Wolfgang Gutberlet im Gewächshaus des "LindenGuts" in Dipperz - Fotos: Marius Auth

DIPPERZ Vom Kaufmann zum Naturfreund

Natur, Arbeit und Kapital: Bio-Pionier Wolfgang Gutberlet hat weiter große Ziele

23.07.24 - Als Wolfgang Gutberlet vor 40 Jahren mit dem Drogeriemarkt-König Götz Werner und dem Nestlé-Manager Götz Rehn das Bio-Lebensmittel-Unternehmen Alnatura gründet, stehen die Zeichen schlecht: Erzeuger wollen die Großkonkurrenten nicht beliefern, Konsumenten können mit Bio wenig anfangen. Inzwischen sind selbst Nachhaltigkeit und Regionalität in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Gutberlet, der in diesen Tagen 80 Jahre alt wird, hat weitergehende Ziele.

Lautlos fährt Gutberlet im Elektro-Kart vor: Wer sich sein "LindenGut" im Kohlgrund bei Dipperz im Landkreis Fulda anschauen will, muss Zeit mitbringen. Auf etlichen Hektar Fläche erstreckt sich nicht nur ein landwirtschaftliches Anwesen, sondern ein Biohotel, eine Herberge und ein Hofladen. Das Besondere: Produziert wird nach den Vorstellungen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft des Demeter-Anbauverbands, Fastenyoga und andere Seminarangebote sollen bald ausgeweitet werden - ein Zentrum für gesunde Lebensweise mitten auf dem Land ist das Ziel.

"Der Natur geben, was sie braucht"

Seit 2015 wird die Landwirtschaft im "LindenGut" nach biologisch-dynamischen Prinzipien ...

"Ich mache hier dasselbe wie vorher bei Tegut - nur im Kleinen, konsequenter und tiefgehender. Das Gute ausbreiten. Bio-Kreislaufwirtschaft heißt, der Natur zu geben, was sie braucht, damit sie uns geben kann, was wir brauchen." Gutberlet hat 1973 mit nur 29 Jahren von Vater Theo Gutberlet, dem Gründer des Fuldaer Lebensmittel-Einzelhandels-Unternehmens Tegut, die Gesamtleitung übertragen bekommen. Nach dem BWL-Studium in Saarbrücken und Würzburg sollen gruppendynamische Prinzipien Einzug halten ins Familienunternehmen: "Wir haben damals wirklich versucht, vom patriarchalisch geführten Betrieb zu einem direkteren Miteinander zu finden. Es war ein Kind der damaligen Zeit, aber hat mich das Thema Arbeit überdenken lassen: Gute Unternehmenskultur und echte Arbeitsgemeinschaften sind unerlässlich für einen wertschätzenden Umgang miteinander."

Neben einem Schaufenster für die biodynamische Landwirtschaft soll das Gut auch ...

Die Natur kommt für den Kaufmann erst später ins Spiel: Anfang der 1980er-Jahre findet der Handel mit Lebensmitteln aus ökologischer Landwirtschaft vor allem in Reformhäusern statt, die Klientel ist so überschaubar wie das Wissen um ökologische Zusammenhänge in der Gesamtbevölkerung. Die Lebensgemeinschaft Sassen in Schlitz bringt Gutberlet zum ersten Mal in Kontakt mit anthroposophischem Gedankengut, von da ist es nur ein Schritt zur Wertegemeinschaft von Demeter, dem Bio-Anbauverband, dessen biologisch-dynamische Landwirtschaft auf Ideen von Rudolf Steiner basiert.

Lebensmittel, die gute Kräfte haben

"Wer für Demeter produziert, benutzt bestimmte Präparate, die kosmische Kräfte verstärken. Wir denken immer, wir essen Stoffe, aber es sind eigentlich Kräfte, Lebenskräfte. Ein Lebensmittel, das gute Kräfte hat, hat eine gute Lebenszeit gehabt." Zusammen mit Götz Rehn, einem ehemaligen Nestlé-Manager, und Götz Werner, dem Gründer von "dm-drogerie markt", reist Gutberlet damals durch ganz Deutschland, besucht Erzeuger, Drogerien und Anbauverbände, um ökologische Landwirtschaft und den Handel mit so erzeugten Lebensmitteln kennenzulernen. Das Ziel der Manager: ein eigenes Bio-Lebensmittel-Unternehmen, Alnatura.

