"Der Flieger im Widerstand" - Interview mit Autorin und Enkelin Valerie Riedesel
20.07.24 - Er heißt Cäsar mit Vornamen, ist von altem Adel, trauert dem deutschen Kaiserreich nach und glaubt schließlich den Versprechungen Adolf Hitlers. Warum Cäsar von Hofacker dann doch zum Widerstandskämpfer wird, erfolgreich am 20. Juli 1944 den Umsturz im von Deutschland besetzten Paris organisiert und schließlich dafür mit dem Leben bezahlt, erzählt seine Lauterbacher Enkelin Valerie Riedesel Freifrau zu Eisenbach in ihrem neuen Buch "Der Flieger im Widerstand". OSTHESSEN|NEWS sprach mit der Spiegel-Bestsellerautorin am 80. Jahrestag des Stauffenberg-Attentats vom 20. Juli 1944.
O|N: Ihr Großvater war Pilot in der Luftwaffe, kämpfte im 1. Weltkrieg, er war adelig und sicherlich politisch konservativ orientiert?
Valerie Riedesel: Absolut. Er meldete sich 18-jährig zum Militärdienst, zutiefst davon überzeugt, sein Vaterland verteidigen zu müssen. Da waren Gedanken von Tapferkeit und Ritterlichkeit das Motiv. 1920 kam er dann aus Kriegsgefangenschaft zurück in ein völlig verändertes Deutschland. Er studierte Jura und schrieb sich in eine rechte Studentenorganisation ein, die eine völkische, anti-semitische und anti-republikanische Ausrichtung annahm.
O|N: Wann stieß Ihr Großvater auf Hitler oder dessen Schriften?
Valerie Riedesel: Das war eigentlich erst 1933 mit der Machtübernahme durch die Nazis. Hitler und die Nationalsozialisten lehnte er ab, er fand sie zu lärmend, zu bayrisch geprägt. Er fand allerdings deren Themen, vor allem die Wiedererstarkung Deutschlands richtig und so wichtig, dass er 1933 versuchte, der Partei beizutreten. Wegen des Aufnahmestopps in der Partei gelang das nicht, 1937 hat er es dann erfolgreich ein zweites Mal versucht.
O|N: Wann hat Cäsar von Hofacker denn seine politische Ausrichtung gewechselt? Etwa nach dem Desaster der deutschen Armee in Stalingrad 1942?
Valerie Riedesel: Nein, er hat seine Perspektive nicht gewechselt, da er den 2. Weltkrieg von Beginn an ablehnenden gegenüberstand. Er begrüßte Hitlers Außenpolitik zunächst, nicht aber den Krieg. Ende der 30er Jahre gab es Kontakte zu einer Gruppe um Stauffenbergs Bruder Berthold und vor allem war es die Politik Hitlers, Frankreich regelrecht "ausplündern" zu wollen, die meinen Großvater zunehmend eine ablehnende Haltung einnehmen ließen. Das ging ihm an die Ehre und dadurch kam er noch einmal ganz anders in einen Konflikt mit dem Regime. 1943 gab es dann einen neuen Kontakt zu der Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg, einen Cousin meines Großvaters.
O|N: Wie kam es denn, dass der Umsturz in Paris funktioniert hat?
Valerie Riedesel: Die Widerstandsgruppe in Paris hatte die Aufgabe, das Oberkommando West der Wehrmacht zur Kapitulation zu bringen. Dies ging nur, wenn die Militärverwaltung mit vertrauenswürdigen "eigenen" Leuten besetzt war. Dazu kam, dass der höchste Militärbefehlshaber, General Carl-Heinrich von Stülpnagel, selbst seit 1938 im Widerstand engagiert war und ständig mit meinem Großvater in Kontakt stand. Nur so konnte es überhaupt gelingen, dass am 20. Juli 1944 rund 1.200 Gestapo- und SS-Männer verhaftet wurden. Dadurch lief es in Paris anders, als in Berlin, wo sich die hohen Generale mit Kommandogewalt letztendlich der Sache versagt haben. Meinem Großvater fiel dabei die Rolle des Verbindungsmannes zu. Anders als der in exponierter Stellung befindliche Stülpnagel, konnte er Kontakte knüpfen, Zauderer motivieren, weitere Personen gewinnen und die Verbindung zur Gruppe Stauffenberg in Berlin halten.
O|N: Sie haben Ihren Großvater nie kennengelernt. Welche Rolle spielt er – auch heute noch – in Ihrem Leben?
Valerie Riedesel: Eine wachsende. Bei meiner Recherche zum Buch "Geisterkinder" bin ich auf eine Korrespondenz meiner Großeltern gestoßen und wollte meinen Großvater unbedingt näher kennenlernen. Und ich habe mich gewissermaßen mit ihm unterhalten, es waren zum Teil tolle Briefe – Briefe als Vater sehr persönlich und fürsorglich, dann aber auch wieder pathetisch, eitel bis schockierend in einigen politischen Äußerungen.
O|N: Ist Ihr Großvater für Sie ein Held? Ein Vorbild?
Valerie Riedesel. Absolut. Ein Vorbild darin, sich ehrlich einzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat. Was bei ihm zunächst Nationalstolz war, wurde zu Demut, einem Verantwortungsbewusstsein für das eigene Handeln. Bis zuletzt hat er dazu gestanden, sagte der Gestapo ins Gesicht, dass sie die Menschen missbraucht haben. In diesem Wachsen ist er ein Vorbild für mich.
O|N: Vielen Dank, Frau von Riedesel.
Der Flieger im Widerstand – Cäsar von Hofacker – Das Stauffenberg-Attentat und der Umsturz in Paris, Piper Verlag, 320 Seiten, EAN 978-3-492-07273-1, 22 Euro.(pm)+++