High auf Hessens höchstem Berg - das OSTHESSEN|NEWS-Selbstexperiment
15.06.24 - Seit dem ersten April können in Deutschland legal Joints geraucht werden. Die Debatte im Vorfeld der Teillegalisierung war hitzig. Manche sahen die Bundesrepublik zum Kifferland werden - mit gefährlichen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit und den Jugendschutz. Befürworter prophezeiten das Gegenteil - die Legalisierung sei der einzige Weg, um den gefährlichen Schwarzmarkt einzudämmen.
Doch was sagen Experten zur Legalisierung - und wie wirkt sich Cannabis auf den eigenen Körper aus? OSTHESSEN|NEWS hat das Selbstexperiment gewagt. Im Video zeigen wir, wie sich der Rausch anfühlt. Spoiler: Mit Alkohol lässt er sich nicht wirklich vergleichen.
Der erste Ansprechpartner, wenn es um den Konsum geht, war für uns ein Mediziner. OSTHESSEN|NEWS-Arzt Adrian Böhm begleitete das Selbstexperiment. Welche Erfahrungen hatte er bisher im Umgang mit Cannabis? "Als Notfallmediziner werden wir selten zu Einsätzen im Kontext mit Cannabis alarmiert, Einsätze in Bezug zu Alkohol hingegen sind alltäglich", berichtet er. Dennoch dürfe man auch die Risiken von Cannabis nicht unterschätzen.
Mediziner: Cannabis mindert bei Jugendlichen dauerhaft die Intelligenz "Definitiv die Hände vom Cannabis lassen, sollten Menschen, die eine Veranlagung für psychische Erkrankungen haben", erklärt Böhm. Diese haben beim Konsum ein erhöhtes Risiko. Zwar wisse man nicht, ob Cannabis Psychosen verursacht, aber dass es sie "triggern" kann. Vor allem seien Jugendliche gefährdet, wenn sie Cannabis konsumieren. In Studien habe man festgestellt, dass bei Erwachsenen ein zwischenzeitlicher Rückgang des IQs zu beobachten sei - der bei Jugendlichen auch noch Jahre nach dem Konsum anhalte.
Wichtig ist aus Sicht des Mediziners besonders die Aufklärung über eben jene Gefahren. Man müsse sich nun mal eingestehen, "dass Cannabis omnipräsent ist". Das zeige auch der Datensatz der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, nach der mehr als 50 Prozent der jungen Heranwachsenden schon Kontakt mit Cannabis hatten. Die Hoffnung sei, dass durch diese Teillegalisierung die Debatte hierzu angestoßen und die Aufklärungsarbeit deutlich intensiviert werde.
Polizei rechnet mit erhöhtem Kontrollaufwand Was ändert sich mit der Legalisierung für die Beamten der Polizei? Das sei von der Umsetzung des Gesetztes abhängig, erklärt das Landeskriminalamt (LKA) Hessen OSTHESSEN|NEWS auf Anfrage. "Grundsätzlich ist nicht mit einer Entlastung, sondern weiterhin mit einem hohen Aufwand für die Polizei zu rechnen. Die Novellierungen führen zu einem erheblichen behördlichen Kontrollaufwand und zu zahlreichen neuen Streitfragen", meint Virginie Wegner, Sprecherin des LKA.
Inwiefern sich eine Entkriminalisierung von Cannabis auf die Organisierte Kriminalität auswirken könnte, bleibe abzuwarten. "Vor dem Hintergrund polizeilicher Erfahrung ist jedoch nicht anzunehmen, dass langjährige und professionelle Akteure des organisierten Drogenhandels nach einer Legalisierung von Cannabis ihre Tätigkeiten einstellen werden, sondern dass sie weiterhin produzieren und verkaufen werden. Da sie sich hierbei nicht an staatliche Kontrollen und steuerliche Vorgaben wie die legalen Produzenten halten müssen, können sie ihre Produkte günstiger und damit für sie gewinnbringend auf den Markt bringen", erklärt Wegner. Ein Beispiel hierfür sei etwa der illegale Zigarettenschmuggel und -handel.
"Broccoli Buddies" sehen sich dem Schwarzmarkt gegenüber gewappnet Anders sieht das Elena Fischer. Sie ist Vorsitzende des Cannabis-Social-Clubs "Broccoli Buddies" aus Fulda. "Wir können unser Cannabis für sechs bis acht Euro pro Gramm an die Mitglieder abgeben", verspricht sie im Interview mit OSTHESSEN|NEWS. Zum Vergleich: Auf dem Schwarzmarkt wird das Gramm im Schnitt für über zehn Euro gehandelt. Selbst inklusive des Mitgliedsbeitrags von etwa zehn Euro im Monat seien Menschen, die regelmäßiger konsumieren, in ihrem Verein günstiger als beim Straßenpreis unterwegs. "Das ist auch genau das Ziel der Legalisierung. Nur so kann der Schwarzmarkt effektiv eingedämmt werden", sagt Fischer.
Ein anderer Aspekt der Legalisierung sei der Gesundheits- und Jugendschutz. "Wir schulen unsere Mitglieder in diesen Dingen und streben auch eine Kooperation mit der Diakonie an, damit ein starkes Team von Sucht- und Drogenbeauftragten in persönlichen Krisenfällen bereitsteht", sagt Fischer. Eine Besonderheit bei den "Broccoli Buddies": Die Mitgliedschaft ist statt ab 18 Jahren erst mit 21 Jahren möglich. Damit nehme man den Jugendschutz noch ernster, als es der Gesetzgeber aktuell vorsieht. Bis die Social-Clubs ihr Cannabis abtreten können, wird allerdings noch einige Zeit ins Land gehen. Erst im Juli kann der Verein seine Anbaugenehmigung beantragen. "Allerspätestens zum neuen Jahr sollten die ersten Pflanzen dann aber soweit sein", so Fischer.
Bereits jetzt ist der Anbau in den eigenen vier Wänden legal, genauso der Konsum - mit Einschränkungen. Wie stehen Sie zur Legalisierung? Wir freuen uns auf ihre Meinung per E-Mail an [email protected].