Der 47 Jahre alte Omid Safawi (vordere Mitte) gibt beim Ringen einfach alles! - Fotos: Privat

LAUTERBACH/SCHLITZ/FULDA Ringer-Weltmeister trotz Bizeps-Abriss

Modell-Athlet und Vorbild für die Ringer-Jugend in Lauterbach und Fulda

28.12.24 - Sportler wissen: Ehrgeiz kann Berge versetzen und steigert die Leistungsfähigkeit, setzt Adrenalin frei und nimmt den Schmerz. Aber Hand aufs Herz: wenn einem Freistil-Ringer bei der Weltmeisterschaft während eines Kampfes der linke Bizeps abreißt, ist die Fortsetzung der Titelkämpfe doch komplett aussichtslos und der dringende Rat des Championat-Arztes die einzige logische Option: Das war’s, Shit happens.

Für den 47 Jahre alten, in Schlitz wohnenden und in Lauterbach und Fulda aktiven deutschen Senioren-Nationalmannschaftsringer Omid Safawi gab es nur die andere Option: Augen zu und durch, denn für das eine Ziel hatte er sich monatelang einsam und verbissen geschunden. Nach Doppelbronze bei der letzten WM sollte es nun Gold für seine neue Heimat Deutschland werden. Auf eigene Verantwortung ignorierte er die ärztliche Empfehlung – und erfüllte sich einen Traum, wie man ihn in einem Märchen kaum kitschiger hätte gestalten können.

In gemütlicher Weihnachtsstimmung: Omid Safawi und seine Frau Najmeh Afyanian. ...Fotos (7): goa

Die „Wall of Fame“ im Fitnessraum hat hochwertigen Zuwachs bekommen. ...

Omid ringt für die SG Frischauf Fulda

Die Fakten in Kurzform: 8. bis 13. Oktober, Porec. Der internationale Ringerverband United World Wrestling (UWW) trägt seine Veteranen-Weltmeisterschaften aus, der Deutsche Ringer-Bund (DRB) ist mit einer etwa 30-köpfigen Nationalmannschaft vor Ort. (Anmerkung: der Begriff "Veteranen" bezieht sich lediglich auf die Altersklassen und hat keinerlei militärischen Hintergrund.) Im deutschen Team ist ein Vogelsberger: Seyed Hashem Shazadeh (genannt "Omid") Safawi aus Schlitz. Er ringt für die SG Frischauf Fulda, wo er auch als Trainer tätig ist – wie auch in Lauterbach, wo er 2016 beim TVL die Abteilung Ringen gegründet hat. Der 47-Jährige startet in der Altersgruppe C, Gewichtsklasse bis 70 kg. Bemerkenswert: nur wenige internationale Spitzenathleten ringen wie er sowohl in seiner Lieblingsdisziplin Freistil als auch Griechisch-Römisch. Omid Safawi wird im Freistil ungeschlagen Weltmeister, trotz des erwähnten Bizeps-Abrisses. Eine bemerkenswerte Geschichte liegt hinter dem WM-Titel.

Ortswechsel, ein ruhiges Wohnviertel in Schlitz. Vierte Adventswoche, zehn Wochen nach der WM. Nach dem Klingeln öffnet sich die Tür des gemütlichen Reihenhauses, zwei Gesichter strahlen freundlichst von innen heraus: der frisch gebackene Weltmeister Omid Safawi und seine Frau Najmeh Afyanian. Schon auf den ersten Blick ist klar: Dieser untersetzte Athlet ist definitiv ein Powerpaket. Man fühlt sich angesichts der doppelten Herzlichkeit sofort willkommen.

Mit 13 Jahren habe er im Iran angefangen zu ringen – entgegen dem väterlichen Willen. Er solle lieber studieren, habe der Vater immer gesagt, blickt Safawi in hervorragendem Deutsch zurück. Daher machte er beides, und zwar mit Erfolg: schon nach wenigen Monaten war er 1994 im Ringen iranischer Landesmeister, und seine Lernerfolge mündeten in ein Elektronik-Studium und seine Selbstständigkeit. 2014 kam er mit seiner Frau und dem Sohn nach Deutschland, und zwar in den Vogelsbergkreis, Burg-Gemünden. Via Facebook wies er auf seine Leidenschaft Ringen und seine Trainerlizenz hin und erhielt vom RSC Fulda sofort das Angebot, im Oberliga-Team mitzumachen. Da die iranische Lizenz in Deutschland nicht anerkannt wurde, erwarb er die Bundes-Lizenz in einem sechsmonatigen Lehrgang in Aschaffenburg und Frankfurt. "Die Prüfung habe ich ohne Fehlerpunkte als Bester bestanden", lächelt er.

Vater und Senioren-Weltmeister Omid Safawi mit seinem Sohn, Jugend-Hessenmeister ...Fotos (8): Privat

Geschafft: Sieg im Finale!

„Großer Willkommens-Bahnhof“ für den Weltmeister bei der SG.

Jede Menge Medaillen

Inzwischen umgezogen gründete Safawi in Lauterbach 2016 im TVL eine Ringerabteilung, die sich gleich einer guten Resonanz auch mit Alsfelder Ringern erfreute. Eine wichtige Etappe bildete die Deutsche Senioren-Meisterschaft im schwäbischen Ehningen, wo Safawi einmal Gold und einmal Bronze errang. Trotz dieser Erfolge konnte er nicht an der WM teilnehmen, weil er noch nicht eingebürgert war - bis 2019: BAMF und Ausländerbehörde hatten seinem Antrag zugestimmt, Safawi erhielt die ersehnte deutsche Staatsangehörigkeit, die Weltmeisterschaften konnten kommen. Platz 5 in Bulgarien, danach Doppel-Bronze - im Oktober 24 sollte es in Porec nun endlich Gold werden. Safawi trainierte wie ein Besessener, nach Feierabend ging es direkt zum Joggen oder in den Fitnessraum im Obergeschoss, in dem die vielen Pokale und Urkunden von der WM-Goldmedaille gekrönt werden. "Der Trainingsraum ist so klein, aber größer als eine Welt!", beschreibt er sein Gefühl. "Egal – ich will unbedingt Gold!". Als wichtige Faktoren benennt er seine Frau, die ihn motivierte und für den Ernährungsplan und seine Umsetzung zuständig war, sowie seinen 15-jährigen Sohn Navid als Trainingspartner, der inzwischen für den TVL selbst Hessenmeister wurde.

Auch am Arbeitsplatz wurde er gebührend gefeiert.

"Ich habe gebrüllt wie eine ganze Mannschaft"

Beide reisten auch zur WM mit nach Porec und feuerten Omid frenetisch an. "Wenn er auf der Matte war, habe ich gebrüllt wie eine ganze Mannschaft", scherzt Najmeh. Omids Bilanz ist beeindruckend: einem 10:0-Auftaktsieg folgte im Viertelfinale der zweite Sieg, mit der Besonderheit des erwähnten Bizeps-Abrisses. Trotz dieses Handicaps im Halbfinale den russischen Titelverteidiger 4:2 und im Finale einen sehr starken Kasachen 4:0 zu schlagen, nötigte auch der internationalen Konkurrenz großen Respekt ab, so Safawi. Die Ringrichterin hob am Finalende seinen Arm: Sieg! "Bei der Siegerehrung dachte ich, das ist alles ein Traum: Ich bin Weltmeister, stehe da im DRB-Nationalmannschaftsanzug, die deutsche Fahne wird hochgezogen und es erklingt die deutsche Hymne!" Man kann erahnen, wie bewegend dies gewesen sein muss – auch der Rückblick lässt ihn nicht unberührt. Das ganze Team feierte natürlich mit ihm, denn es sollte das einzige WM-Gold für des rund 30-köpfigen DRB-Kaders bleiben.

"Eine Inspiration für uns alle"

Inzwischen ist wieder so etwas wie Normalität eingekehrt. Seine Arbeitskollegen bei der Lauterbacher Firma Votronic feierten den sehr beliebten Omid ebenso wie seine Mannschaftskameraden der SG Frischauf Fulda, zu der er vom RSC gewechselt war und mit der er nach dem Aufstieg im kommenden Jahr in der Hessenliga startet. Diese hatten ihn sogar mit einem bemerkenswerten, ja rührenden Banner in der Sporthalle willkommen geheißen: "Du bist nicht nur ein Champion im Sport, sondern auch eine Inspiration für uns alle" heißt es dort unter anderem.

Omid Safawi ist angekommen. Am sportlichen Ziel als Weltmeister – man darf mutmaßen, dass es zwar der erste, aber nicht sein letzter Titel bleiben wird. Seine Frau und er sind mit ihren in beachtlicher Geschwindigkeit erlangten deutschen Sprachkenntnissen auch in Deutschland angekommen. Der Weihnachtsbaum und die kleine Weihnachtsmannfigur im Wohnzimmer stehen nicht nur als reine Dekoration dort, ebenso wie die Deutschlandfahne unter dem genannten Banner an der Wand des Fitnessraums. Der deutsche Weltmeister aus Osthessen blickt bereits auf die nächste WM und würde sich über eine Sponsoren-Unterstützung bei den wieder komplett privat zu tragenden Kosten, aber auch über ein Sponsoreninteresse für die Ringer-Nachwuchsarbeit beim TV Lauterbach und der SG Frischauf Fulda freuen. Sein Arbeitgeber Votronic hatte sich bereits mit einem Sponsoring an den erheblichen Reise- und Aufenthaltskosten beteiligt. Nach der WM ist vor der WM: Das Banner und die Deutschlandfahne hat Omid Safawi für die Mission Titelverteidigung bereits täglich im Blick. (goa)+++


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