach der Pegel steigt, schnell gemeindeübergreifend gewarnt werden kann. Dass Bürgern gesagt werden kann: 'Achtung, Keller räumen' oder wenn es schlimmer kommt 'bitte das Haus verlassen'", so Sinemus. "Bei dem Grumbach hier könnte man sagen, das ist doch nur eine etwas langgezogene Pfütze, aber jeder, der hier wohnt weiß: Bei Starkregen schwellen gerade diese sonst so friedlichen Bächlein an und werden zu einer massiven Gefahr", erklärte Woide und richtete ein "herzliches Dankeschön aus der Region und in die Region an alle, die das hier möglich gemacht haben".
Zentgraf erinnert: "Da kommt wieder Wasser, eine richtige Welle" In Künzell sei es in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder zu Schäden durch Starkregenereignisse gekommen, die nicht nur der Gemeinschaft übel bereitet haben, sondern auch der Gemeinde direkt, berichtete Zentgraf. Mehrfach sei etwa das Bürgerhaus in Künzell-Engelhelms Opfer der Schlammflut geworden. "Interessant war für mich der Frühling 2018, als das Hochwasser kam, bin ich herumgefahren und stand irgendwann in Dietershausen und ich rief den Petersberger Bürgermeister Carsten Froß vom Kohlgrund aus an und sagte: 'Carsten, sie mal zu, dass die Feuerwehr losfährt, da kommt wieder Wasser, eine richtige Welle", so Zentgraf. Er lobte das System: "Das, was damals telefonisch per Handy gemacht werden musste, haben wir jetzt elektronisch viel schneller, viel früher, viel präziser als die bloße Aussage: 'Da kommt Wasser'."
Ramona-Magarita Ruppert, Projektleiterin des Warnsystems erklärte: "Wir haben jetzt nicht nur Sensorik auf dem neuesten Stand, sondern auch das System so angepasst, dass es ideal warnt". Dafür habe man Feedback von Bürgern, den Gemeinden und den Feuerwehren sehr ernst genommen und umgesetzt. "Für Sie als Bürger ist uns wichtig, dass Sie sich dieses System zu eigen machen und zu ihrem Schutz nutzen".
"Plötzlich schoss das Wasser durch unseren Garten bis in den Keller" "Plötzlich schoss das Wasser durch unseren Garten bis in den Keller. Es hatte sich dann bald ein richtiger See gebildet, sodass die Feuerwehrleute, die dann hereilten, bis zu den Oberschenkeln im Wasser standen", berichtete Jutta Schäfer. Sie wohnt direkt am oft überfluteten Spielplatz am Grumbach in Künzell-Dirlos. Innerhalb einer Stunde sei der Pegel derartig angestiegen. "Zum Glück waren alle Zuhause, so haben wir das rechtzeitig gemerkt und konnten alle gemeinsam anpacken. Wenn keiner guckt, dann bekommt man das nicht mit und mit der App können wir das jetzt perfekt im Blick behalten, das ist total beruhigend".
Bürgerinnen und Bürger können die Infos für ihr Einzugsgebiet über die Webseite www.starkregen.de abrufen. Um die Pegeldaten und Niederschlagswerte sowie die Warnungen auch auf dem Smartphone zu erhalten, kann die kostenfreie "Starkregen App" in den App-Stores für Android und Apple heruntergeladen werden.
Die Untere Wasserbehörde des Landkreises Fulda hatte zu Beginn des Projekts im Herbst 2021 ein interdisziplinäres Team aus Vertreterinnen und Vertretern des Amtes für Bodenmanagement Fulda, der Firma Spekter und der EDAG PS zusammengestellt. Weitere Unterstützer im Projekt sind der "Runde Tisch Geodateninfrastruktur" (GDI) sowie fachlich das RP Kassel, das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) und verschiedenste Fachbüros. Durch die Beteiligung von 23 Kommunen und kreisfreien Städte wird eine Vielfalt von kommunalen Strukturen abgebildet und damit die Grundlage geschaffen, dass diese Anwendung übertragbar ist und in der Fläche funktioniert. Das Hessische Digitalministerium hat das Projekt mit 828.000 Euro aus dem Programm "Starke Heimat Hessen" gefördert. Die Gesamtkosten belaufen sich auf knapp eine Million Euro.