Auf du und du: Alwin Quell und sein Sohn Jacobus, ein glühender Handball-Fan - Fotos: Carina Jirsch

FULDA Quell und Farnung, die "Zwillinge aus Thalau"

Quell wird am Samstag 72: "Ich feiere Geburstag im Fanbus" nach Freiberg

13.09.24 - Es ist nicht überliefert, wie viele Gründe es gibt, über Alwin Quell und Winfried Farnung eine kleine Geschichte zu schreiben. Am Samstag feiert Quell seinen 72. Geburtstag. Auch an diesem Tag zieht er es vor, seine SG Barockstadt zum nicht gerade vor der Tür liegenden Spiel in Freiberg zu begleiten. Dass das so ist, versteht sich für Quell, der auch fast 40 Jahre für Borussia Fulda aktiv war, von selbst. Mit an seiner Seite - auch im Gespräch bei OSTHESSEN|NEWS: Winfried Farnung.

"Wir kennen uns schon seit 72 Jahren", scherzt Winfried Farnung. So ganz trifft es nicht zu, aber es ist nahe der Realität. Denn beide haben fast auf den gleichen Tag genau Geburtstag: Farnung neun Tage später als Quell, am 23. September wird er 72. Beide kommen aus Ebersburg-Thalau und wohnen nicht mal einen Kilometer voneinander entfernt. Was beide zudem vereint: Sie kümmern sich um und organisieren die Fahrten mit dem Fanbus der SG Barockstadt Fulda-Lehnerz zu deren Auswärtsspielen.

Starkes Barockstadt-Trio, von links: Martin Geisendörfer, Alwin Quell, Dirk Schütrumpf ...

OSTHESSENlNEWS möchte gleich zu Beginn von Winfried Farnung wissen, ob er das denn auch machen würde, an seinem Geburtstag mit dem Fanbus fahren und die SGB unterstützen? "Zu 90 Prozent nicht", sagt er, "ich bin der Meinung, dass das Familiäre doch immer noch ein bisschen vorgeht." Alwin Quell lebt so ein bisschen in einer anderen Welt. Früher gab es sie, die Kicker, die auch dann spielten, wenn ihre Oma Geburtstag hatte. Ja, die auch dann trainierten. Und so ist Quells Bekenntnis kein Wunder. "Die Familie muss sich in dem Fall nach mir richten", kann selbst er sich ein Augenzwinkern nicht verkneifen. Auch wenn es noch so klein ist. "Ich feiere Geburtstag im Bus." Peng.

"Der Alwin macht schon seit 50 Jahren Vereinsarbeit. Er lebt das"

Die Fußball-Gemeinde in und um Fulda weiß nicht, was sie von diesen Worten halten soll. Auch Quells Ehefrau Christa, mit der er fast 48 Jahren verheiratet ist, wird sich das eine oder Mal ihre Gedanken gemacht haben. Farnung bringt uns das Faszinosum Quell nahe. "Der Alwin macht schon seit 50 Jahren Vereinsarbeit. Es gibt wenige Leute, die das mit solcher Hingabe machen. Ein bisschen verrückt muss man schon sein." Na klar doch. Quell fühlt sich "total eingebunden" - und ist es auch. Farnung schiebt eine weitere Erklärung nach: "Du lebst das."

Mit großem Aufwand, viel Herz und Enthusiasmus ist es verbunden, die Busfahrten zu organisieren. Sich im Vorfeld zu kümmern, dass sie überhaupt zustande kommen, während der Fahrt für gute Laune zu sorgen und die Sache, die auch eine Botschaft ist, anzupreisen - und auch bei der Rückfahrt für gute Stimmung zu sorgen. Wisst ihr, liebe SGB, was die Herren da leisten? Wisst ihr, liebe Fangemeinde in Osthessen, was diese Hingabe, was diese Leidenschaft wert ist? Wisst ihr auch, liebe Stadt Fulda, was es wert ist, wenn diese "Unternehmung Fanbus" für die Dom- und Barockstadt leistet?

Kosten, Sponsoren und eine zähe Rechnung

Thema Kosten. Quell und Farnung haben die Firma Sauer aus Uttrichshausen engagiert. Für eine Saison, sprich 17 Fahrten, belaufen sich die Kosten auf 17.000 Euro. Knapp die Hälfte generiert das Duo aus Einnahmen - wie Busfahrt, Getränke, Tippspiel und so weiter. Apropos Tippspiel: Früher war das gang und gäbe, die jüngere Generation spricht das offensichtlich nicht mehr in dem Maße an. Zur Erläuterung: Quell ist so etwas wie Manager des Ganzen, sagen wir: Kopffigur - Farnung nimmt sich dem Kassenwesen an, auch Werbung und ähnliches gehört zu seinem Aufgabengebiet.

Thema Sponsoren. Bleiben 8.000 Euro, die durch und mit Sponsorengeldern zu decken sind. "Das ist schon teilweise schwierig", sagt Quell, der das nicht erst seit gestern macht und Klinken putzen muss. Am einfachsten ist es bei Vorstandsmitgliedern der SGB - Martin Geisendörfer, Dirk Schütrumpf, Volker Bagus oder Peter Enders. Auch Martin Groß, Besitzer mehrerer Tankstellen in Fulda, gilt als Förderer der Busfahrten. Bleiben andere Personen. Insgesamt sind es 25 an der Zahl, à 300 Euro - macht 7.500 Euro.

