Bei der Kreistagssitzung im Wartenberg Oval am Mittwoch - Fotos: Marius Auth

WARTENBERG Kreistagssitzung

"Betonköpfe" und Naturfreunde: Wartenberg-Ortsumgehung erhitzt die Gemüter

27.06.24 - Seit 1958 ist die Ortsumgehung B 254 Lauterbach/Wartenberg in der Diskussion. Zur Kreistagssitzung am Mittwoch im Wartenberg Oval forderten CDU-, SPD- und FDP-Fraktion, das Großprojekt schnellstmöglich umzusetzen - die Grünen dagegen, die Ortsumgehung aus dem Bundesverkehrswegeplan herauszunehmen.

Ortsumgehung

Die CDU- als auch die SPD-Kreistagsfraktionen hatte den Antrag gestellt, ebenjene Ortsumgehung schnellstmöglich umzusetzen. "Der Vogelsbergkreis steht hinter der B 254 Ortsumgehung von Lauterbach und Wartenberg. Bereits in Vergangenheit hat der Landkreis seine Zustimmung zu diesem Projekt signalisiert und einen zügigen Ausbau der für die Region so wichtigen Bundesstraße gefordert. Wir appellieren an die neue Landesregierung, dass diese eine schnellstmögliche Umsetzung des Projekts vorantreibt. Den hiesigen Abgeordneten in Bund und Land soll der Beschluss ebenfalls mitgeteilt werden." Leidenschaftliche Plädoyers folgten in der Kreistagssitzung:

Die Ortsumgehung B 254 Lauterbach/Wartenberg ist seit 1958 in der Diskussion ...

Befürworter und Gegner der Ortsumgehung zeigten bei der Kreistagssitzung am Mittwoch ...

Dietmar Schnell (Linke)

Matthias Weitzel (FDP)

Dr. Olaf Dahlmann (SPD)

"Die Bevölkerung im Vogelsbergkreis bewegt das Thema weiterhin. Es muss anerkannt werden, dass die Verkehrswege des ländlichen Raums eine große Bedeutung haben. Das Projekt wurde seit den 1980er-Jahren in konkrete Planungen überführt. In den dichter besiedelten Gebieten Hessens wurden solche Projekte schon vor Jahrzehnten umgesetzt. Die lange Projektverwirklichungszeit hat auch damit zu tun, dass dem ländlichen Raum weniger Bedeutung zugemessen wurde. In Brauerschwend gehören solche Probleme schon in den 1980er-Jahren der Vergangenheit an", erklärte Stephan Paule (CDU).

Barbara Schlemmer (Die Linke)

Patrick Krug (SPD)

Dr. Udo Ornik (Grüne)

Daniel Schmidt (Grüne)

Dr. Jens Mischak (CDU)

"Kreiskrankenhaus und Vogelsbergbahn haben höhere Priorität"

"Das Kreiskrankenhaus oder die Vogelsbergbahn haben höhere Priorität. Man wäre mit der Umgehung zwar schneller an den Ortschaften vorbei - aber dann ist auch kein Umsatzträger dort. Wir sind jetzt schon relativ schnell in Fulda - der theoretische Zeitgewinn beträgt nur wenige Minuten. Mit unserer Resolution soll ein Planungsstopp bewirkt werden - das eingesparte Geld soll auch zur Sanierung maroder Verkehrsinfrastruktur verwendet werden. 22 Brückenbauwerke sollen hinzukommen für 12 Kilometer Strecke. 120 Millionen Euro sind die geschätzten Kosten - kein vernünftiges Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Anwohner dürfen keine Hoffnung bekommen, dass die Umgehung eine kurzfristige Lösung darstellt", erklärte Daniel Schmidt (Grüne) die Beweggründe für den Alternativantrag.

"Die Ortsumgehung bedeutet eine enorme Zerstörung von Natur und Umwelt - und ist seit 1958 in der Diskussion. CDU und SPD haben seit Jahrzehnten die Ministerpräsidenten Hessens gestellt - und klagen jetzt, dass man es immer hätte umsetzen können. Warum ist es anderswo möglich, Tempo 30 anzuordnen, aber nicht bei uns? Bei uns im Kreis scheint ein imaginäres Recht zum Rasen höher bewertet zu werden", erklärte Dietmar Schnell (Linke), warum sich seine Fraktion dem Antrag der Grünen angeschlossen habe.

Stephan Paule (CDU)

"Warum das eine lassen und das andere machen?"

"Wir dürfen uns als Vogelsberg nicht klein machen - warum das eine lassen und das andere machen? Wir brauchen einen guten ÖPNV und vernünftige Straßen im Individualverkehr. Auch Elektroautos brauchen vernünftige Straßen. 1.800 Einpendler aus Fulda allein, 2021 von Lauterbach bis Wartenberg 12.000 Fahrzeugbewegungen am Tag. Wer an so einer Straße wohnt, weiß, was das mit einem macht. Der Grünen-Antrag spielt das eine gegen das andere aus", erklärte Matthias Weitzel (FDP), warum sich die FDP dem Antrag von CDU und SPD angeschlossen habe.

"Wir sind dem Gemeinwohl der Region verpflichtet. Wie kann man da gegen die Ortsumgehung sein? Verkehr durch Ortskerne ist gesundheitsschädlich. Einfachste Abhilfe ist eine Ortsumgehung. Wir planen so lange an dem Projekt, weil die Regionalplanung mit im Boot ist und alle Kommunen. Es ist der richtige Zeitpunkt, jetzt in Wiesbaden und im Bund anzuklopfen. Die Planungen sind bereits sehr weit fortgeschritten", erklärte Mario Döweling (FDP).

