Ärzte sind auch in der Notfallmedizin gefordert, einmal innezuhalten. Das sagt Christian Keunecke, Leiter der Zentralen Notaufnahme der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld. - Foto: Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld

HÜNFELD Notfall- und Palliativmedizin vereinen

ZNA-Leiter Keunecke: Wie Palliativmedizin den Blick auf Notfälle verändert

10.11.24 - Ärzte sind auch in der Notfallmedizin gefordert, einmal innezuhalten. Das sagt Christian Keunecke, Leiter der Zentralen Notaufnahme der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld. Für ihn ist es wesentlich, in seinem Job auch auf sein Wissen als Palliativmediziner zurückzugreifen.

Die Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld Archivfoto: O|N/ Carina Jirsch

Notfall- und Palliativmedizin: Wie passt das zusammen? In die Notaufnahme kommen schließlich Patienten, die zwar an einem akuten Gesundheitsproblem leiden, aber auf Heilung hoffen dürfen, auf einer Palliativstation hingegen befinden sich Menschen, die schwer oder unheilbar erkrankt sind. Das ist ein nachvollziehbarer Gedankengang, die komplette Realität bildet er aber nicht ab.

"In der Notfallmedizin sehen wir zwar Patienten mit akuten Problemen. Teilweise hängen diese mit bereits fortgeschrittenen chronischen Erkrankungen zusammen", sagt Christian Keunecke, Leiter der Zentralen Notaufnahme (ZNA) der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld. "Dabei ist insbesondere in schweren Fällen ein kurativer, also heilender Ansatz häufig mit sehr belastenden Maßnahmen für die Patienten verbunden."

Keunecke zählt ein paar Maßnahmen auf: Patienten werden dauerhaft mit Monitoren überwacht. Sie sind verkabelt und können sich nicht mehr frei bewegen. Katheter werden in Arterien und Venen eingeführt, was sehr unangenehm ist. Es kommt zu Intubationen und künstlicher Beatmung – mit dem Risiko, dauerhaft abhängig von einer Beatmungsmaschine zu sein.

Der hohe Preis der Lebenserhaltung

"Nicht selten habe ich erlebt, dass sich nach all diesen Maßnahmen letztendlich für einen Abbruch der Lebensverlängerung entschieden wird und sich die Frage stellt, für welch hohen Preis der Mensch am Leben gehalten worden ist", sagt Notfallmediziner Keunecke. "All diese Maßnahmen sind in erster Linie eine Zumutung für den Patienten und können nur begründet werden, wenn eine Heilung realistisch ist."

Vor diesem Hintergrund trifft es sich gut, dass Christian Keunecke, der in Marburg Medizin studiert hat, vergangenes Jahr die Zusatzweiterbildung Palliativmedizin abgeschlossen hat. Der Kurs umfasst aktuell unter anderem 40 Stunden Kurs-Weiterbildung und 120 Stunden Fallseminare.

"In Notfallsituationen sind wir als Ärzte gefordert, einmal innezuhalten und zu überlegen, ob die Maßnahmen, die wir treffen, zielführend und im Sinne des Patienten sind", sagt Notfall- und Palliativmediziner Keunecke. "Die Palliativmedizin ermöglicht uns alternative Wege zu gehen. Sie sieht nicht die Heilung, sondern die Lebensqualität im Vordergrund und behandelt in erster Linie die Symptome."

Notfall- und Palliativmedizin gehen in Hünfeld Hand in Hand

Keunecke schildert das Hand-in-Hand-Gehen von Notfall- und Palliativmedizin anhand eines Beispiels. "Ein chronisch kranker und pflegebedürftiger Patient ist in den vergangenen Wochen mehrfach wegen verschiedener Probleme in Krankenhäusern gewesen. Schließlich brachte der Rettungsdienst ihn wegen Bewusstseinsstörung und Fieber zu uns in die Notaufnahme."

Die Angehörigen des Patienten hätten sich schwergetan, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, sagt der Leiter der Hünfelder ZNA. Daraufhin habe er das Gespräch mit ihnen gesucht. "Es lag bereits eine Patientenverfügung vor, aus der herausging, dass der Patient keine Intensivmaßnahmen wünscht. Zudem hat sich in dem Gespräch herausgestellt, dass er auch keine lebensverlängernde Maßnahme und eigentlich nie pflegebedürftig sein wollte."

Auf dieser Basis habe er den Angehörigen die Angst nehmen können, dass sie sich womöglich nicht für den Patienten einsetzen würden, wenn Sie nicht alle medizinischen Möglichkeiten ausschöpfen. "Wir haben besprochen, welche Belastung Intensivtherapie für einen Menschen bedeutet und dass man danach nicht einfach wieder gesund sei, sondern ein Intensivaufenthalt den Patienten sehr schwächt und die Gefahr besteht, dass er dauerhaft beatmet werden muss", sagt Keunecke. "Ich konnte den Fokus auf den Patientenwillen legen und im Gespräch betonen, dass nun eine Symptomkontrolle im Sinne der Bekämpfung von Angst, Luftnot oder Schmerzen in den Vordergrund zu stellen ist."

Begleitung in kritischen Lebensphasen

Durch das Gespräch seien die Angehörigen etwas aus der Verantwortung genommen worden und hätten nicht mehr das Gefühl ihren Angehörigen "aufgegeben" zu haben. "Auch das ist Palliativmedizin, die Angehörigen als ‚Co-Patienten‘ mitzunehmen."

Neben der Leitung der ZNA teilt Christian Keunecke sich daher konsequenterweise mit Isabel Stelzer, Oberärztin der Inneren Medizin, die Vertretung von Dr. Christian Freiberg. Dr. Freiberg leitet die Palliativstation der Klinik in Hünfeld. Anders als häufig vermutet, sind Palliativstationen nicht zwangsläufig die letzte Station vor dem Tod.

Auf dieser Station werden schwer und unheilbar kranke Menschen unter anderem medikamentös neu eingestellt, ihre Schmerzen und Leiden werden gelindert. Sie kommen zudem in den Genuss von Angeboten wie Musiktherapie. Ein Aufenthalt auf der Palliativstation in Hünfeld kann für Patienten und Angehörige eine wohltuende und hilfreiche Auszeit und ein Neubeginn sein. (kg/pm) +++


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