Hand in Hand und auf Augenhöhe arbeiten hier Menschen mit und ohne Behinderung zusammen - Fotos: Albert Sunny

FULDA Wertebasiertes Wirtschaften

Gut für Mensch und Natur: Antonius-Laden ist erstes Gemeinwohl-Unternehmen

12.12.24 - Gemeinwohl statt reiner Rendite: Das Fuldaer Antonius-Netzwerk betreibt einen Bio-Laden, der wertebasiert wirtschaftet. Menschen sollen hier faire Arbeitsplätze vorfinden, sinnvolle Lebensmittel kaufen und dadurch Klima und Umwelt schonen können. Doch gelingt das dem Bio-Fachgeschäft tatsächlich? Um das herauszufinden, hat sich der Betrieb vom Welt-Dachverband für Gemeinwohl-Ökonomie überprüfen lassen. Mit gutem Ergebnis und wertvollen Hinweisen für weitere Verbesserungen.

Der antonius Laden ist ein gut sortierter Bio-Laden mit Vollsortiment und Wohlfühl-Atmosphäre. ...

Das berichtet Antonius jetzt. Mitten im Antonius Quartier betreibt das Netzwerk seit mehr als 30 Jahren einen Lebensmittelladen mit eigenen Produkten und Artikeln von renommierten Bio-Marken. Das Besondere: Menschen mit und ohne Behinderung betreiben das Geschäft gemeinsam. Rund die Hälfte der 34 Mitarbeitenden hat eine Beeinträchtigung, und alle Kolleginnen und Kollegen sollen hier ihr persönliches Potenzial entfalten können. Durch den direkten Kontakt mit der Kundschaft werden zudem gesellschaftliche Vorbehalte aufgelöst und Inklusion normalisiert. Rechtlich ist der Antonius Laden eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Überschüsse aus dem Ladenverkauf fließen in die netzwerk-übergreifenden Anstrengungen für eine inklusive Gesellschaft.

Ins Regal vom Antonius Laden schaffen es vornehmlich Produkte aus dem Antonius Netzwerk, also zum Beispiel Fleisch, Milch und Käse vom Hof in Haimbach, Gurken und Tomaten aus der Gemüsegärtnerei, Brot aus der Bäckerei oder Chutneys aus der Antonius Küche. Allesamt aus eigener inklusiver Produktion und Erzeugung. Ergänzt wird das Angebot um hochwertige regionale Produkte und renommierte Bio-Marken.

Neutrale Bewertung von Menschenwürde, Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Inklusiv, regional, nachhaltig: Das klingt sinnvoll und schlüssig – vor allem für bewusst einkaufende Kundinnen und Kunden. Doch fruchten die großen Anstrengungen des Laden-Teams in puncto Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung überhaupt? Wird ein ernstzunehmender Mehrwert für Mensch und Natur geschaffen? "Mit der Gemeinwohl-Bilanzierung möchten wir genau überprüfen, wie sich unser Handeln auf diese Werte auswirkt, und was wir noch verbessern können", sagt Carsten Flynn, der Leiter des Antonius Ladens.

Chancengerechtigkeit und Nachhaltigkeit als zentrale Unternehmenswerte messbar ...

Zusammen mit der Hochschule Fulda, der Region Fulda Wirtschaftsförderungsgesellschaft und der Regionalgruppe Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) Fulda hat Antonius sich auf den Weg gemacht, solch eine Bilanz erstellen zu lassen. "Dieser Vierklang aus Wirtschaftsförderung, wissenschaftlicher und fachlicher Begleitung sowie Praxispartner spricht für die Qualität des Pilotprojekts", kommentiert Pia Groß, Projektmanagerin für Gemeinwohl-Ökonomie bei der Region Fulda. Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein umfangreiches und tiefgehendes standardisiertes Bewertungsverfahren, mit dem Unternehmen unabhängig überprüfen lassen können, inwieweit sie dem Gemeinwohl dienen. In das Audit fließen unter anderem ökologische und soziale Aspekte ein. Die Gemeinwohl-Bilanz ist eine ethische Bilanz, die parallel zur finanziellen Bilanz erstellt wird. "Diese durch den unabhängigen GWÖ-Dachverband auditierte Gemeinwohl-Bilanz wir als Instrument zur Unternehmensentwicklung unseres Antonius Ladens", sagt Carsten Flynn. "Als gemeinnütziges Unternehmen unter dem Dach einer Bürgerstiftung agieren wir natürlich immer mit besonderer Verantwortung. Durch die sehr umfangreiche und detaillierte Überprüfung für das Gemeinwohl-Zertifikat haben wir allerdings nochmal alle Vorgänge in der Tiefe durchdrungen und dabei viel gelernt."

