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Bauern stinkt der Bürokratie-Irrsinn - Ernährungssicherheit im Fokus
23.05.24 - Die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft stehen den Bauern ins Gesicht geschrieben. Klimawandel, Wetterextreme, Gesetze, Vorgaben, Unsicherheiten in allen Bereichen - die Laune ist nicht besonders gut. Doch die Bäuerinnen und Bauern lassen sich so leicht nicht unterkriegen und sie können kernig werden, wenn es um ihre Zukunft geht.
Präsident Karsten Schmal berichtete von einer Tagung der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, deren Vizepräsident er ist. Dort habe er gespürt, wie mies die Stimmung in den einzelnen Branchen ist. "Das habe ich in sieben Jahren so nicht erlebt bisher. Normal bin ich doch derjenige, der immer klagt. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie unser Land am Stock geht, wenn man sieht, wie es den anderen geht. Da wird einem angst und bange", sagte Schmal.
Die Kernforderungen: "Wir brauchen wieder mehr Anreizpolitik", sagt der Präsident. Joachim Rukwied untermauerte und forderte Freiheit und Unternehmertum. Die Bäuerinnen und Bauern sorgen auch in Deutschland für die Ernährungssicherheit - in Zeit der weltweiten Herausforderungen dürfe dies nicht unterschätzt werden.
Die Demonstrationen zu Beginn des Jahres sind vielen Menschen im Gedächtnis. Beim Hessischen Bauerntag am Mittwochvormittag in der Hessenhalle in Alsfeld dankte Landespräsident Karsten Schmal für das Engagement. 80 Prozent der Menschen in Deutschland stünden hinter den Bauern. Die Streichung der Steuerrückerstattung für Agrardiesel durch die Bundesregierung war der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Was die Bauern besonders ärgert: Die Unterschiede in Europa und der damit verbundene Nachteil im Wettbewerb.
In einer emotionalen Rede kritisierte Joachim Rukwied die Politik in Berlin mit scharfen Worten. Das Pflanzenschutzprogramm bezeichnete der Präsident des Deutschen Bauernverbandes als "Steinzeitprogramm", zudem sei in agrarpolitischen Fragen kein Kompass vorhanden. Wie eine schallende Ohrfeige dürfte sich Rukwieds Lob Richtung Brüssel in Berlin anfühlen. Dort habe man sich im Gegensatz zu Berlin bewegt. Er spüre bei seinen Auslandsterminen, dass die Landwirtschaft in der Welt eine höhere Bedeutung genieße im Vergleich zu Deutschland.
"Dann handele ich als Landwirt Joachim Rukwied als Europäer"
Beim Thema Pflanzenschutz und dem Einsatz von Glyphosat lobte er die EU-Entscheidung zur Verlängerung von zehn Jahren. Ein Verbot steht im Raum: "Wenn Berlin nicht zur Vernunft kommen sollte, handele ich als Landwirt Joachim Rukwied als Europäer. Wie Sie das interpretieren, das überlasse ich ihnen", sagte Rukwied. Pflanzenschutzmittel seien notwendig, auch aus den aktuellen Herausforderungen der Wetterextreme heraus. Er warnte: "Wir brauchen ein Zukunftsprogramm Pflanzenschutz, welches dieser Bezeichnung gerecht wird. Was im Moment im Landwirtschaftsministerium in Berlin vorgeschlagen wird, ist, das sage ich als Landwirt Joachim Rukwied, ein Steinzeitprogramm, zurück in die Steinzeit und nicht in die Zukunft."Die Hessische Landjugend mit der Vorsitzenden Theresa Schäfer an der Spitze, aber auch die amtierenden Landwirtschaftsköniginnen und die Preisträger des Nachwuchswettbewerbs fordern von der Politik Planungssicherheit statt großer Unsicherheit.
Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), betonte, wie wichtig Planungssicherheit für die Landwirtinnen und Landwirte sei: "Wir brauchen eine starke und wettbewerbsfähige Landwirtschaft in Deutschland. Dafür sind Zukunftsperspektiven für die Landwirtinnen und Landwirte sowie für die ländlichen Räume unerlässlich."
Schmal erklärte weiter: "Gerade in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten, vieler offener Fragen bei der Klimafolgeanpassung und größter Planungsunsicherheit für sich weiterentwickelnde Betriebe, brauchen wir eine Politik, die – wie wir Landwirte –wieder in Generationen denkt." Vor diesem Hintergrund lobte er die gute Zusammenarbeit mit der neuen hessischen Landesregierung: "Landwirtschaftsminister Jung und seine Staatssekretäre
haben einen kooperativen Weg eingeschlagen und bereits erste Lösungen für die hessischen Landwirtinnen
und Landwirte präsentiert."
DBV-Präsident Joachim Rukwied betonte die enge Zusammenarbeit zwischen dem Hessischen und dem Deutschen Bauernverband und bedankte sich für die großartige Unterstützung bei den Bauernprotesten: "Gemeinsam haben wir viel erreicht. Wir haben die Steuererhöhungspläne der Bundesregierung in Teilen verhindert und wir haben die politische Agenda in Brüssel verändert. Bürokratieabbau und Ernährungssicherung spielen wieder eine Rolle. Wir sprechen neben den Themen Tierwohl, Biodiversität und Klima auch wieder intensiv über die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe."
"Wir wollen sie nicht knechten, sondern hegen und pflegen"
Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat beim Hessischen Bauerntag betont, dass Landwirtinnen und Landwirte Solidarität, Respekt und Anerkennung der Gesellschaft und Politik verdienen. "Wir stehen fest an der Seite unserer Bauern", sagte er am Mittwoch in Alsfeld. Die hessische Agrarpolitik baue auf eine verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft – geprägt von Fairness, Anerkennung und Wertschätzung. Er dankte den Landwirtinnen und Landwirten für ihre wichtige Arbeit und versprach, sie auch künftig zu unterstützen. "Wir wollen die Landwirtschaft nicht gängeln, sondern in Gang halten. Wir wollen sie nicht knechten, sondern hegen und pflegen. Wir haben nicht nur ein Ministerium, sondern auch ein Herz für Bäuerinnen und Bauern", sagte Rhein. Sie seien weit mehr als Lebensmittelerzeuger und sicherten die Existenzgrundlage für das Land. Erstes Ziel in Hessen sei es, den Landwirten wieder zuzuhören. Und nicht nur über, sondern mit den Landwirtinnen und Landwirten zu sprechen. Das bedeute aber auch, dass den Worten bald Taten folgen müssten.
Rhein sagte beim Hessischen Bauerntag, landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland produzierten Lebensmittel nach höchsten internationalen Standards und trügen damit entscheidend zur Ernährungssicherung, zum Erhalt regionaler Wertschöpfungsketten und zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bei. "Das verdient Respekt und Anerkennung", äußerte der Regierungschef, der drei Handlungsfelder der hessischen Landwirtschaftspolitik hervorhob: Die Stärkung des rechtlichen Rahmens für eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft, die Formulierung eines ersten Landwirtschaftsgesetzes für Hessen und die Überarbeitung des Naturschutz- sowie des Grüne-Band-Gesetzes.
"Wir setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, dass Bürokratie beseitigt wird. Dafür stellen wir Dokumentations-, Antrags- und Meldepflichten auf den Prüfstand und vereinfachen Auflagen", sagte der Ministerpräsident weiter. Wir entwickeln zukunftsfähige, realistische und praxistaugliche Konzepte für den Ackerbau, die Tierhaltung und die regionale Wertschöpfung. Und wir tun das alles im Dialog mit der Branche." (hhb) +++