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Grüner MdEP Martin Häusling: "Den Spaß an Politik noch nicht verloren!"
22.05.24 - Martin Häusling sitzt seit immerhin 15 Jahren für Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament und hofft, diese wichtige Aufgabe auch nach der Wahl am 9. Juni ausüben zu können. Der 63-Jährige ist agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion, was naheliegt, weil er als Bauernsohn auf dem Kellerwaldhof in Bad Zwesten (Schwalm-Eder-Kreis) seiner Eltern aufgewachsen und gelernter Agrartechniker ist. Seit 1988 bewirtschaftet er den Hof mit seiner Familie nach Bioland-Richtlinien und produziert seinen eigenen Käse.
Häusling ist ein alter Hase im politischen Geschäft, gehörte schon 1979 zu den Gründungsmitgliedern der hessischen Grünen, kennt die Spielregeln des Politbetriebs und die Notwendigkeit zur Kompromissfähigkeit. Seine Erfahrung, aber vor allem seine ruhige ausgleichende Art und sein Fokus auf gut begründete Sachpolitik haben schon häufig die hochschlagenden Wogen innerparteilicher Konflikte geglättet. Diese Unaufgeregtheit prädestiniert ihn auch für die anspruchsvolle Arbeit in den Ausschüssen im EU-Parlament. Häusling ist Mitglied im EU-Umweltausschuss und im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und dort Koordinator für seine Fraktion. "Im EU-Parlament gibt es bei den Abstimmungen keinen Fraktionszwang und ständig wechselnde Mehrheiten. Die gilt es zu suchen und zu finden", sagt der Pragmatiker.
Grüne Verbotspartei? "Wir schreiben nichts vor, sondern sagen, was gut wäre!"
Nicht nur im Wahlkampf werden Grüne immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, eine nervige Partei der Verbote und Überregulierung zu sein. Was sagt er gegen solche Kritik? "Wir schreiben niemandem vor, was er essen soll. Aber wir sagen natürlich, was besser, gesünder und weniger klimaschädlich wäre - und das hören manche Verbraucher nicht so gern", sagt er. Es geht ihm nicht um Vorschriften, sondern um Einsichten in Notwendigkeiten. Zum Beispiel: "Wir müssen weniger Fleisch essen, wenn wir auch in Zukunft alle satt werden wollen."
"Menschen wollen wissen, was sie essen!"
Engagiert setzt sich der Bio-Bauer gegen Überdüngung und den Einsatz von Pflanzengiften wie Glyphosat sowie für eine Kennzeichnungspflicht für Gentechnik ein und weiß dabei die Mehrheit der Verbraucher:innen hinter sich: "Die Menschen wollen wissen, was sie essen! Und sie wollen kein Gift und keine Gentechnik in ihrem Essen, das belegen Umfragen". Bei der Nahrungsmittelproduktion gibt es EU-weit jede Menge Baustellen und Verbesserungs- und Aufklärungsbedarf. Häusling hat sich zum Beispiel vehement gegen den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung eingesetzt und bekam den Gegenwind der Tierärztelobby zu spüren. "Das war ein miese Kampagne unter der Überschrift 'Fifi darf nicht sterben'. Dabei geht es dabei gar nicht um Haustiere. Obwohl Hühner in deutschen Mastbetrieben nur drei Wochen alt werden, bekommen sie hohe Dosen des Antibiotikum Colistin verabreicht, was durch den Verzehr zu gefährlichen Resistenzen beim Menschen führt."
Auch bei den bundesweiten Bauernprotesten gegen den Abbau von Steuervergünstigungen wurde Häusling für die Haltung seiner Partei hart attackiert. "Dass die Hälfte ihres Einkommens aus Brüssel kommt, scheint vielen Landwirten selbstverständlich, nur die EU-Auflagen für mehr Klimaschutz wollen sie nicht akzeptieren", konstatiert er nüchtern. Bei den Debatten mit den aufgebrachten Bauern komme ihm aber sein ausgewiesener Sachverstand als Landwirt zugute. "Die merken schnell, dass ich weiß, wovon ich rede. Glaubwürdigkeit ist in der Politik eine harte Währung!"
"Das merkt doch jeder: 2023 waren elf von zwölf Monaten zu warm"
Trotz seines hohen Arbeitspensums während der Sitzungswochen in Brüssel und Straßburg hat Häusling den Spaß an der Politik noch nicht verloren. Und auch, was die Erreichbarkeit seiner hochgesteckten Ziele angeht, ist er nicht desillusioniert. Der Europäische Green Deal, bei dem sich die 27 EU-Mitgliedstaaten verpflichtet haben, bis 2050 klimaneutral werden, gibt ihm Hoffnung. Das Interesse an Maßnahmen gegen Hitzewellen und Wassermassen wachse. "Es ist doch einfach nicht zu übersehen: 2023 war es im Vergleich zum langjährigen Mittel in elf von zwölf Monaten zu warm." Dass es sich lohnt, sich EU-weit für Klimaschutz, weniger Pestizide, mehr Diversität und gegen das Artensterben einzusetzen, scheint sich langsam herumzusprechen.
Und auch das Interesse an Europa und dessen Zusammenhalt wachse. "Ich bin sicher, dass es am 9. Juni eine höhere Wahlbeteiligung geben wird als bisher." Die demokratischen Kräfte haben eine hohe Verantwortung dafür, sich gegen die Rechte, die erklärten Feinde Europas, zu positionieren und zusammenzuschließen", sagt Martin Häusling, der sich auch gerne im neu gewählten EU-Parlament dafür einsetzen will. (Carla Ihle-Becker)+++