Es sind stets Busse, die 50 Personen Platz bieten. Im Schnitt fahren 30 Fans mit. "Gegen Offenbach war der Bus voll, gegen Bahlingen am Kaiserstuhl im Schwarzwald sind es eher und bestenfalls 30. "Wenn die Fahrten weiter weg sind, haben viele immer Ausreden." Dabei sind diese Fahrten ein Stück Kulturgut. "Wenn wir Zwei aufhören", sagt Farnung, gibt es keinen Fanbus mehr. Dann stirbt ein Stück Tradition."

Und wer, liebe Fußball-Gemeinde in Osthessen, ist sich dessen eigentlich bewusst? Fußball ist in diesem Zusammenhang eigentlich nur ein Platzhalter für den Verlust an Werten in unserer Gesellschaft. Man könnte dieses Wort durch zig andere ersetzen. Das ist der Lauf, das ist die Entwicklung der Gesellschaft, sagen die einen - es ist der schamvolle Tritt in den Hintern, das Hintergehen von Miteinander, Respekt und der entfremdete Umgang mit Kultur die anderen.

Man könnte auch sagen: die großen Traditionsvereine "kriegen fünf oder sechs Busse voll" - die SG Barockstadt, gut gerechnet, einen. Das Positive: Die "Brigade-Fangruppe der SGB" füllt den Bus zu zwei Dritteln, "im Schnitt sind es 20 Mann", weiß Alwin Quell. Auch Niederlagen scheinen die "Brigade" nicht zu stören, viele ihrer Mitglieder wollen "dem Fanbus" treu bleiben.

Quell und sein Kollege wünschen sich unterdessen schon, dass mehr mitfahren. Sie hoffen auf größeres Interesse - vor allem aus der Stadt Fulda. Denn von dort sind es nur wenige. Die größte Zahl derer, die mitkommen zu den Fahrten, kommen aus dem Umkreis. Aus dem Kalbacher oder Neuhofer Raum, oder Ebersburg. Auch Niederlagen scheinen die "Brigade" nicht zu stören, sie wollen dem Fanbus treu bleiben.

"Wollen was erleben in der Region"

Bei Osthessen|News zu Gast: Alwin Quell und Winfried Farnung Foto: Walter Kell

Aus welchem Grund das die beiden eigentlich machen? Wo doch immer mehr oder weniger der ganze Tag draufgeht, wo man für sein Engagement aber auch gar nichts zurückbekommt? Höchstens Siege des favorisierten Teams. "Wir wollen was erleben in unserer Region", sagt Alwin Quell, "für mich ist wichtig: Ich will im hohen Alter noch mal die Regionalliga erleben." Den höherklassigen Fußball eben. Auch aktuell haben sie einen Wunsch: "Wir hoffen, dass der neue Trainer noch etwas herauskitzelt", findet Farnung. "Auch Gören war ein guter Trainer, aber nach sieben Jahren braucht man mal was Neues."

Stets brodelt es in Alwin Quell. Stets hat er was zu erzählen. "Ich bin ja über 40 Jahre bei Borussia da reingewachsen, Und jetzt bin ich SGB-Fan. Mir macht das Spaß." Man hat das Gefühl, was er sagt, das ist Gesetz. Altes Fußball-Gesetz. Farnung, der "Leute und Umgebung" bei diesen Fahrten nicht missen möchte, ergänzt: "Mir fehlt was, wenn Samstag kein Fußball ist." Ja, die Wahrnehmung und die Tatsache, Fußball zu konsumieren, haben sich arg verschoben im Lauf der Jahre. Quell unterdessen ist wichtig, eines klarzustellen: "Die Leute müssen wissen, dass ab der Regionalliga Fußball erst anfängt." Irgendwo und irgendwie ist da was dran.

Von der Regionalliga bis zur Gruppenliga war alles dabei

Bei solch einer Geschichte darf ein Stückchen Vergangenheit nicht fehlen. Alwin Quell spielte für den FSV Thalau - bis er 20 wurde. Er schlug den Job als Verkäufer im Getränkehandel Frohnapfel ein, später arbeitete in derselben Schiene für die Firma Heurich. Stets pflegte er intensiven Kontakt zum Traditionsverein Borussia Fulda, dort stieg er 1985 ein - als treuer Anhänger und auch Sponsor. Alwin Quell erlebte die Hoch-Zeiten der Borussen - und auch die negativen. Von Regionalliga bis Gruppenliga war alles dabei.

Unterdessen hat Winfried Farnung noch eine feine Episode parat. "Irgendwann", so erinnert er sich, "hatte Alwin Quell mal ein Mitglieds-Formular dabei für mich. Von Borussia. Und zwei Wochen später kam die Fusion zur SG Barockstadt zustande." (wk)

OlN wünscht Alwin Quell eine zünftige Geburtstagsfeier - mit positivem Ausgang des SGB-Spiels. Und - das erscheint viel wichtiger - dass er und Winfried Farnung das "Unternehmen Fanbus" noch möglichst lange wahrnehmen können. +++

 

 

 

 




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