"Das haben wir auch gegründet - aber viele wollten uns nicht beliefern: Die Bio-Szene war klein und hatte Angst vor der großen Konkurrenz, die da plötzlich am Horizont auftauchte. Die wussten, dass wir es besser machen werden." Ab 1986 gibt es Alnatura-Produkte in den Regalen von Tegut und dm, die Kunden sind skeptisch: "Mit Bio-Produkten haben wir Anfang der 1980er-Jahre ein halbes Prozent Umsatz gemacht - das hat Geduld gebraucht, um es durchzuhalten, und natürlich Geld. Wir mussten unsere Mitarbeiter auf die Bauernhöfe schicken und ihnen dort zeigen lassen, was der Unterschied ist zu konventionellen Lebensmitteln, damit sie das den Kunden erklären können - so dicke Bretter musste man damals bohren."

Werte konsequenter vermitteln

Inzwischen werden rund 30 Prozent des Umsatzes bei Tegut mit Bio-Lebensmitteln gemacht. Aus den ursprünglichen zwei kleinen Tante-Emma-Läden in Fulda sind 350 Filialen in Hessen, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Baden-Württemberg geworden. "Wir wollten eigentlich mit Tegut nicht über einen Radius von 100 Kilometer um Fulda hinaus - um abends wieder zu Hause sein zu können. Durch die damalige Zonengrenze konnten wir dann nur nach Norden und Süden expandieren, im Westen hat der Vogelsberg die Grenze gesetzt." Im Jahr 2012 verkauft Tegut seine Handelssparte an den Schweizer Migros-Konzern, bereits drei Jahre vorher hat Gutberlets Sohn Thomas den Vorsitz übernommen.

Im Bio-Hofladen werden auch selbst erzeugte Lebensmittel verkauft

Auf das "neue" Tegut angesprochen, winkt Gutberlet ab: "Ich habe meinen Hofladen, damit habe ich genug Arbeit. Außerdem kann ich hier Werte konsequenter vermitteln." Das Leitmotto "wertschätzend, entwickelnd, gemeinschaftend", das sich im Namen der W-E-G GmbH, die neben dem "LindenGut" unter anderem das "Morgensternhaus" in Fulda betreibt, niedergeschlagen hat, soll im Kohlgrund bei Dipperz ganzheitlich beherzigt werden. Neben einem Schaufenster für die biodynamische Landwirtschaft soll das Gut auch als Ruhepol dienen - manchmal kommen Touristen aus Frankfurt, die nur ruhig schlafen wollen, fernab vom Großstadtlärm.

Im eigenen Prüflabor soll die innere Qualität von Lebensmitteln untersucht werden - mit teils unorthodoxen Methoden: "Faust wollte wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Wir haben zwar keinen Pakt mit dem Teufel geschlossen, wollen aber wissen, was das Wesen von Lebensmitteln ausmacht, die das beinhalten, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und wir haben Mitarbeiter, die so gut sind, dass sie das spüren können, ohne Messinstrumente." Neben dem Biohotel steht inzwischen eine Herberge, die günstige Übernachtungen ermöglicht und andere Zielgruppen aufs Gut bringen soll. Denn Gutberlet will möglichst viele Menschen überzeugen von einer symbiotischen Beziehung zur Natur: "Wir planen ein Zentrum für gesunde Lebensweise. Der Mensch muss ganzheitlich angesprochen werden, auch mit Gesundheitsprogrammen. Mit Zwang erreicht man nichts - es muss attraktiv sein, wie bei den Lebensmitteln." (mau) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum
Cookie-Einstellungen anpassen

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Whatsapp
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön