Bürger wütend: Im Stadtteil Hohe Luft "stinkt es" - Versprechen der Stadt
28.07.24 - Rund zwei Dutzend aufgebrachte Bürger halten während einer Ortsbeiratssitzung am Donnerstagabend im Stadtteil von Bad Hersfeld Schilder in die Höhe: "Auf der Hohe Luft stinkt es bis zum Himmel". Sie sind wütend und wollen Lösungen.
Der Grund ihres Ärgers ist eine Produktionsanlage zur Herstellung von Hundefutter auf dem Areal der ehemaligen US-Kaserne. Dort haben Tanja Ehret und ihr Mann Jörg Meißmer vor rund einem halben Jahr ihre kleine Manufaktur "Balf" eröffnet. Bei der Produktion entstehen laut Anwohnern unangenehme Gerüche. Mehrere Filteranlagen und ein erhöhter Schornstein sollen die Belastungen reduzieren.
Doch davon spüren die Nachbarn im angrenzenden Walkerweg bislang wenig bis gar nichts. Heike und Horst Vollmer wohnen direkt auf Höhe der Produktionshalle. Von ihrem großen Garten aus blicken sie hinüber. "Im Frühjahr habe ich es bei der Gartenarbeit kaum mehr ausgehalten", sagte Heike Vollmer bei einem Vor-Ort-Termin. Auch bei einem 90. Geburtstag seines Vaters habe es stark gestunken, sagt Horst Vollmer. "Ich gebe zu bedenken, dass in dem Bebauungsplan steht: Die Zulässigkeit ist auf Betriebe begrenzt, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Dass der Sachverhalt hier nicht wesentlich ist, kann keiner verstehen. Eine Genehmigung wäre unter diesem Aspekt abzulehnen gewesen", sagt Vollmer weiter.
"Die Stadt ist darüber nicht glücklich"
Mehrfach haben sie mit den zuständigen Behörden gesprochen, E-Mails geschrieben und Telefonate geführt. Laut den Anwohnern habe sich bisher wenig getan. Der Ortsbeirat hat das Thema nun auf die Tagesordnung der Ortsbeiratssitzung genommen. Neben dem Ortsbeirat waren auch Bürgermeisterin Anke Hofmann und weitere Vertreter der Verwaltung vor Ort im Bürgerhaus des Stadtteils. "Die Stadt ist darüber nicht glücklich. Ich verspreche ihnen, dass wir ihre Anliegen ernst nehmen und uns darum kümmern", sagte Hofmann. Trotzdem müsse sich die Verwaltung an Recht und Gesetz halten. Der Technische Leiter Johannes van Horrick machte deutlich, dass eine Baugenehmigung erteilt werden müsse, wenn die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Dabei habe die Stadt überhaupt keinen Spielraum. Das betroffene Unternehmen habe neue Maschinen im Einsatz und sei ebenso in Abstimmung mit dem Hersteller der Maschinen.Für Gerüche gibt es keine Messgeräte
Man sei mit dem Betreiber und der zuständigen Behörde beim Regierungspräsidium im Austausch. Beim Thema Geräuschkulisse seien die Werte nicht beanstandbar, dies war auch kein großes Thema der Sitzung. Der Geruch und die Produktionszeiten schon. Und hier wird vom Betreiber ein Gutachten verlangt, welches die Geruchssituation bewerten solle. Dies sei nicht so einfach und nur wenige Stellen bieten dies an. Für Gerüche gebe es keine Messgeräte, erklärte von Horrick weiter. Vollmer hatte in einem direkten, aber sachlichen Vortrag, die Situation aus Sicht der Anwohner geschildert. Es entwickelte sich eine lebhafte, in der Sache harten, aber keinesfalls ausfallenden Diskussion.
Für die Begutachtung werden Geruchsproben in Glaszylindern entnommen. Geschulte "Nasen" untersuchen diese Proben dann. Der Betreiber müsse dieses Gutachten entsprechend vorlegen. Mit den Beschwerden konfrontiert, zeigte sich Geschäftsführerin und Ernährungsberaterin Tanja Ehret von dem Termin der Sitzung überrascht. Von der Ortsbeiratssitzung habe sie erst durch die Anfrage von OSTHESSEN|NEWS erfahren und war entsetzt, dass sie als betroffenes Unternehmen nicht eingeladen worden seien. "Wir bemühen uns um Lösungen und sind gerade mit einem Unternehmen im Gespräch, welches einen Bio-Filter einsetzt", sagt Ehret. Das gelte auch für das Gutachten. Letztlich müsse auch ihr Unternehmen betriebswirtschaftlich arbeiten, wolle aber keinen Ärger und mache ja nichts Schlimmes. Im Kern geht es um die Produktion von vergleichsweise kleine Mengen getrocknetem Hundefutter aus regionalen Produkten.
Vormittags werde das tiefgefrorene Fleisch zersägt, in einem stundenlangen Prozess langsam aufgetaut und bearbeitet, anschließend wird es zur Entkeimung auf 91 Grad erhitzt und getrocknet. Dieser Trocknungsprozess dauert. Hierbei entstehen vermutlich die Gerüche. Das Unternehmen habe eine zeitlich von sieben bis 17 Uhr begrenzte Genehmigung. Laut Anwohner liefen die Maschinen aber noch länger, etwa bis 22 Uhr. Die Stadt prüfe dies unter Androhung von Zwangsgeldern, so die Bürgermeisterin.
Standpunkt von Hans-Hubertus Braune
Die Situation im Stadtteil Hohe Luft ist nicht neu. Nahezu überall, wo etwas produziert wird, wo Rohstoffe egal welcher Form im Spiel sind, wird über die Folgen für die Nachbarschaft diskutiert. Oftmals weniger miteinander als viel mehr übereinander. Dass die Nachbarn frei von Gerüchen nach draußen, beispielsweise in ihre Gärten wollen, ist völlig verständlich. Ebenso das junge Unternehmen, welches immerhin 16 Mitarbeiter beschäftigt und im betriebswirtschaftlichen Rahmen arbeiten muss, als auch die Stadt, die beide Seiten im Blick hat. Vielleicht bringt ja ein Runder Tisch mit allen beteiligten Seiten und einer Schüssel Leckerlis ein Ergebnis, mit dem jeder Zweibeiner leben kann. (Hans-Hubertus Braune) +++Hintergrund:
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