Firmengründer Fritz Unger und eine SkyWind NG Anlage - Fotos: Privat

REGION Mit Mafia-Methoden

Wie Chinas Solar-Konzerne gegen "SkyWind Energy" vorgehen

19.06.24 - Ein deutscher Unternehmer berichtet, wie seine Firma mit Hacks, Fake-News per Influencer-Marketing und Plagiaten angegriffen wird.

In zehn Jahren von Jugend-forscht zum Mittelständler mit vielen Millionen Euro Jahresumsatz - die Geschichte von "SkyWind Energy" aus Langenhagen bei Hannover liest sich fast wie aus dem Bilderbuch. Mit 18 Jahren entwickelte Unternehmensgründer Fritz Unger einen Rotor für besonders effiziente Windkraftanlagen. Das Neue an seiner Technik: Seine SkyWind NG getauften Anlagen sind klein. So klein, dass sie auf Hausdächern oder im Garten Strom erzeugen können – genau wie eine Solaranlage. In 10 Jahren Entwicklung perfektioniert Unger die Technik. 2018 berichtet erstmals der NDR, im Jahr 2023 wird das Unternehmen sogar von Pro7 als GreenHero ausgezeichnet. Weit über 10.000 Anlagen arbeiten heute in rund 100 Ländern weltweit, ein großer Teil davon in Deutschland. Gebaut werden sie in Wietze bei Hannover.

Mikrowindkraft

SkyWind an einer Skihütte in Argentinien

Doch seit fast zwei Jahren ist für den jungen Unternehmer nichts mehr, wie es einmal war. Unger erinnert sich noch gut, wie er eines Morgens bei Google auf eine Anzeige seines Unternehmens klickt. Doch irgendetwas stimmt nicht, passt nicht ins Bild. Bald stellt sich heraus: Es ist nicht seine Anzeige und auch nicht seine Webseite. Alles ist perfekt inszeniert. Logos, Bilder, Texte sind vollständig kopiert worden. Nur die Domain unterscheidet sich minimal. Doch nicht nur das: Alle Telefonnummern sind geändert, geänderte E-Mail-Adressen leiten die Kundenanfragen an fremde Server und selbst Postzuschriften gehen an falsche Adressen. Die Firma ist Opfer eines digitalen Identitätsdiebstahls geworden. Doch auch eine schnell eingeleitete Ermittlung verläuft schließlich bei einer Scheinfirma im Ausland ins Leere.

Durchsuchungsbeschluss

Auch für Unger persönlich wird es spätestens an dem Tag ernst, als eines Morgens Polizisten mit Durchsuchungsbeschluss an seine Wohnungstür klopfen. Schnell stellt sich heraus: Hacker, agierend aus Asien, haben die Facebook-Seite seines Unternehmens gehackt und illegales Material hochgeladen, um eine Löschung dieses wichtigen Accounts mit über 60.000 Followern zu bewirken. Und das trotz modernster Zwei-Faktor-Authentifizierung mit Passwort und Code per SMS. Dafür, so erklärt man Unger später, wurde vermutlich sogar die Handyfunkzelle in der Nähe seines Unternehmens gehackt und eine Sicherheitslücke beim Facebook-Konzern ausgenutzt. Wieder führt die Spur nach Asien, verläuft sich jedoch abermals in Leere.

Experten bestätigen Unger inzwischen, was eigentlich bereits offensichtlich ist – hier sind Profis mit kommerziellem Auftrag am Werk.

Sucht man zwischenzeitlich nach den Produkten seines Unternehmens, taucht, so Unger, immer öfter direkt nebenan Werbung für chinesische Produkte mit teils völlig überzogenen Werbeversprechen auf. Etwa Solaranlagen die unrealistisch hohe Erträge zu billigsten Preisen versprechen. Gleichzeitig geht eine regelrechte Flut gefälschter Negativ-Bewertungen für sein Unternehmen auf verschiedenen Plattformen ein. Selbst Foreneinträge werden unter falschen Namen veröffentlicht.

Doch die Täter beschränken sich offenbar nicht nur auf digitale Angriffe. Auch die Produkte des Unternehmens werden kopiert. Hunderte mangelhafter Plagiate konnten Mitarbeiter bis heute identifizieren, meist unauffällig verkauft über Onlineplattformen und Kleinanzeigen.

Im März 2024 dann die Wende: Auf Youtube erscheint ein Video, wieder voll mit falschen Angaben, verkleidet, diesmal als angebliche Rezension. Gleichzeitig wirbt das Video direkt für die Solaranlagen eines großen chinesischen Herstellers. Binnen Tagen wird es effektiv über Social-Media verbreitet und erreicht fast 200.000 Menschen. Erstmals ergibt sich über den Autor des Videos, einen deutschen Youtuber, eine direkte Spur zum Urheber. Diese führt, über ein Geflecht von Firmen, zur Muttergesellschaft nach China. Mit der Tragweite seines Handelns konfrontiert entscheidet sich der Youtuber schließlich reinen Tisch zu machen. Es kommt heraus: Über eine Tochterfirma des chinesischen Konzerns hat er aus England bereits zig tausende Euro nur für die Produktion des Videos erhalten. Über eine Umsatzbeteiligung am Verkauf der Solaranlagen sollte dann weiteres Geld fließen.

Inzwischen läuft ein Verfahren gegen die Firmen des chinesischen Konzerns vor dem Landgericht München. Doch auch ein erster Kontakt des Gerichts schlägt fehl – eine Firma hat Ihren Sitz bereits wieder geändert.

Wir fragen Unternehmensgründer Fritz Unger, wie es für seine Firma nun weitergeht? Der weiß inzwischen, dass er mit seinen Erfahrungen nicht alleine ist. Denn Fälle wie seiner werden in Deutschland Jahr für Jahr mehr - auch wenn das Ausmaß dieses Falls wohl extrem bleibt. Von seinen Windkraftanlagen für jedermann will er die Kunden auch in Zukunft weiter "einfach durch die beste Qualität" überzeugen. Um führend zu bleiben, hat er, so erzählt uns der Unternehmer, gerade erst wieder in großem Umfang in Weiterentwicklungen investiert und will in Kürze eine neue Produktgeneration mit noch besserer Effizienz auf den Markt bringen. Außerdem hat er mit "Genuine SkyWind" ein eigenes Programm für den Kauf originaler Technik ins Leben gerufen. Er setzt auf das Verständnis seiner Kunden, dass nur Qualität aus Deutschland eben auch hier Arbeitsplätze und Lebensstandard sichert. (ph) +++

Weitere Informationen:
ProSieben Galileo GreenHero Fernsehbeitrag: https://www.prosieben.de/serien/galileo/videos/kleine-windraeder-grosses-potential-v_vku90s7r2m3l
n-tv Fernsehbeitrag: https://www.youtube.com/watch?v=r25rDQch-c


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