Gipfeltreffen auf der A7-Grünbrücke: Beliebter Übergang für die Waldbewohner
28.05.24 - Im kleinen Teich quaken die Frösche, das Gelände ist ziemlich zugewachsen, die Pressevertreter bahnen sich gemeinsam mit den Vertretern vom Landesjagdverband, der Autobahn GmbH und Hessen Forst ihren Weg durch das Dickicht. Ihr Ziel: Die Grünbrücke über die Autobahn A7 bei Michelsrombach (Hünfeld, Landkreis Fulda).
Oder ist es doch eher eine Wildwechselbrücke? David Nüchter gefällt dieser Begriff nicht wirklich. Der Revierleiter vom Forstamt Marbach sagt: "Die Brücke ist ein Lebensraum und keine Transitstrecke." Die Spuren zeigen, wie die Wildtiere das Areal nutzen - etwa die Wildkatze, Rotwild, Schwarzwild. Neben dem Leitwild - dem Rotwild, nutzen auch andere Tiere wie Amphibien die Brücke zum Gebietswechsel. "Sie haben das Quaken gehört. Drüben auf der anderen Seite ist auch ein Teich. Die Amphibien rufen sich zu", sagt Nüchter.
Was die Interessensvertreter eint: Die Sinnhaftigkeit dieser Brücken, von denen es in Hessen lediglich insgesamt elf Stück gibt. Sieben an Autobahnen, vier Brücken über Bundesstraßen. Jürgen Ellenberger ist Präsident vom Landesjagdverband. Er fordert: "Wildbrücken sind für die genetische Artenvielfalt extrem wichtig. Die A5 bei Gießen ist unser Sorgenkind", sagt Ellenberger. Das Rotwild wechselt seine Gebiete und sorgt so für eine Mischung. "Ein paar junge Hirsche reichen schon", sagt der Vertreter vom Jagdverband. Ansonsten werden die Tiere krank, es komme zu Missbildungen.
Julia Rös von der Autobahn GmbH bestätigt, dass die Brücke bei Michelsrombach "extrem gut angenommen" werde. "Wir haben die Brücke 14 Jahre lang mit Wildkameras beobachtet", sagt Rös weiter. Dort konnten sie den Betrieb gut beobachten. Derzeit gibt es dort keine Wildkameras mehr. Sie wurden geklaut. Menschen generell und Vandalismus können sie dort auf der Brücke keinesfalls gebrauchen.
Für Diskussionen sorgt offenbar die Pflege der Natur auf der Brücke. Zuständig ist die Autobahn GmbH für die 50 Meter breite und rund 50 Meter lange Brücke. Hessen Forst bewirtschaftet im Umkreis der Brücke rund 10.000 Quadratmeter. Revierleiter David Nüchter bevorzugt einen gewissen Bewuchs, damit auch kleinere Tiere die Brücke nutzen können. Dem Jagdverband gingen die Pflegearbeiten wohl nicht weit genug und zudem gab es in der Vergangenheit wohl eine zu einseitige Kommunikation.
"Die Verbuschung ist ein bisschen gewünscht"
Steininseln, Totholz sowie von Menschenhand gepflanzte Wildapfel und Wildbirnen teilen sich den Raum mit Kiefern, Birken und Fichten, die "wild" wachsen. "Die Verbuschung ist ein bisschen gewünscht", sagt Nüchter. Auch, um Menschen von der Brücke fernzuhalten. Diese zerstören sonst den Lebens- und Wanderraum der Wildtiere. Und so spannend anders ist es dort auf der Brücke nun auch nicht, als dass man dort mit Quad oder sonstige Gefährte schauen muss und die Wildtiere vertreibt.Die erste Wild-Grünbrücke in Hessen wurde übrigens zwischen den Jahren 2010 und 2012 für rund fünf Millionen Euro hier in Osthessen gebaut. Damals habe es im Landkreis Fulda durchaus politische Diskussionen zur Sinnhaftigkeit dieser Investition bei Michelsrombach gegeben, sagt Ellenberger. Inzwischen sei sie akzeptiert. Die genetische Artenvielfalt sei hier in Osthessen in Ordnung, wie Auswertungen ergeben hätten. Das schildert Pressesprecher Markus Stifter vom Landesjagdverband. Ein Nachrüsten kostet heutzutage rund 30 Millionen, wir Rös erklärt. Ellenberger sagt, dass bei neuen Autobahnen - etwa der A44 im Werra-Meißner-Kreis - entsprechende Brücken gleich mit eingeplant werden. Das spare wiederum Kosten.
Jagdverband: "Dringende Pflegemaßnahmen"
Was die Brücke bei Michelsrombach angeht, so solle der Bestand alle zwei Jahre zurückgeschnitten werden. "Nachdem im Jahr 2021 die Zuständigkeit für das Autobahnnetz auf den Bund und 'Die Autobahn GmbH' übergegangen ist, sind nunmehr dringende Pflegemaßnahmen, wie z. B. der Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern (nach der Brut- und Setzzeit) erforderlich, um die gewünschte Wechselfunktion insbesondere für bodengebundene Kleinsäugetiere, Amphibien und Reptilien zu erhalten", schreibt der Jagdverband in seiner Pressemitteilung.
Hessen Forst und die Autobahn GmbH stünden laut deren Vertreter im Austausch und wollen am Zwei-Jahres-Rhythmus festhalten. Die hessische Jägerschaft biete nach eigenen Angaben sowohl bei der Pflege und dem Rückschnitt von Bäumen und Büschen als auch beim Wildmonitoring eine aktive Unterstützung an. Für die Autobahn GmbH bestehe derzeit kein Bedarf an Wildkameras.
Wenn sie das nächste Mal auf der Autobahn A7 zwischen den Anschlussstellen Hünfeld/Schlitz und Fulda-Nord lang fahren, dann wissen sie nun, was neben und vor allem auf der grünen Wildbrücke so alles los ist. Nachfolgend einige Bilder von unserem OSTHESSEN|NEWS-Fotografen Hans-Hubertus Braune. (hhb) +++