Basis ist ein Fragebogen, den Antonius gemeinsam mit Dr. Uta Anschütz vom Fachbereich Lebensmitteltechnologie der Hochschule Fulda, mit Jens Bode von der Regionalgruppe Gemeinwohl-Ökonomie Fulda und unter Beteiligung der Laden-Mitarbeitenden ausgefüllt hat. Dazu wurden diverse Workshops durchgeführt. Die Wirtschaftsförderung Region Fulda hat den Prozess initiiert und finanziell gefördert, etwa mit einem speziellen Digitaltool. Der Dachverband "International Federation for the Economy for the Common Good e.V." (Internationale Föderation für Gemeinwohl-Ökonomie e.V.) hat den daraus entstandenen 180-seitigen Bericht als neutrale Prüfstelle auditiert – auch bei einer Begehung und Gesprächen vor Ort.

Erstes Gemeinwohl-Unternehmen in der Region

„Der antonius Laden ist in puncto Gemeinwohl ein Vorzeigeunternehmen, das hat die ...

Das Resultat wurde in einem Audit-Bericht festgehalten: Auf einer Skala von -3.600 bis 1.000 Punkten hat der Antonius Laden 399 Punkte erlangt und damit das Verfahren als erstes Unternehmen im Raum Fulda bestanden. "Wir bewerten das Ergebnis als gut", resümiert Laden-Leiter Carsten Flynn. "Besonders gut bewertet wurden wir unter anderem hinsichtlich der Menschenwürde am Arbeitsplatz, des Sinns und der gesellschaftlichen Wirkung unserer Produkte und Dienstleistungen sowie der ökologischen Nachhaltigkeit unserer Produkte. Weiteres Verbesserungspotenzial haben wir beispielsweise bei der Transparenz und Mitentscheidung in der Zulieferkette. Unsere diesbezüglich gelebte Praxis fairer Partnerschaften haben wir bisher nie in Richtlinien verschriftlicht. Das möchten wir für die Zukunft tun und unser Wirken damit verstetigen."

Warum die Region Fulda Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH das Vorhaben unterstützt hat, erläutert Projektmanagerin Pia Groß: "Für uns ist die Frage, wie die Wirtschaft der Region sich zukünftig entwickelt, ein Kernthema. Das Projekt hat uns geholfen, hier Erfahrungen in der Praxis zu sammeln. In Zeiten von Fachkräftemangel und Lieferkettensorgfaltspflicht ist die Gemeinwohl-Ökonomie-Zertifizierung eine gute Antwort. GWÖ steht für ein neue Unternehmenskultur, für gerechte, soziale und wirtschaftliche Haltung auf Augenhöhe zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Konsumentinnen und Konsumenten können ebenso wie potentielle Mitarbeitende auf einen Blick erkennen, welche Unternehmenskultur gelebt wird. Deshalb haben die allermeisten GWÖ-zertifizierten Firmen auch keine Probleme, gutes Personal zu finden. In 2025 gehen wir übrigens in die zweite Pilotphase. Dafür suchen wir aktuell drei weitere Firmen, die eine GWÖ-Bilanz erstellen lassen möchten."

Projektpartnerin Dr. Uta Anschütz, die an einer Schnittstelle zwischen Antonius und der Hochschule Fulda tätig ist, ergänzt ihre Perspektive: "Als Hochschule sehen wir es als unsere Verantwortung, die Region auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen. Die Gemeinwohlbilanzierung ist ein hervorragendes Instrument, um Unternehmen dabei zu helfen, ihre soziale und ökologische Verantwortung sichtbar zu machen und weiterzuentwickeln." (mau/pm) +++


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