Julius Kühn: "Göppingen, mein letztes Auswärtsspiel für die MT"
29.05.24 - Das vorletzte Saisonspiel der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga bestreitet die MT Melsungen bei FRISCH AUF! Göppingen. Anwurf in der EWS Arena ist am Mittwoch um 20.30 Uhr.
Für Julius Kühn rückt damit der Abschied von der MT Melsungen immer näher. Sieben Spielzeiten trug der 31 Jahre alte Rückraumlinke das Trikot der Rot-Weißen. Grund genug, den zwei Meter großen Hünen vor der Partie in Göppingen in den Blickpunkt zu nehmen.
Wir haben Julius Kühn gebeten, die folgenden Satzanfänge zu vervollständigen:
Auf meine letzten beiden Spiele im MT-Trikot blicke ich ... eigentlich ganz entspannt. Momentan fühlt sich alles recht normal an. Aber ich bin mir sicher: Spätestens am Sonntag nach dem Kiel-Spiel werde ich merken, dass etwas in mir vorgeht. Dann werden Emotionen hochkommen. Sieben Jahre sind eine lange Zeit. Ich war und bin bei der MT komplett integriert. Ich kann sagen: Es war eine schöne Zeit.
An Nordhessen gefällt mir besonders ... die gute Autobahn-Anbindung (lacht). Nein, nur Spaß. Tatsächlich fühlen wir uns hier sehr wohl. Die Art der Leute ist speziell, ja, aber sobald ich gelernt hatte, damit umzugehen, bin ich super damit zurechtgekommen. Darüber hinaus hat die Region viel zu bieten. Kassel gefällt mir, Melsungen ist ein richtig schönes Städtchen, und du bist sofort im Grünen – das ist eine hohe Lebensqualität.
Zu meinem Happy Place in den zurückliegenden sieben Jahren wurde ... in der Anfangszeit vor allem das Kokotao. Meine jetzige Frau Mirlinda und ich waren damals viel in Kassel unterwegs. Heute verbringen wir mit den Kindern mehr Zeit auf Spielplätzen. Überhaupt halten wir uns sehr gern draußen auf – der Bergpark ist klasse und natürlich auch die Karlsaue.
Zu den bittersten Momenten meiner MT-Zeit gehören ... das verlorene Pokalfinale gegen Lemgo. Das war schon ein prägendes Ereignis. Einen Saisonabbruch wie während der Corona-Pandemie möchte ich auch nicht mehr erleben. Darüber hinaus haben mir die zwei schweren Verletzungen zugesetzt: erst ein Kreuzbandriss und dann ein Bruch im Sprunggelenk.
Zu den Höhepunkten gehören ... zuallererst die Geburt meiner beiden Kinder. Außerdem unsere Hochzeit. Von daher wird für uns als Familie Nordhessen immer eine besondere Bedeutung haben. Was das Sportliche betrifft, würde ich jetzt gern Titel aufzählen – das hat leider nicht geklappt. Höhepunkte waren aber vor allem große Spiele vor der tollen Kulisse in der Rothenbach-Halle. Ich denke dabei zum Beispiel an den Sieg gegen die Rhein-Neckar Löwen, als ich den entscheidenden Treffer per direkten Freiwurf erzielt habe. Die Stimmung, als wir uns fürs Final4 qualifiziert haben, werde ich ebenfalls nie vergessen.
Einer der lustigsten Melsungen Teamkollegen ... ist derzeit ein Trio: Timo, Dimi und Ivan. Die Drei spielen sich die Bälle zu und ergänzen sich super. Wir hängen viel zusammen ab und haben viel Spaß. Wenn ich weiter zurückblicke, fällt mir noch Heinevetter ein. Heine ist echt ein Original. Mit Marino Maric war es immer lustig. Und Lasse Mikkelsen – auch wenn er eher ruhig rüberkam – hat einen echt geilen Humor.
Der beeindruckendste Teamkollege ... war eindeutig Finn Lemke. Finn hat besondere Ansichten, immer mit Weitblick, seine Einstellung zum Job, zur Ernährung, ein absolutes Vorbild. Tolle Gespräche.
Kontakt werde ich auf jeden Fall halten ... zu sehr vielen Menschen. Wenn ich in Zukunft mal nach Nordhessen komme, weiß ich sofort, wo ich mich melden kann. Es sind viele Freundschaften entstanden – auch fernab des Handballs. Auf jeden Fall wird der Kontakt zu Arjan van Damme vom Kokotao bestehen bleiben. Insgesamt kann ich mir nicht vorstellen, dass es nach Sonntag heißt: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Vermissen werde ich am meisten ... das alltägliche Leben hier. Wir sind hier heimisch geworden. Man weiß, wo was ist. Die Abläufe, der Rhythmus – gerade mit kleinen Kindern sind solche Dinge nicht zu unterschätzen. Ich weiß aber auch, dass wir uns unseren Alltag an einem neuen Standort wieder aufbauen können. Wo das sein wird, steht allerdings noch nicht fest.
Für meine Zukunft wünsche ich mir ... vor allem Gesundheit, dass ich von Verletzungen verschont bleibe und dass es meiner Familie gutgeht. In sportlicher Hinsicht wünsche ich mir wieder mehr Lockerheit. Die vergangenen ein, zwei Jahre haben schon an mir genagt. Ich weiß, dass es anders laufen und dass ich besser spielen kann. Und wenn das eintritt, werde ich wieder unbekümmerter sein und mich wohler fühlen.
Und jetzt in Göppingen ... absolviere ich mein letztes Auswärtsspiel für die MT. Und ich möchte meine Zeit bei der MT gern mit zwei Siegen beenden – und sehr gern mit dem einen oder anderen Tor. Aber wie ich eingangs sagte: Noch bin ich entspannt. Am Sonntag wird das anders sein. Zum Abschied kommen Freunde und Familie nach Kassel. Erst nach dem Kiel-Spiel wird mir vermutlich richtig bewusst werden, dass es nun vorbei ist. Dass sieben Jahre MT dann der Vergangenheit angehören.
Zur Person
JULIUS KÜHN (31) stammt aus Duisburg. Über die Stationen Düsseldorf, Essen und Gummersbach kam der zwei Meter große Handballer 2017 zur MT Melsungen. Für die Nordhessen bestritt der Rückraumlinke bislang 215 Spiele in der Bundesliga und im DHB-Pokal und erzielte dabei 937 Tore. Mit der Nationalmannschaft wurde er 2016 Europameister und holte Bronze bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro. Kühn ist verheiratet mit Mirlinda. Sohn Lio ist vor Kurzem zwei Jahre alt geworden, Töchterchen Sienna ist 13 Monate alt. (pm) +++