Arbeitgeberverbände fordern Abschaffung der telefonische Krankschreibung
04.11.24 - In Politik und Wirtschaft gibt es Bestrebungen, die telefonische Krankschreibung wieder abzuschaffen - sie sei ein Grund für hohe Krankenstände. Ärzte verteidigen das Modell und warnen vor Bürokratie. Unser O|N-Arzt Adrian Böhm hat eine dezidierte Meinung zu dieser Kontroverse: "Es gibt Nachrichten, die man liest und sich denkt: Hat man aus der Coronapandemie denn gar nichts gelernt? Eine davon ist die über den Vorstoß des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP). Gemeinsam mit einigen Arbeitgeberverbänden fordert er aktuell die Abschaffung der Möglichkeit, sich beim Hausarzt telefonisch krankschreiben zu lassen. Diese Regelung war während der Coronapandemie eingeführt worden, um die Praxen zu entlasten und das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) entschied 2023, die Regelung dauerhaft beizubehalten.
In Deutschland erhalten erkrankte Arbeitnehmer eine sogenannte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Diese sorgt dafür, dass man bei einer Erkrankung keine finanziellen Einbußen erleidet und sich auskurieren kann. In den vergangenen Jahren sind die Kosten für Arbeitgeber durch diese soziale Absicherung des Sozialstaats deutlich gestiegen. Forscher des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) führen den vermeintlichen Anstieg der Fehltage seit 2022 auf eine verbesserte Datengrundlage zurück. Seit zwei Jahren wird die Arbeitsunfähigkeit elektronisch erfasst und übermittelt. Zudem haben wir in den vergangenen zwei Jahren stärkere Erkältungswellen erlebt. Es ist dabei zu beachten, dass viele Menschen seit der Pandemie vorsichtiger geworden sind und sich eher krankschreiben lassen, um die eigene Gesundheit und die der Kollegen zu schützen.
Hausärztinnen und Hausärzte halten an der telefonischen Krankschreibung fest
Der Verband der Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland unterstützt die telefonische Krankschreibung. Schon jetzt sind die Kapazitäten in den Praxen ausgelastet. Der Verband sieht in dieser Regelung einen wichtigen und spürbaren Schritt zur Entbürokratisierung. Es sei nicht abzusehen, wie für das alte System wieder ausreichend Kapazitäten aufgebaut werden könnten.
In den vergangenen Jahrzehnten musste man selbst bei einer einfachen Erkältung, die man mit Bettruhe und Tee auskurieren kann, zum Hausarzt gehen, um sich den berühmten "gelben Schein" zu holen. Das war sowohl für den erkrankten Mitarbeiter als auch für das Praxisteam aufwendig und bedeutete zusätzliche Bürokratie. Zudem wurde das Wartezimmer dadurch zur Keimschleuder.
Es mangelt im Gesundheitssystem an allen Ecken und Enden, insbesondere jedoch bei der Grundversorgung durch Hausärztinnen und Hausärzte. Diese nun noch weiter zu belasten, erscheint wenig sinnvoll.
Arbeitgeber kritisieren die telefonische Krankschreibung
Einige Arbeitgeber kritisieren die telefonische Krankschreibung und befürchten, dass diese eine zu einfache Möglichkeit bietet, sich ein paar zusätzliche freie Tage zu erschleichen. Dabei müssen sie sich jedoch fragen lassen, ob es wirklich in ihrem Interesse sein kann, kranke Kolleginnen und Kollegen ins Büro zu holen, damit dort alle angesteckt werden und die Erkrankten weniger leistungsfähig sind. (Adrian Böhm) +++