Neid: Große Kranichschwärme ziehen wieder Richtung Süden
06.11.24 - Ein jährlich stattfindendes Naturschauspiel der besonderen Art: Am Wochenende in den Mittagsstunden waren tausende von Kraniche in ihren typischen Einserformationen über dem Kreis Hersfeld-Rotenburg unterwegs. Sie flogen auf der Hauptroute über Waldhessen hinweg in ihre südlichen Winterquartiere nach Frankreich und Spanien und waren schon von weit her mit ihren lauten Trompetentönen zu hören.
Viele der Einserformationen waren über dem Kreis Hersfeld-Rotenburg zu beobachten, wo sie unser Leser Jürgen Fromm im Bild festgehalten hat. Manche der Formationen löste sich kurz mal auf und dann kreiste der Schwarm am Himmel, der sich von der Thermik in die Höhe treiben ließ, denn über dem hügeligen Waldhessen müssen die Vögel an Flughöhe zulegen. Zugtage mit tausenden Kranichen am Himmel sind selbst im Dezember noch möglich. Solange es nicht zu winterlich wird und das Nahrungsangebot stimmt, werden viele Kraniche zunächst weiter hierbleiben und sich die anstrengende Weiterreise sparen. Schlägt das Wetter um, sind mildere Regionen für die Vögel nur einen Flugtag entfernt.
Die Kraniche fliegen mit durchschnittlich rund 500 Metern weitaus höher als die Spitze der höchsten Windanlagen. Sie ziehen weit über der Rotorenhöhe gen Süden, sodass keinerlei Kollisionsgefahr besteht. Die Vögel seien in mindestens 200 Metern Höhe unterwegs. Von ihrer beträchtlichen Flughöhe profitieren die großen Vögel, weil sie in höheren Luftschichten geringeren Widerstand haben und so Energie für die weiten Strecken sparen.
Anscheinend verfügen die Kraniche über einen ausgezeichneten "Wettervorhersage-Sensus", denn sie starten ihre Reise immer bei günstigen Bedingungen, nämlich dann, wenn eine anhaltende Hochdruckzone gutes Flugwetter verspricht. Bei günstiger Witterung brechen die Kranichschwärme frühmorgens von ihren Sammelplätzen auf, ziehen beiderseits am Harz vorbei, erreichen dann das Weserbergland, Thüringen und Hessen. Rast machen sie selten, sie können große Distanzen überwinden. Für eine Pause suchen sie sich geeignete Flachwassergebiete mit guter Rundumsicht, wo ihnen kein Fuchs zu nahe kommen kann. Gefährlich werde es nur, wenn die Großvögel in Ausnahmesituationen bei starkem Regen, Nebel oder Gewitter schlechte Sicht haben und dann quasi notlanden müssten. In solchen Fällen könnte eine Windkraftanlage den orientierungslosen Kranichen gefährlich werden - das sei aber die absolute Ausnahme.
Am Sonntag zählte die Beobachtungsgruppe um Manfred Kraft 76.600 Kraniche allein auf der Hessenroute. Bei ebenfalls starkem Flugverkehr auf der NRW-Route sind als Summe für Deutschland 100.000 ziehende Kraniche wohl nicht zu hoch gegriffen. Das macht dann für die gesamte Herbstsaison rund 400.000. Wir sind etwas neidisch und wünschen den in typisch pfeilförmiger Formation fliegenden Großvögeln gute Reise und einen schönen Aufenthalt im sonnigen Süden. (ci)+++