Professor Dr. Silke Sinning wurde am Samstag beim Verbandstag in Grünberg zur neuen Präsidentin des Hessischen Fußball Verbandes gewählt - Fotos: Hans-Hubertus Braune

KOMMENTAR Niemand hat Bock auf Grabenkämpfe

Zeitenwende an der Spitze: Dem Fußball in Hessen kann das nur gut tun

30.09.24 - Wenn es überhaupt noch eines Beweises brauchte, dass Frauen führen können, dann war der Verbandstag des Hessischen Fußball Verbandes am Samstag in Grünberg passend. Souverän hat Professor Dr. Silke Sinning als Vize-Präsidentin einen durchaus komplizierten und zähen Sitzungsmarathon gemeistert.

Stundenlang galt es ruhig und besonnen die Regularien und natürlich auch die (teils) wichtigen Anträge zu den Satzungsänderungen zu stemmen. Seit zwei Jahren ist sie bereits als Vize-Präsidentin an der Spitze - als Duo nach diversen Zwistigkeiten und Rücktritten. Deshalb führte sie auch den Verbandstag bis zur Entlastung des Präsidiums der vergangenen vier Jahre - also auch des zwischenzeitlich zurückgetretenen Ex-Präsidenten Stefan Reuß. Nun ist sie von den Delegierten mit einem kompletten Team gewählt worden.

Selbst das Anfechten eines Abstimmungsergebnisses konnte sie nicht aus der Ruhe bringen. Dabei ging es um die Anzahl der Delegierten, welche künftig nicht nach Mitgliederstärke der Vereine, sondern nach Anzahl der Mannschaften im jeweiligen Kreis bestimmt werden sollen. Das kam naturgemäß im Rhein-Main-Gebiet nicht so gut an.

Vizepräsident Dr. Axel Poth (Recht)

Vizepräsident Sascha Schnobrich (gesellschaftliche Verantwortung)

Bürgermeister Andre Stenda aus Hohenroda ist künftiger Schatzmeister des Hessischen ...

Der unterlegene Bewerber Torsten Becker gratuliert Professor Dr. Silke Sinning als ...

Bei der Wahl des Präsidiums am Nachmittag ging es auch um eine Richtungsentscheidung. Wählen die gut 300 Delegierte mit dem Team Zukunft einen in weiten Teilen Neuanfang mit deutlich jüngeren Kräften oder wählen sie ein "Weiter so" mit Funktionären und deren Strukturen? Trauen sie einer Frau zu, einen Fußballverband zu führen? Schaffen sie es im Jahre 2024 dieses altbackene Denken hinter sich zu lassen?

Mit 158 zu 133 Stimmen hat die Mehrheit der Delegierten aus den Fußball-Regionen ein Zeichen gesetzt: Ja, wir wollen diese Veränderung. Mit Vizepräsident Dr. Axel Poth, Vizepräsident Sascha Schnobrich und Schatzmeister Andre Stenda steht nun ein Team an der Spitze des mitgliederstärksten Sportverbandes in Hessen, welches sich am Konzept Zukunft wird messen lassen.

Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft

Gerade in der heutigen Zeit mit all den gesellschaftlichen Herausforderungen übernimmt der Fußball als Volkssport Nummer eins eine entscheidende Rolle. Der Fußball ist in meinen Augen ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Diskriminierung, Gewalt, Hass und die Unsicherheit vor einer ungewissen Zukunft: Dies entlädt sich (leider) auch auf und noch mehr neben den Fußballplätzen. Die Lust am Ehrenamt ist zuweilen weniger ausgeprägt. Ein Gruppenligist aus der Schwalm wirbt seit Wochen auf seiner Instagram-Seite, um Personal für die Würstchenbude zu finden. Sonst bleibt sie zu. Ein kleines, aber sinnbildliches Beispiel.

Ganz klar: Die Verbandsspitze kann all die Herausforderungen nicht alleine lösen. Sie muss aber als gutes Beispiel vorangehen. Den ewig-gestrigen Machtspielchen gehört die Rote Karte. Der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Reisig hat eine passende, flammende Rede gehalten. Den Kritikern war sie zu einseitig, ich finde aber, er hat schonungslos aufgedeckt, was falsch gelaufen ist und sich ändern muss: Dem Fußball gehört die ganze Kraft, keinen Einzelkämpfern.

Es braucht praxisorientierte Lösungen

Es geht eben nur gemeinsam. Es braucht keine übertriebene Bürokratie. Es braucht einfache und klare Regeln, aber kein Strafenkatalog, welcher den Eindruck erweckt, dass in erster Linie Einnahmen für den Verband generiert werden sollen. Es braucht flexible, praxisorientierte Lösungen für den Nachwuchs, für die Frauen und Männer - eben für alle.

"Unsere Vision lautet, ein Verband für Alle zu sein. Es braucht eine klare Führung, aber auch die Beteiligung aller, um die Herausforderungen zu meistern", sagte Silke Sinning in ihrer Bewerbungsrede. Sie ist die erste Präsidentin der insgesamt 21 Landesverbände innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes. Es war ein denkwürdiger Verbandstag in Grünberg. Ab jetzt wird das Team Zukunft daran gemessen, wie all die guten Ansätze in die Realität umgesetzt werden. Im Sinne der über 10.000 Mannschaften in Hessen, kann man nur wünschen, dass die Kraft des Fußballs nicht nur während einer beeindruckenden Heim-EM ankommt. (Hans-Hubertus Braune) +++


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