Wartenbergs Bürgermeister Dr. Olaf Dahlmann (SPD) stimmte gegen den Antrag seiner Fraktion: "Der Trassenverlauf braucht mehr als 20 neue Brückenbauwerke, solche Großprojekte müssen über die Jahre immer wieder neu bewertet werden. Der Koalitionsantrag zeigt die Bereitschaft dazu nicht. Den Befürwortern soll signalisiert werden, dass jetzt alles schnell geht. Allein die Bauzeit beträgt aber sechs Jahre. Alles in allem braucht es 10 Jahre, willkommen im Jahr 2035."

"Wir müssen umdenken und können mit dem Betonversiegeln nicht weitermachen, Lärmschutz und Abgasschutz können schnelle Abhilfe schaffen. Nachtfahrverbot und andere Möglichkeiten sind in CDU/SPD nicht gewünscht. Es gilt: Sanierung geht vor Neubau, gerade bei der angespannten Haushaltslage in Deutschland", erklärte Barbara Schlemmer (Linke).

"Wenn die Menschen 20 Minuten schneller am Ziel sind, fahren sie aber auch durch andere Städte, etwa durch Alsfeld - das Navi zeigt dann einfach die kürzeste Strecke, deswegen muss man alle Anrainer fragen. Nicht der ganze Vogelsberg, sondern nur ein paar Betonköpfe stehen hinter dem Projekt. Es geht nicht nur um 80 Hektar Fläche, die vernichtet werden. Ffrüher oder später kommen zusätzliche Industrie- und Wohngebiete - deshalb lehnen wir das Projekt ab. Sollte jemand auf die verrückte Idee kommen, das Projekt doch umzusetzen, wird das ein langer Weg", erklärte Dr. Udo Ornik (Grüne).

Der Antrag von CDU, SPD und FDP wurde mit 45 Ja-Stimmen und neun Gegenstimmen angenommen. Der Antrag der Grünen wurde mit neun Ja-Stimmen, 44 Gegenstimmen und einer Enthaltung abgelehnt.

Flüchtlingswesen

Zudem berichtete der Erste Kreisbeigeordnete Patrick Krug unter anderem über die aktuellen Zahlen im Flüchtlingswesen des Kreises: "Seit Januar 2024 wird die Flüchtlingsunterbringung (Asyl) durch die Kommunen geleitet. Aktuell sind in den Kommunalen Unterkünften 97 Personen untergebracht. Durch den Vogelsbergkreis werden weiterhin 23 Gemeinschaftsunterkünfte und 75 Asylwohnungen zur Flüchtlingsunterbringung (Asyl) betrieben. In den Gemeinschaftsunterkünften sind derzeit 588 Personen und in den Asylwohnungen 323 Personen untergebracht. Die Geflüchteten aus der Ukraine sind in den kommunalen Notunterkünften sowie in Asylwohnungen untergebracht. Derzeit sind noch 86 Wohnungen für die Unterbringung von insgesamt 299 Personen durch den Vogelsbergkreis angemietet. Die Notunterkünfte der Städte und Gemeinden sind aktuell mit 153 Personen belegt. Die letzten Bewohner des Ankunftszentrums Alsfeld (Containerdorf) sind Ende März 2024 dort ausgezogen und wurden in kommunalen Unterkünften untergebracht. Anschließend wurde mit dem Rückbau begonnen. Dieser dauert noch immer an."

Jahresabschluss 2023 fristgerecht aufgestellt

Der Jahresabschluss 2023 wurde vom Kreisausschuss am 30.04.2024 innerhalb der vorgeschriebenen Frist aufgestellt. Die Ergebnisrechnung gilt trotz eines festgestellten Fehlbetrags von 2.260.195,43 Euro durch die Verrechnung mit der allgemeinen Rücklage als ausgeglichen. Dies trifft auch für die Finanzrechnung zu, da der Saldo des Zahlungsmittelflusses aus allgemeiner Verwaltungstätigkeit nach Abzug der Auszahlungen für ordentliche Kredittilgung mit 1.806.689 Euro positiv ist, allerdings nur unter Berücksichtigung der ausgesetzten Tilgung der Hessenkasse. Die berechnete ungebundene Liquidität ist am Jahresende 2023 mit rund 700.000 Euro nur geringfügig höher, als bei der Haushaltsplanung 2024 angenommen. Der Kreisausschuss genehmigte mit dem Beschluss auch die im Budget des Jugendamtes entstandenen überplanmäßigen Ausgaben in Höhe von 819,318,33 Euro abschließend, die in den Produkten Eingliederungshilfe, Tagesbetreuung und gesetzliche Leistungen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe vor allem aufgrund steigender Fallzahlen entstanden sind. Im Finanzhaushalt wurden ausschließlich für in Vorjahren geplante Investitionsvorhaben, die bisher nicht vollständig umgesetzt werden konnten, veranschlagte Auszahlungen in Höhe von 14,3 Millionen Euro ins laufende Jahr übertragen und durch einen Übertrag der Kreditermächtigungen aus 2022 und 2023 gedeckt. Übertragungen im Ergebnishaushalt wurden nicht vorgenommen", berichtete Mischak. (mau) +++


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